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Kirche und Medien
"Kirche muss auch bei Google stattfinden"

Viele Menschen seien auf der Suche nach Sinnhaftigkeit und würden ihre Antworten bei Google suchen, sagt der Mediendirektor des Erzbistums Köln, Ansgar Mayer, im DLF. Es sei wichtig, dass Kirche im Internet präsent ist und damit den seelsorgerischen Auftrag der Kirche erfüllen kann.

Ansgar Mayer im Gespräch mit Stefan Koldehoff |
    Der Kölner Dom
    Der Kölner Dom (Deutschlandradio / Ellen Wilke)
    Stefan Koldehoff: Manchmal führt guter Journalismus ja auch dazu, dass man sich von gut gepflegten Vorurteilen verabschieden muss. Mal sehen, ob das gelingt im Gespräch mit Ansgar Mayer, studierter Politikwissenschaftler, katholischer Theologe, früher beim FAZ-Business Radio, dann Leiter der Crossmedia-Abteilung bei Springer und bei "Computer Bild" - und nun seit knapp anderthalb Jahren "Direktor für Medien und Kommunikation" des Erzbistums Köln. Guten Tag Herr Mayer.
    Ansgar Mayer: Schönen guten Tag Herr Koldehoff.
    Koldehoff: Den Wechsel von "Computer Bild" zum Erzbistum Köln - den müssen Sie uns bitte zuerst mal erklären.
    Mayer: Es gibt die scherzhafte Variante, die lautet: nach knapp zehn Jahren Springer und BILD musste ich ein bisschen Buße tun, und es gibt die andere Variante, die da sagt: Auch das Erzbistum hier und namentlich Kardinal Woelki sind dabei, sowas wie die Digitalisierung sehr, sehr ernst zu nehmen und zu sagen, wir müssen in unseren Strukturen in irgendeiner Form darauf reagieren. Und das knüpfte daran an, dass ich zum einen katholische Wurzeln habe und immer wieder Schnittstellen zur katholischen Kirche und zum anderen bei Springer an verschiedenen Stationen dieses Thema Digitalisierung sowohl in seiner Außenwirkung als auch mit der Frage, was heißt das für unsere Workflows, für unsere Strukturen, ja ganz gut mitleben und Erfahrungen mitbringen konnte und die darf ich jetzt hier 'bei Kirchens' einsetzen.
    Gemeinde und Digitalisisierung
    Koldehoff: Digitalisierung als großer Schwerpunkt, aber "nur" dafür zuständig oder auch für die guten alten Gemeindeblätter, Kirchenzeitungen, das domradio und was es sonst noch gibt in Köln?
    Mayer: Ja, im Großen und Ganzen dafür zuständig, weil die Medienstrategie bei uns gebündelt wird. Wir setzen da auf ein Regionalprinzip, sind sehr stolz darauf, wieviel bei uns in den Gemeinden selber läuft. Die ganzen Pfarrbriefe werden natürlich noch in Eigenregie hergestellt; finden aber Unterstützung bei uns in der Abteilung 'Beratung' auch. Das domradio gehört nicht direkt zu unserer Medienabteilung, es findet aber natürlich ein enger Austausch statt.
    Bei der Themenauswahl darf es keine Tabuthemen geben
    Koldehoff: Wie viel Autonomie haben denn diese - Sie haben es gerade angesprochen - vielen lokalen Kirchenzeitungen, Gemeindeblätter? Andersrum gefragt: Gibt es Grenzen katholischer Publizistik: Tabuthemen, Homosexualität, Homosexuellen-Ehe, Abtreibung, Missbrauch in der katholischen Kirche?
    Mayer: Es darf bei der Themenauswahl - und das leben wir auch so - keine Tabus geben. Da gibt es auch nichts, wovon wir die Finger lassen würden. Aber es gibt umgekehrt natürlich eine katholische Lehrmeinung, die auch nur zu Teilen hier in unserem Erzbistum entsteht, sondern natürlich in der katholischen Kirche zentral geregelt ist. Und das sind Themen, wo wir auch sagen: Im weitesten Sinne, ist das, was wir tun, und was auch ein Gemeindeblatt tut, neudeutsch gesprochen: 'Corporate Publishing'. Das hat schon einen klaren Absender und einen klaren Auftraggeber und findet dann natürlich auch in dem Rahmen statt. Was nichts daran ändert, dass die guten, alten Pro- und Kontraseiten auch bei uns stattfinden. Auch die Kirchenzeitung immer mal wieder gegen den Kamm bürstet, aber das eben mit einer klaren Absenderschaft.
    Kirche sollte sich mehr öffnen und an gesellschaftlichen Diskussionen teilnehmen
    Koldehoff: Trotzdem geraten manchmal Konflikte auch an die Öffentlichkeit. Das muss ja gar nicht schlimm sein. Als es zum Beispiel um die Einstellung des Rheinischen Merkur ging, hat es geheißen: dem damaligen Kardinal Meisner habe die weltliche Ausrichtung nicht gefallen. Er habe mehr 'reine Lehre' gefordert. Welche Erwartung hat die katholische Kirche an ihre Medien?
    Mayer: Das ist nicht ganz eindeutig zu beantworten. Und sicherlich - das kann man so offen sagen - einer der Gründe, warum es der Rheinische Merkur im Einstimmigkeitsprinzip, das die Deutsche Bischoffskonferenz pflegt, nicht leicht hatte. Auch da ist das ganze Thema sehr leidenschaftlich diskutiert worden und wer weiß, wie man heute darüber entscheiden würde, auch wenn die Entscheidung noch gar nicht so wahnsinnig lange her ist. Es gibt diese Haltung zu sagen: Klare Absenderschaft - wie ich es vorhin genannt habe - bedeutet eben auch klare Kante und notfalls tun wir den Menschen weh. Es gibt den anderen Ansatz, der sagt: Das müssen wir nicht jeden Tag von Neuem betonen. Der Papst muss nicht jeden Tag von Neuem sagen: Ich bin katholisch. Den Standpunkt, den kennt man. Den kann man bei uns quasi in den Statuten nachlesen. Wir müssen uns deutlicher öffnen und müssen gesellschaftliche Diskussionen und Brandherde an der Stelle annehmen, wo sie sind und bei den Gesprächen eher mal zuhören, um uns dann zu Wort zu melden und nicht gleich mit dem Sendungsbewusstsein ins Haus zu fallen.
    Google liefert Antworten - auch auf Sinnfragen
    Koldehoff: Das heißt, einen Bedarf für kirchliche, für katholische Medien gibt’s noch? Wo liegt deren Zukunft?
    Mayer: Ich glaub, dass es einen Bedarf für fundierte Medien gibt, für so etwas wie werthaltigen Journalismus und dass da die Kirche durchaus ihren Platz hat. Ich glaub, dass wir, und dass mal ganz vorsichtig und nicht religiös ausgedrückt, einen Bedarf haben an Sinnhaftigkeit, wie wahrscheinlich noch selten zuvor. Also, warum hat so ein banales Prinzip wie Google jetzt die Welt erobert? Weil es Menschen Antworten liefert. Und das inzwischen in allen Lebensbereichen. Wenn man es an einem krassen Beispiel ausmacht: Der Germanwings-Absturz - diese schlimme Katastrophe - die hat uns alle vor eine Sinnfrage gestellt. Egal, wo wir herkommen: Jeder fragt sich, warum macht ein Mensch sowas? Jeder fragt sich, was hätte ich gemacht, wenn da mein Bruder an Board gewesen wäre? Und an so einem Tag muss Kirche dort stattfinden, wo Menschen darüber diskutieren und sich als Angebot mit einbringen, um zu sagen: Vielleicht haben wir auch keine Antwort für dich, aber wir wollen dich in deiner Ratlosigkeit begleiten oder auffangen. Und das hieße in dem Extrembeispiel: Wenn jemand auf Google nach dieser Germanwings-Katastrophe sucht, dann müssen wir auch dort präsent sein. Und müssen - jetzt kommt das Provokante - notfalls auch diesen Suchbegriff optimieren, um gefunden zu werden, weil das unser seelsorgerischer Auftrag ist.
    Koldehoff: Ansgar Mayer war das. Vielen Dank, Direktor für Medien und Kommunikation des Erzbistums Köln.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Ansgar Mayer ist "Direktor für Medien und Kommunikation" des Erzbistums Köln.