Jörg Münchenberg: Das Spitzentreffen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem nordkoreanischen Machthaber Kim sorgt bereits im Vorfeld für einige Unruhe. China, lange Zeit der einzige Verbündete Nordkoreas, droht, ins Abseits zu geraten, zumal es auch zwischen Nord- und Südkorea noch im Frühjahr hochrangige Gespräche geben soll. Also machte sich jetzt der Machthaber Kim auf nach Peking – vor allem deshalb, so vermuten viele Beobachter, um sich dort politische Rückendeckung zu holen. Auch in den chinesischen Staatsmedien war das Treffen Topthema.
Zugehört hat Stefan Samse von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Seoul. Herr Samse, ich grüße Sie!
Stefan Samse: Guten Tag nach Deutschland! Guten Tag Herr Münchenberg.
Münchenberg: Genau. Bei Ihnen ist ja schon ein bisschen später als bei uns. - Herr Samse, war das jetzt ein überfälliger Besuch des nordkoreanischen Machthabers in Peking?
Samse: Na ja, es gibt mehrere Gründe für den Besuch und auch für den Zeitpunkt. Kim Jong-un ist seit sieben Jahren an der Macht, Xi Jinping in Peking seit sechs Jahren, und das war das erste Treffen der beiden. Und ich attestiere Kim Jong-un durchaus ein gewisses Selbstbewusstsein. Das hat man auch gesehen an den Bildern und an den Aufnahmen, die es gab von den Gesprächen in den vergangenen Tagen. Es war auch erstmals seine Ehefrau dabei. Auch das hat es in der Vergangenheit nicht gegeben. Das ist auch in diesem Kontext schon bemerkenswert. Es ist seine erste internationale Reise überhaupt und dann noch mit dem Zug, das ja eine Tradition seiner Familie fortsetzt.
Zurück zur "Blutsbruderschaft"?
Münchenberg: Auf der anderen Seite hat ja unser Korrespondent gerade berichtet, dass Kim eher dasaß und in ein Büchlein reingeschrieben hat und vor allem der chinesische Staatspräsident geredet hat. Gibt da China nicht trotzdem den Ton vor?
Samse: Na ja, die Beziehungen zwischen beiden haben schwierige Wochen und Monate hinter sich. Das ist zweifelsohne so. Auch in den nordkoreanischen Medien ist negativ über China berichtet worden. Das ist schon so. Auch in der internationalen Presse, auch hier in Südkorea machte sich ein Wort breit, nämlich von "China Passing", das heißt, dass ursprünglich China mal zwar mitentscheidend war, dass es aber drohte, aus dieser Rolle herausgedrängt zu werden.
Denn es waren Gipfel vereinbart oder zumindest in die Planung genommen zwischen Nordkorea und Südkorea, zwischen Nordkorea und den USA, und China fand sich überraschend in einer Position eher am Rande wieder. Xi Jinping wollte hiermit und möchte hiermit die Initiative zurückgewinnen, wieder auf den Fahrersitz zurück.
Das knüpft an an die historische Verbundenheit zwischen Nordkorea und China. Es war ja lange auch von einer Blutsbruderschaft die Rede. Das ist das, was er jetzt wieder etablieren möchte. Das war das Hauptmotiv, was ihm auch die Initiative dann durch die Einladung, die er an Kim Jong-un ausgesprochen hatte, zurückbrachte.
Münchenberg: Herr Samse, Sie haben es gesagt: China will wieder zurück auf den Fahrersitz. Wenn man jetzt mal auf diesen möglichen Gipfel zwischen US-Präsident Trump und Kim schaut - das ist ja noch nicht sicher, ob der wirklich stattfindet -, eigentlich kann doch China an einem solchen Gipfel überhaupt kein Interesse haben, denn dann würde man ja faktisch Einfluss verlieren, besonders wenn dieser Gipfel dann tatsächlich am Ende erfolgreich wäre.
Samse: Umso stärker das Ansinnen Chinas, hier wieder die Gesprächskanäle aufleben zu lassen. Auch zwischen China und Nordkorea hat es in den letzten Wochen, Monaten, vielleicht sogar anderthalb, zwei Jahren gehakt. Das hat man deutlich gemerkt. Wenn man Gesprächspartner in Peking gefragt hat, wie sie denn kommunizieren oder noch kommunizieren, da kam häufig die Antwort, von Think Tanks zum Beispiel, von Institutionen, die sich mit Nordkorea beschäftigen, die dann sagten, nein, unsere Kontakte sind abgebrochen, unsere Kanäle sind versiegt. Das betrifft beispielsweise auch universitäre Kontakte. Das ist schon schwieriger geworden und diesen Kreis wollte man durchbrechen und das ist jetzt der ganz starke Versuch.
Verhandlungen über Atomwaffen noch völlig offen
Münchenberg: Nun hat ja Kim Jong-un angekündigt oder zumindest angedeutet, er sei bereit, auf Atomwaffen zu verzichten. Ist das glaubwürdig?
Samse: Na ja. Bisher war der Rhythmus eigentlich immer der folgende. Man hat Dialog gehabt, man hat verhandelt, man hat Vereinbarungen getroffen und am Ende wurde es abgebrochen. Dieser Zyklus, dieser Turnus, das war ja mehrfach in den letzten anderthalb Jahrzehnten zu beobachten. Wie das dieses Mal ausgeht, ob es gelingt, das zu durchbrechen und am Ende tatsächlich zu tragfähigen Vereinbarungen zu kommen, ich glaube, das ist völlig offen.
Münchenberg: Auf der anderen Seite sind ja gerade diese Atomwaffen, die Nordkorea besitzt, letztlich auch ein Faustpfand für die Machthaber. Da ist es doch kaum vorstellbar, dass man die aus der Hand geben will.
Samse: Das ist einerseits richtig. Andererseits: Es gibt ja Gründe, warum Nordkorea sich bewegt. Das sind einerseits natürlich die Sanktionen, die in der zweiten Hälfte 2017 begonnen haben zu greifen. Das ist auch in Nordkorea ersichtlich. Die Benzinpreise steigen, die Stromausfälle häufen sich, es gibt Probleme bei der Materialbeschaffung. Die Kette ließe sich fortsetzen und das ist der eine Bereich.
Der andere Bereich ist die Entwicklung in den USA. Die Zahl der Hardliner an entscheidenden Stellen und Positionen in der US-Administration, das ist schwer einschätzbar geworden für Nordkorea und das führt auch dazu, dass man die Gelegenheiten, die sich geboten haben - und dazu gehörten vor allem als Auslöser dann die Olympischen und die Paralympischen Spiele.
Das hat Nordkorea dann wiederum schon sehr geschickt gemacht, auch strategisch geschickt gemacht -, dass man dieses Momentum genutzt hat. Und man hat ja gesehen, wie die Berichterstattung den Fokus legte auf diese Initiativen, auf diese politischen Initiativen. Das hat in Teilen die Titelseiten der Zeitungen und auch die Headlines der Berichterstattung ja fast schon dominiert, noch stärker zum Teil als die sportlichen Leistungen.
"Bemerkenswert", wie wenig die Nordkoreaner wissen
Münchenberg: Herr Samse, Sie waren ja selber vor kurzem erst auch in Nordkorea. Welche Eindrücke haben Sie bei diesen Gesprächen gewonnen, vielleicht auch was die Erwartungen angeht jetzt an das mögliche Treffen mit US-Präsident Trump?
Samse: Bemerkenswert fand ich, dass bei vielen Gesprächen, auch auf der mittleren Ebene, auch mit politischem Bezug in den Behörden, bei Institutionen, aber auch in Universitäten, übrigens auch, soweit das möglich war, das ist immer nur sehr eingeschränkt möglich, aber soweit das dann doch passierte, mit Nordkoreanern- es war bemerkenswert, dass sie eigentlich kaum, eigentlich nichts will ich nicht sagen, aber eigentlich kaum etwas wussten über das, was gerade passiert, über die Annäherung oder die leichte Annäherung zwischen Nord- und Südkorea, über die möglicherweise stattfindenden beiden Gipfel, auch über die Reise Kim Jong-uns nach Peking. Über all das ist nicht berichtet worden in nordkoreanischen Medien.
Münchenberg: Und Warum? Was, glauben Sie, ist der Grund, dass man das vollkommen unter der Decke halten will?
Samse: Zum einen sicherlich, weil man nicht weiß, wie die ganze Geschichte ausgeht, und zum anderen, weil man möglicherweise noch nicht weiß, wie man das der eigenen Bevölkerung eigentlich nach all den Jahren erklären soll.
Münchenberg: Wie berechenbar ist denn Kim weiterhin, wenn man jetzt auch auf die anstehenden Gespräche, auf die möglichen Spitzentreffen schaut? Wie berechenbar und verlässlich ist denn der nordkoreanische Machthaber Kim?
Samse: Das ist eine gute Frage. Das ist sogar eine sehr entscheidende Frage. Aber egal wem man, egal wo man diese Frage stellt, ich glaube, das ist in der Tat dann wiederum die Black Box Nordkorea. Das zu prognostizieren, würde ich nicht wagen. Das ist schwer abzuschätzen.
Seoul bemüht sich sehr
Münchenberg: Herr Samse, Ihre Stiftung hat den Sitz ja in Seoul. Ganz kurz noch der Blick auf Südkorea selbst. Wie groß sind denn da die Hoffnungen auf eine mögliche Verständigung mit dem schwierigen Partner aus dem Norden?
Samse: Seoul bemüht sich sehr und von Seoul sind ja auch die Initiativen ausgegangen, diese Negativspirale, die man in den letzten Monaten und eigentlich in den letzten beiden Jahren gesehen hat, zu durchbrechen. Das ist im ureigenen Interesse Südkoreas, denn Südkorea ist ja das Land hier in der Region, was eigentlich am meisten zu verlieren hat, nämlich die Freiheit, den erwirtschafteten Wohlstand und all das, was man in zweieinhalb, drei Jahrzehnten erarbeitet hat.
Das oberste Ziel der Administration hier in Südkorea ist es, für Entspannung zu sorgen, und da ist der Dialog der richtige Weg, wie man meint. Vor allem schaut man dabei auch nach Europa, nach Deutschland, und schaut sich die Instrumente an, mit denen man im Kalten Krieg, auch gegen Ende des Kalten Krieges operiert hat, um Spannungen abzubauen, und man merkt tatsächlich, dass es immer, auch in den dunkelsten Zeiten des Kalten Krieges Kontakte gegeben hat zwischen Bonn und Ost-Berlin, zwischen Bonn und Moskau. Dieser Dual Approach, zum einen Härte zu zeigen, zum anderen aber immer die Kommunikationskanäle offenzuhalten, das versucht auch Südkorea.
Münchenberg: … sagt Stefan Samse. Er ist Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Seoul. Herr Samse, besten Dank für das Gespräch.
Samse: Sehr gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.