Jule Reimer: Klimawissenschaftler warnen schon lange und eindringlich davor, dass mit der Klimaerwärmung extreme Wettersituationen ebenfalls zunehmen werden. Jetzt addiert sich zu den Warnungen eine weitere: auch die gigantischen Luftströme, die die Erde umkreisen, werden sich durch die Klimaerwärmung verändern.
Am Telefon ist Klimawissenschaftler Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Es klingt ja eigentlich logisch, Herr Rahmstorf, dass sich bei einer Erwärmung die Luftströme verändern. Was ist jetzt neu?
Stefan Rahmstorf: Guten Tag, Frau Reimer. Wir unterscheiden eigentlich zwischen zwei Arten, wie die globale Erwärmung sich auf Extremwetter auswirkt. Das eine nennen wir thermodynamisch. Das heißt, einfach die größere Wärmemenge in der Luft führt einmal dazu, dass Hitzewellen häufiger und andauernder werden, führt aber auch zu mehr extremen Niederschlägen, weil wärmere Luft mehr Wasser enthalten kann. Der zweite Aspekt, um den es jetzt hier geht, den nennen wir dynamisch. Das sind die Auswirkungen auf die Strömungen im Meer und in der Atmosphäre. Also letztlich konkret geht es bei unserer Studie um den Strahlstrom oder auch Jetstream genannt, der in der Nordhalbkugel einmal um den ganzen Globus rauscht.
Reimer: Und was bewirkt der? Wofür ist der zuständig in diesem komplexen Gebilde?
Rahmstorf: Dieser Strahlstrom läuft an der Luftmassengrenze zwischen der subtropischen Warmluft und dann der polaren Kaltluft, und manchmal schlägt er riesige Wellen von Nord nach Süd so wie ein großer Fluss. Solche Mäander sind das. Und wir haben untersucht, dass unter bestimmten Bedingungen diese Wellen sich sehr groß aufschaukeln können und dann auch zum Stehen kommen. Normalerweise bewegen die sich vorwärts von West nach Ost. Und das bringt dann jeweils extreme Wetterbedingungen am Boden. Beispiele bei uns: Elbeflut 2002, Jahrhundertsommer 2003 oder auch Rekordfluten an Elbe und Donau im Jahr 2013 (*). Das hängt jeweils mit diesen sehr starken Mäandern im Strahlstrom zusammen.
"Hitzewellen werden wesentlich häufiger, wenn es insgesamt wärmer wird"
Reimer: Also zwei verschiedene Faktoren. Das eine ist mehr Regen und das andere ist, dass die extremen Wetterereignisse auftreten. Wie sicher wissen Sie, dass da ein Zusammenhang besteht?
Rahmstorf: Für diesen thermodynamischen Zusammenhang ist das lange bekannt und auch ganz klar. Das sieht auch jeder Laie, dass natürlich Hitzewellen wesentlich häufiger werden, wenn es insgesamt wärmer wird. Diese Aspekte, Auswirkungen auf den Jetstream in der Atmosphäre, das ist relativ neu und da kann man jetzt auch sagen, nicht hundertprozentig gesichert, sondern das ist jetzt an der vorderen Front der Forschung. Gerade dazu haben wir jetzt eine neue Studie veröffentlicht, zusammen mit amerikanischen Kollegen, die zeigt, dass es wahrscheinlich da tatsächlich einen Zusammenhang mit der globalen Erwärmung gibt, dass diese Situationen, wo die Wellen im Strahlstrom größer werden, häufiger auftreten in Folge der Erwärmung. Das zeigen auch die Daten und die Klimamodelle für die letzten 100 Jahre übereinstimmend, dass hier eine Zunahme stattfindet.
Reimer: Wenn wir jetzt noch mal genau nach Peru gucken und nach Australien, dieser Zyklon. Die Regenfälle in Peru, wie ist da der Zusammenhang? Können Sie da was sagen?
Rahmstorf: Das wäre verfrüht, das zu sagen. Da handelt es sich ja um ein Küsten El-Nino-Ereignis. Das ist sehr ungewöhnlich, dass das jetzt passiert, weil wir ja eigentlich erst vor einem Jahr El-Nino-Bedingungen hatten. Und dass dort so schnell wieder so etwas passiert, ist außergewöhnlich. Ob es da jetzt konkret einen Zusammenhang gibt mit der globalen Klimaveränderung, das kann ich jetzt nicht sagen. So was kriegt man typischerweise erst nach sehr eingehender Analyse und man kann einige Monate später dann so etwas sagen. Dann erscheinen die Studien dazu in der Fachliteratur. Dann interessieren sich normalerweise allerdings die Medien nicht mehr dafür.
Reimer: Die Klimaerwärmung verändert die gigantischen Luftströme rund um unseren Planeten – danke für diese Informationen an den Klimawissenschaftler Stefan Rahmstorf.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
(*) Anmerkung der Redaktion: Der Interview-Partner hat uns auf eine Versprecher bezüglich der Jahreszahl aufmerksam gemacht. Sie wurde korrigiert.