Ute Wegmann: Zahlreiche Berufe hat mein Gast schon ausgeführt: Streetworker und Sozialarbeiter, Pizzafahrer und Türsteher, Werbetexter und Comedy-Autor, Komponist, Musiker, Hörbuchregisseur und schließlich Kinderbuchautor. Selbst diese Aufzählung bleibt eine Auswahl. Ich begrüße ganz herzlich Kai Lüftner.
Welcher Job war die beste Vorbereitung auf den Schriftstellerberuf?
Kai Lüftner: Ich kann keinen hervorheben. Ich glaube, dass ich all diese Jobs brauchte, um mich da wiederzufinden, wo ich jetzt bin. Aber ich glaube, was am meisten mit dem zu tun hatte, war Sozialarbeiter. Und ein bisschen bin ich das ja auch noch, nur dass ich jetzt Inhalte kreiere und nicht mehr Kinder oder Jugendliche erziehe oder betreue.
Wegmann: Dass der Mann in Berlin geboren ist, muss ich sicher nicht erwähnen. Und das Mitte der Siebziger. Für mich sind Sie ja vor allem ein Worterfinder und ein Satz-Spieler, ein Reimer und ein Rapper. Denn die Musik spielt eine wichtige Rolle. Was war zuerst da: die Lieder oder die Kindergeschichten?
Lüftner: Das lässt sich nicht einfach trennen. Ich wusste schon immer, dass ich was mit Sprache machen will. Aber ich hab mich nicht getraut, für die Zielgruppe Kind zu schreiben. Ich habe auch lange als Auftragstexter gearbeitet, das hat mich handwerklich gefordert. Aber ich kann es nicht spezifizieren, ab dem Zeitpunkt wurde mir klar, ich will für Kinder schreiben. Es blieb nachher übrig. Ich traute mich dann an die Zielgruppe heran, die ich so wichtig finde, die ich so mag, und wo ich finde, dass es so wenig ausreichend Gutes gibt. Obwohl es das natürlich auch gibt.
Wegmann: Hören wir in ein Lied hinein: Titel Super-Junge. Text und Gesang Kai Lüftner. Vielleicht drei Sätze, worum es geht.
Lüftner: Es geht um einen Jungen, den jeder in der Klasse hat, von dem man denkt, der ist total toll. Und am Ende stellt sich heraus, eigentlich ist man selber viel superer als der.
Wegmann: Superjunge
Wegmann: Ein Titel von der 2. Rotz’n’Roll CD. Aufgemacht wie eine Radiosendung mit kleinen Trailern, Gedichten, kurzen Dialoge, und Überleitungen zu den Songs. Gesungen wird auf Hochdeutsch, ansonsten wird berlinert. Eignet sich das Berlinerische nicht zum Singen?
Lüftner: Also ich singe ja nicht nur Hochdeutsch, sondern bei einigen Songs bietet sich das an. Ich bin ein zickig geworden, was den Berliner Dialekt angeht. Der ist so komisch verrufen. Manche finden ihn niedlich oder frech, aber eigentlich ist er ein bisschen asi. Das finde ich komisch, weil andere Mundart zelebriert werden und einen ganz anderen Stellenwert haben. Ich als gebürtiger Berliner falle in meiner Stadt auf, der Dialekt hat sich in die Stammkneipen die Westberliner verzogen. Und selbst der Nachwuchs spricht kein Berlinerisch mehr. Ich finde das schade und schlimm.
Wegmann: Ich glaube, das ist das Problem des Dialekts generell, das er viele Jahre verrufen war, aber jetzt gibt es auch zum Beispiel in Köln wieder Workshops und Kölsch-AGs an den Schulen . Also wir können auf eine Pflege hoffen.
Lüftner: Und deshalb sage ich eben, ich bin immer noch ein bisschen Sozialarbeiter. Das ist meine Intention, auch zu zeigen, dass man mit gepflegtem Schnodderdeutsch und Dialektanmutung trotzdem klar und gut mit Sprache arbeiten kann. Das schließt sich nicht aus.
Wegmann: Die Lieder sind Alltagsgeschichten (Bis einer heult/schlechte Laune/Was so passieren kann/Geburtstag), aber auch Einsamkeit, Abschied, Tod. Sehr gute Arrangements, kritische und selbstironische Texte. Es ist Gute-Laune-Musik! Treten Sie mit der Band auf?
Lüftner: Uns hat der Erfolg der Produktionen überrollt. Eigentlich war das ein Nebenprodukt. Ich hatte im Zuge eines Buches die Idee, ein Musikvideo zu machen. Das hat der Verlag den Vertretern mitgegeben und das hat sich als gut herausgestellt. Daraus entstand die Idee, eine CD zu machen und wir haben unglaubliche Verkaufszahlen mit den drei Produkten, vor allem aber haben wir unglaublichen Zulauf bei den Live-Konzerten. Es gibt offensichtlich einen Bedarf an Familienerlebnissen. Und wenn wir in Berlin spielen, kommen locker tausend Leute. Wir waren gerade in den Wühlmäusen. Ausverkauft. Also auch uns Orte zu erschließen, die sonst nicht so klassisch für Kinder- oder Familienunterhaltung stehen. Und ich trete mit der Band auf, ich habe dazu Bock, es sind super Musiker, großartige Produzenten und was uns vereint, ist unsere Freundschaft und die Tatsache, dass wir Väter sind. Wir sind Väter geworden und waren es leid, was es da so gibt an täglich Brot. Jeder hat seine Aufgabe. Wir brauchen uns. Und daraus ergibt sich das interessante und gute Ergebnis.
Wegmann: "Die weltbeste Lilli", ein Bilderbuch für ganz Kleine. Wie kam es zum ersten Buch für Kinder, obwohl Sie ja damals Drehbücher und anderes geschrieben haben?
Lüftner: Das ist das erste Buch, das erschienen ist, aber nicht das erste, das ich geschrieben habe. Ich hatte keine Ahnung von der Branche. 2012 ist das erste Buch erschienen, ich hatte keinen Plan. Ich hab innerhalb von einem halben Jahr sieben Buchverträge unterschrieben bei sieben Verlagen. Mit komplett unterschiedlichen Inhalten. Vom gereimten Buch, zum traurigen Buch, zur Pappe, zum Erzählband.
Wegmann: Die Geschichten lagen also schon alle in der Schublade.
Lüftner: Ja, die waren da. Es brauchte eine Initialzündung. "Die weltbeste Lilli" ist ein Paradebeispiel für Buch, weil das hat was mit dem Mut zu tun, von dem ich anfangs erzählte. Also: Ich geh in meinen Kampfsport Dojo, ich mach 25 Jahre Kampfsport, und traue mich dort zu sagen: he Leute, ich hab ein Buch geschrieben, das heißt "Die weltbeste Lilli". Und meine Erwartung war: Die Musik verstummt und allen schwellen die Adern. Aber es war so, dass drei ankamen und sagten: Cool, meine Nichte heißt auch Lilli, zeig mal. So war das Eis gebrochen. Also wenn ich einfach zu dem stehe, was ich mache, mein Ding mache, dazu stehe, zu dem was ich kann, dann wird das auch so wahrgenommen.
Wegmann: Danach erschienen "Achtung, Milchpiraten!", "Das Kaff der guten Hoffnung" (drei Teile) und zwei Bilderbücher. Beide auf den Besten sieben, der Deutschlandfunkbestenliste, dazu später mehr. Im Kaff der guten Hoffnung sucht Kind Kalle in Waisenhäusern seinen älteren Bruder. (136 hat er schon durch!). Dabei trifft er immer wieder auf skurrile Menschen, schräge Erwachsene, komische Kinder, ein ziemlich verrücktes Ensemble. Bürgermeister Sesselfurz, Heimleiterin Galgenstrick, Polizist Haudegen und diverse andere. Sie erfüllen gemäß ihrer Funktion alle Klischees, viele sind hinterhältig oder berechnend, obendrein betrunken und noch dusselig. Außer Professorprofessor. Ein gehöriger Schuss an Adjektiven und Metaphern gibt es: pissnelkengelbe Wolle/irgendwer guckten wie Paniermehl aus der Tüte usw. Slapstick mit Verwechslungen, Komödie, Auf- und Abgänge wie beim Theater ... Sie haben offensichtlich keine Angst vor Albernheiten. Wofür steht albern sein, für aus der Rolle fallen oder auch für unangepasst sein?
Lüftner: Ich gebe zu, dass ich einen nicht zu leugnenden Hang zu anarchischem Humor habe. Als Vorleser erlebe ich, dass dieses Bravgebügeltwerden, dieses politisch Korrekte, dieses Pädagogischwertvolle, das ganz früh Gegenerderte – dass das nicht meiner Erlebniswelt entspricht. Und ich hab das Gefühl, dass es auch von Kinder- und Jugendlichenseite einen Bedarf nach schrägem Zeug gibt. Ich überzeichne hier natürlich total, das wird mir auch immer wieder vorgeworfen. Nun ist aber "Das Kaff der guten Hoffnung" ein Paradebeispiel für: wenn man mich machen lässt. Ich hab im Prinzip von der Ulla Behrend-Roden, der Chefin von Sauerländer Audio gehört: Du kannst machen, was du willst. Nur eine Kuh darf nicht die Hauptfigur sein. Denn die hatten damals Steffensmeier mit der Kuh Lieselotte . Und das hab ich gemacht. Ich hab mir den coolsten Illustrator, den ich damals kannte, ausgesucht: Dominik Rupp, ein 21-Jähriger, der aus der Comicbranche kommt und einen ganz schrägen Strich hat, und hab so gemacht, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Und was soll ich Ihnen sagen, ich hab vor kurzem erfahren, dass es eine Verfilmungsanfrage gibt. Das heißt natürlich noch lange nichts. Es scheint ja, wenn auch nicht mit nem Knall, eine Aufmerksamkeit zu kriegen und ein Interesse zu geben und sich auch durchzusetzen.
Wegmann: Im "Kaff der guten Hoffnung" steht Freundschaft über allem. Zugehörigkeit ist für den Protagonisten ein neues Gefühl. Happy End mit Cliffhanger. Muss ein Kinderbuch ein Happy End haben?
Lüftner: Ich finde, dass es das nicht geben muss, weil auch das Leben nicht so ist. Allein in der Klasse meines Sohnes sind die etwa die Hälfte der Kinder Scheidungskinder. Also da ist kein happy End. Das gibt es nicht immer zwingend. Ich finde aber, dass es unsere Aufgabe ist, für Leute, die Inhalte kreieren, zumindest Möglichkeiten anzubieten, wie man mit Situationen, mit Ist-Zuständen umgeht. Mein Bedürfnis ist, in den Bücher und der Musik, die ich mache, zu zeigen, dass es alles gibt. Himmelhochjauchzend, Geburtstagsparty, und absurde Furzipupsknatterdrachenthemen, aber es gibt auch Tod und es gibt Trauer und Einsamkeit und Mobbing und Co. Im Speziellen muss man sich das noch mal angucken. Es gibt nicht immer Happy Ends, aber wenn ich eine Mission im Leben habe, dann die, auch mit den schlechten Dingen umzugehen und Lösungswege aus der Krise anzubieten. Oder zumindest zu sagen: Es ist wie es ist, also lass uns das Beste daraus machen.
Wegmann: Jetzt haben Sie mir eine gute Überleitung geschaffen zu den ernsten Themen. Also: Das alles, was wir bis hierher gehört haben, das ist der Kai Lüftner, Berliner Kinderbuchautor, der als Sänger einer Band - es sei mir verziehen – auch eine richtige Rampensau ist, der viele lustige Szenen schreibt ist. Der Gute Laune-Musik macht. Er hat aber noch eine andere Seite, und die zeigt er in dem Bilderbuch "Für immer", illustriert von Katja Gehrmann. Die Geschichte eines kleinen Jungen, der seinen Vater verliert. Nichts ist mehr wie es war für die Zurückgebleibenden. Egon ist ein Zurückgebliebener. Es geht um Trauer. Meines Wissens zum ersten Mal im Bilderbuch ganz ausdrücklich, wie die anderen, die Gesellschaft mit den Zurückbleibenden umgeht. Es geht um das mühevolle Trostspenden, falsche Worte oder Gesten, vor allem aber um das Wegschauen oder Schweigen. Das schreibt man so nicht, wenn man es nicht kennt, Kai Lüftner.
Lüftner: Ja, das Thema Tod hat in meinem Leben tatsächlich eine präsente Rolle über viele Jahre gehabt, ich hab viele Leute verloren. Und vor ein paar Jahren auch selber Kinder verloren. Das war mit Sicherheit eins der einschneidensten Erlebnisse in meinem Leben. Ich hab die Sprachlosigkeit, obwohl ich ein erwachsener Mensch bin, am eigenen Leib erlebt, auch wie einsam man damit ist, egal wie man sich eingebunden fühlt in einer guten Partnerschaft oder einem guten Netzwerk von Freunden. Mir war es ein Bedürfnis, als mein Sohn zwei Jahre alt war, ihm irgendwann erklären zu können, dass er zwei Brüder hat, die nicht mehr da sind. Und war auf der Suche nach Literatur und hab festgestellt, dass es das nicht so gibt, was ich suche oder wie ich es machen würde. Das war auch der Auslöser, mit dem Schreiben anzufangen. Nicht "Die weltbeste Lilli" war das erste Buch, sondern "Für immer". Und zwar aus der totalen Krise heraus, am Boden zerstört, viele gut bezahlte Jobs hinter mir gelassen, weil ich merkte, ich werd da immer unglücklicher, und da hab ich mich über Nacht hingesetzt. Es ging um den Zurückgebliebenen, wie fühlen die sich. Hab ein Buch geschrieben und hab es am nächsten Morgen an den einzigen mir bekannten Kinderbuchverlag, das war damals Beltz & Gelberg geschickt, da ich hatte ich ein paar Bücher im Regal, wie den "Grüffelo", hab das dahin geschickt und mehr oder weniger eine Stunde später rief Frau Gelberg an und sagte: Wir nehmen das. Und da dachte ich: Och, ist ja leicht. Und hab einfach weitergemacht. Und das Buch wird auch für immer mein wichtigstes bleiben, egal was noch für tolle Projekte kommen. Weil ich merke, dass es einen tierischen Bedarf gab, ohne dass das Thema mit einer solchen Schwere behandelt wird, oder theologisch oder komödiantisch verklärt. Ich sehe, dass Kinder und ich das anders wahrnehmen, die haben eine Art Interesse und es bleibt trotzdem etwas Unerklärliches. Und dem versuche ich etwas entgegenzustellen: Wie gesagt: Eine Situation ist wie sie ist. Was machen wir damit? Keiner würde wollen, dass man für immer den Kopf in den Sand steckt, für immer unglücklich ist. Das würde keiner wollen.
Wegmann: Katja Gehrmann hat herausragende Bilder gemalt mit Buntstift und Aquarellfarben. Vorsatzpapier zeigt noch das Familienglück auf gemalten Fotografien. Beeindruckend das Bild des Jungen am offenen Grab, aus der Untersicht ragen Sohn und Mutter vor tiefem Schwarz aus der Wiese. Unter dem Arm trägt der Junge den Drachen, den er mit dem Vater gebastelt hat. Eine Verbindung zu dem Verstorbenen. Tod ist ein Tabu in unserer Gesellschaft. Dennoch habe ich den Eindruck, dass es sich etwas verändert hat in den letzten fünf bis zehn Jahren?
Lüftner: Ich hab das Gefühl, dass es nicht mehr die Lösung ist, es zu tabuisieren, sondern dass die Lösung zu sein scheint, damit umzugehen. Das heißt nicht, dass ich alle Modelle toll finde. Ich mag auch nicht, wenn das in abgeschlossenen Zirkeln stattfindet, sondern ich finde, man sollte das ganz normal ins Leben bringen. Es sollte sich in den Rest einfügen, dann wird es auch ein Stück weit normaler. Für mich und wie ich das bei meinem Sohn und anderen Kindern erlebe, gibt es da ein Interesse. Und wenn wir unsere Ängste rüberschwappen lassen, tun wir keinem einen Gefallen, da können wir eher was lernen von Kindern. Ich wollte meinen Beitrag dazu leisten. Mittlerweile ist das Buch in viele Sprachen übersetzt. Es ist nicht auf Berlin und Deutschland begrenzt, sondern auf der Welt ist es so. Auch wenn es Kulturen gibt, die damit unbefangener sind. Es geht uns allen so.
Wegmann: Das neue Bilderbuch "Der Gewitter-Ritter" war gleich zweimal auf den Besten sieben. Wir hören einen Auszug, gelesen von Kai Lüftner.
Wegmann: Vielen Dank. Der Autor Kai Lüftner ist heute Gast im Büchermarkt. Das Hörbuch liest Martin Kautz. Alle Angaben zu CDs und Büchern finden Sie auf unserer Internetseite deutschlandfunk.de, Bücher für junge Leser.
Es geht um eine Gefühlsbeschreibung, aus einer Spielsituation entwickelt sich ein großes Unglück, vergleichbar einer ebenso unberechenbaren Energieentladung bei einem Gewitter. Das Hörbuch vermittelt nun die Textebene, die aufkommende schlechte Stimmung in den Metaphern eines herannahenden Ritters, der unter Gewitterstimmung gegen etwas Unbekanntes kämpft, vielleicht gegen sich und die ganze Welt kämpft. Im Bilderbuch zeigt die Illustratorin Eva Muszinyski zwei Bildebenen. Neben dem Ritter, wie ein Daumenkino in s/w sieht man am unteren Bildrand einen spielenden Jungen, der plötzlich und unvermittelt zornig wird, schließlich in Tränen ausbricht und dann weiterspielt. Eltern kennen solche Situationen in Trotzphasen. War es für Sie von Anfang klar, den Text gereimt zu formulieren?
Lüftner: Ja, es war eigentlich sogar so: Ich hatte ein paar Fetzen, phonetische Experimente, parellel dazu hatte mein Sohn einen Wutanfall. Und da sah ich die Parallele, die gereinigte Luft nach einem Gewitter. Ich hab zum Glück nicht nur mit Monika Osberghaus (Red: Verlegerin), sondern auch mit Eva Muszynski (Red: Illustratorin), die ich verehre, das Konglomerat, kann man Wut mit Gewitter vergleichen, hergestellt. Wir waren sofort auf einer Wellenlänge. Und es war klar, das kann auch nur in der Tradition der großen deutschen Balladen stattfinden, ohne dass ich mich da auch nur ansatzweise einreihen will, aber dass es eben die Opulenz benötigt in der Sprache, um der Dramatik und allem, was mit dranhängt, Ausdruck zu verleihen.
Wegmann: Nimmt denn Kai Lüftner ein Reimlexikon zur Hilfe?
Lüftner: Ich habe es zu Hause stehen. Aber bisher ehrlich gesagt nicht. Nicht beim Gewitter-Ritter. Es gibt so ein paar Liedtexte, wo ich was Schrägeres brauchte. Aber sonst eher nicht.
Wegmann: Mir gefällt, dass es nicht pädagogisch ist, nicht analysiert wird, sondern einfach nur ein Zustand betrachtet wird. Und natürlich die Illustration von Eva Muszynski. Nicht nur die Schwarzweiß-Ebene, sondern natürlich auch ihren opulenten Strich - wie ich auch schon bei den Besten sieben mehrfach gesagt habe, wie Sie mit expressiven Farben arbeitet. Das ist ganz toll gelungen. Wer waren Ihre persönlichen Helden in der Literatur?
Lüftner: Ich bin ein Klassikerkind. Ich hatte eine großartige Bibliothekarin. Ich bin ja im Osten groß geworden, war ganz viel in der Bibliothek. Sie hat mir die Klassiker nahe gebracht. Tom Sawyer und Huckleberry Finn, Moby Dick, Robinson Crusoe. Später dann Ende, Kästner und Lindgren. Und danach sehn ich mich auch irgendwie, denn ich merke, je länger ich mich in der Branche bewege, dass ich mich nach Leuten mit Gesicht sehne. Nach Autoren mit Namen, die nicht hinter ihren Serien verschwinden und nach Geschichten, die nicht nur durch Zufall einen kindlichen Protagonisten haben, aber ohne Probleme auch elternkompatibel sind. Wir müssen doch vorlesen, dabei sein. Es muss sich einem Kind auch nicht alles erschließen, was an Weisheit und Witz in den Büchern steht. Es ist doch unsere Aufgabe, sie da abzuholen und zu erklären. Ich finde, die Helden gibt es doch gar nicht mehr. Wer weiß denn noch, wer die wilden Kerle geschrieben hat, wie ist der Name von dem Mann, der zwölf Millionen Bücher verkauft hat. Und ich sehne mich danach, dass es nicht mehr nur für Mädchen und rosa geschrieben ist, oder das andere ist für die Ziegruppe bis fünf, sondern dass das wieder ein bisschen größer wird. Dass Literatur als Familienhappening wahrgenommen wird und bitte schön auch die Musik oder Kino oder alles, was an neuen Medien dazukommt. Ich halte es für frevelhaft, dass wir das haben so aufklastern lassen in den letzten Jahrzehnten.
Wegmann: Maurice Sendak, der berühmte Kinderbuchautor, den sie eben erwähnten, hat ja gesagt: Erwachsenenbücher, Kinderbücher alles nur Verkaufsargumente. Ein gutes Buch ist ein gutes Buch.
Lüftner: Danke!
Wegmann: Dann sind Sie aber auch mit Benno Pludra und Franz Fühmann groß geworden.
Lüftner: Natürlich. Spuk unterm Riesenrad. Gert Prokop. Das ist im weitesten Sinne Familienunterhaltung bei denen, die es international zu Erfolg gebracht haben. Und ich liebe es, den Mut zu haben, sich für einen kindlichen Protagonisten zu entscheiden, wo ein 50-Jähriger die Hauptfigur sein könnte. Ich möchte einfach nicht, dass es so begrenzt ist. Ich möchte am liebsten sagen, ich mache Literatur und Musik für Menschen. Für kleine Menschen, aber nicht automatisch nicht für große Menschen.
Wegmann: Kai Lüftner, ganz herzlichen Dank für das Gespräch.
Die weltbeste Lilli, 24 Seiten, Gerstenberg Verlag
Achtung, Milchpiraten!, 200 Seiten, Bloomsbury Verlag
Das Kaff der guten Hoffnung, Bilder von Dominik Rupp, 204 Seiten, Sauerländer Verlag
Für immer, Illustration Katja Gehrmann, 32 Seiten, Verlag Beltz & Gelberg
Der Gewitter-Ritter, Illustration Eva Muszynski, 32 Seiten, Klett Kinderbuch
CDs:
Rotz’n’Roll Radio, Partypiepel
Kai Lüftner & Klabauterband
Achtung, Milchpiraten
Der Gewitter-Ritter und weitere Geschichten
Alle DAV, Audio-Verlag
Rotz’n’Roll Radio, Partypiepel
Kai Lüftner & Klabauterband
Achtung, Milchpiraten
Der Gewitter-Ritter und weitere Geschichten
Alle DAV, Audio-Verlag
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