Einerseits ist es eine normale Universität. Andererseits doch etwas Besonderes: Das zeigt sich an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt in vielerlei Hinsicht. So bietet die KU neben dem Fach Theologie Studiengänge an wie BWL, Mathematik und Politikwissenschaft. Creditpoints bekommen die Studierenden nicht nur für Leistungen im jeweiligen Fach, sondern auch für ehrenamtliches Engagement. Die Uni ist eine staatlich anerkannte, nichtstaatliche Hochschule, finanziert zu 85 Prozent vom Freistaat Bayern. 15 Prozent geben die Träger der Hochschule, die bayerischen Bischöfe. Wie kirchentreu soll, muss oder will sie sein, die KU?
"Sie arbeitet auf ner Grundlage eines christlichen Menschenbildes und eines Wertekanons. Aber kirchenhörig ist man im Kontext von Forschung und Lehre nicht. Es kristallisiert sich natürlich an einzelnen Schwerpunkten raus, dass die Themen einer katholischen Kirche sich zu Teilen auch in ner katholischen Universität widerspiegeln."
Die Germanistin Gabriele Gien ist als Präsidentin der Eichstätter Uni dafür zuständig, die Freiheit von Forschung und Lehre zu gewährleisten. Gleichzeitig muss sie den Träger im Blick haben. Zwar müssen weder die Studierenden noch die Lehrenden katholisch sein. Aber: Was bedeutet es etwa für die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, wenn Papst Franziskus Thesen aufstellt, denen wirtschaftsliberale Forscher vehement widersprechen? Etwa jener päpstliche Satz: "Diese Wirtschaft tötet." Gabriele Gien:
"Natürlich ist vor allem so ne Perspektive mit drin. Wenn es etwa um Nachhaltigkeit, Ressourcen und Wachstum im Kontext von Schöpfung geht, ist es nochmal ne andere Diskussion als Kapitalisierung und Gewinnmaximierung. Wir haben die Sozialethik mit angesiedelt an der Wirtschaftsfakultät. Dass hier ne andere Perspektive nochmal n deutliches Gewicht hat."
Rüstungsforschung passt eher nicht zu Eichstätt
Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der deutschen und der bayerischen Bischofskonferenz, fungiert als so genannter Großkanzler der katholischen Uni. Die im Übrigen nach päpstlichem Auftrag arbeitet. Den gab Papst Johannes Paul der Zweite im Jahr 1990 allen weltweit rund 200 katholischen Hochschulen in der Apostolischen Konstitution ‚Ex corde Ecclesiae – aus dem Herzen der Kirche'. Darin betont der damalige Papst die "akademische Freiheit", sowohl was die Methoden angeht als auch die Ergebnisse der Forschung. Und so sieht Barbara Loos, Vorsitzende des Hochschulrats der KU Eichstätt, keinen Widerspruch zwischen Glaube und Wissen.
"Eine Universität ist ja zunächst immer mal der Vernunft verpflichtet. Zunächst geht es darum, Forschung zu betreiben, ohne sich einschränken zu lassen. Und dann, wenn man forscht, muss man eben diesen Resonanzboden mit betrachten, auf dem man sich befindet und schauen, was ist gesellschaftlich relevant und was nicht. Also ich könnte mir nicht vorstellen, dass an der Katholischen Universität Rüstungsforschung betrieben würde.
Nicht nur Rüstungsforschung fällt aus an einer katholischen Universität – manchmal auch moralisch heikle Debatten. Etwa 2009 in der US-amerikanischen katholischen Notre Dame University. Die verlieh Barack Obama die Ehrendoktorwürde. Die Entscheidung galt als umstritten. Denn der US-Präsident vertritt etwa in Sachen Abtreibung alles andere als die katholische Lehre. Einige Jahre später rief Papst Franziskus die Notre Dame University dazu auf, ein unmissverständliches Zeugnis ihrer fundamentalen katholischen Identität abzulegen. Dieser abstrakte Begriff lässt allerdings viel Raum für Interpretationen – durch katholische Hardliner wie Liberale.
Weg von den Personal-Querelen
Die KU Eichstätt hat ein Problem mit Anspruch und Wirklichkeit: Überregional wird sie kaum wahrgenommen. Auch nicht die Theologische Fakultät, die an katholischen Universitäten eigentlich besonders exzellent sein sollte. Gabriele Gien, die Präsidentin:
"Die Vielfalt, die man an einer Theologischen Fakultät braucht, um diskursfähig zu sein, war nicht gegeben. Wir haben im Moment eine große Vakanz von sechs Lehrstühlen und haben die Chance genutzt, uns einer Potentialanalyse mit Begleitung durch den Wissenschaftsrat zu stellen. Sie muss sich weiter internationalisieren und sie muss eine größere Vielfalt an Professoren entwickeln."
Auch beim Thema Flüchtlinge wollen die Eichstätter punkten, mit einem neuen Kompetenzzentrum Flucht und Migration. Hier sollen die praktische Arbeit von Studierenden in der Flüchtlingshilfe einerseits und die Forschungsprojekte verschiedener Fächer andererseits gebündelt werden. Darüber hinaus beschäftigt die Eichstätter eine interne Frage: Sie sollen im Herbst einen neuen Präsidenten bekommen, denn Gabriele Gien, die Germanistin, leitet die Uni nur kommissarisch. Binnen weniger Jahre hat die KU mehrere Präsidenten verschlissen und ist bei der Suche nach einer neuen Leitung mehrmals gescheitert. Wer an die Spitze der Katholischen Universität will, braucht das so genannte ‚Nihil obstat', sprich die Zustimmung aus Rom, erklärt Hochschulrats-Vorsitzende Barbara Loos.
"Die Katholische Universität ist im Grunde genommen so etwas wie jede private Universität. Und jede private Uni hat einen Träger. Und jeder Träger würde bei der Präsidentenwahl ein Wort mitsprechen wollen. Ob das jetzt ‚Nihil obstat' heißt, oder den mag ich nicht, oder der soll es sein und der nicht, da sehe ich eigentlich keinen großen Unterschied. Es ist halt nun mal eine kirchliche Universität."
Anfang Februar war Bewerbungsschluss für den Posten, die Entscheidung soll spätestens im Sommer fallen. Das wird nicht einfach: Die- oder derjenige muss katholisch sein – außerdem bereit, sich auf die besonderen Bedingungen einer kirchlichen Uni einzulassen und auf ein Arbeiten in der Provinz.
"Darüber hinaus muss der Präsident der KU Eichstätt genau das mitbringen, was jeder Präsident einer Universität mitbringen muss: Wissenschaftliche Exzellenz, Integrationsfähigkeit, gute Kommunikationsfähigkeit, strategisches Denken etcetera. Also da ist kein Unterschied."
Gern würde die KU mit neuer Leitung über den Tellerrand des beschaulichen Altmühltals hinausblicken. Das allerdings dürfte nicht zuletzt davon abhängen, wie viel Mitspracherecht sich die Kirche künftig nimmt.