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Klimagipfel
"Irgendwann wird die Welt einen Klimavertrag unterzeichnen"

Die Bilanz des Klimagipfels in Warschau sei schwach, sagt der Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Achim Steiner. Es gebe Ratlosigkeit und Perspektivlosigkeit bei den Verhandlungen. Irgendwann aber würden sich die Staaten einigen, weil es ohne Regelungen nicht gehe.

Achim Steiner im Gespräch mit Jürgen Liminski | 23.11.2013
    Naturschutzorganisationen haben in Waschau gegen die nur kleinen Einigungen im Klimaschutz protestiert.
    Naturschutzorganisationen haben in Waschau gegen die nur kleinen Einigungen im Klimaschutz protestiert. (afp / Janek Skarzynski)
    Liminski: Gedankenvoll und tatenarm nannte schon Hölderlin seine Deutschen. Gilt das besonders bei der Kombination von Klimaschutz und Entwicklungshilfe, und gilt das nicht noch mehr für die anderen Industrienationen? Was kommt jetzt nach Warschau? Zu diesen und anderen Fragen begrüße ich den Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Achim Steiner, der gerade aus Warschau zurück ist. Guten Morgen, Herr Steiner!
    Achim Steiner: Guten Morgen!
    Liminski: Herr Steiner, ist Warschau gescheitert? Wie kann es weitergehen?
    Steiner: Ich glaube, im Hinblick auf das, was Warschau erreichen sollte, stehen wir natürlich vor einer sehr schwachen Bilanz. Und auch wenn die letzten Stunden noch im Gange sind: Das, was Warschau liefern sollte, eine klare Perspektive und einen Weg, wie wir nach Paris kommen, zu einem neuen Vertrag, das hat sich natürlich nicht herauskristallisiert. Und trotz kleiner Einigungen, glaube ich, fehlt uns nach Warschau immer noch eine klare Perspektive, wie wir diese Verhandlungen weiterführen sollen.
    Liminski: Was in Warschau beim 19. Klimagipfel also nicht erreicht wurde und bei anderen Gipfeln zuvor ebenfalls nicht, warum soll das dann in Paris in zwei Jahren gelingen?
    Steiner: Garantien gibt es natürlich nicht dafür. Und wenn Länder, und hier muss man sehr vorsichtig sein, es ist nicht nur eine Gruppe von Ländern, sondern alle Länder tun sich schwer, wir haben eine Hilflosigkeit, eine Ratlosigkeit, eine Perspektivlosigkeit im Augenblick bei diesen Verhandlungen, die zieht sich ja durch verschiedene Delegationen, aber … Grund, warum man an 2015 festhalten muss, ist, wir haben keine Alternative. Die Realität des Klimawandels manifestiert sich tagtäglich auf unserem Planeten und ich bin mir sicher, wir müssen den Versuch immer wieder starten. Und auch wenn man scheitert, ist das kein Grund aufzugeben. Denn irgendwann wird die Welt einen Klimavertrag unterzeichnen, weil sie weiß, dass sie ohne diesen nicht mit diesem Thema fertig wird.
    "Das ist im Grunde Wirtschaftspolitik, die sich hier manifestiert"
    Liminski: Ein Weltklima-Abkommen, das alle Interessen der 194 Teilnehmerstaaten berücksichtigt, scheint aber doch eine Fata Morgana zu sein. Kann man nicht regional vorgehen, nach dem Motto, weniger ist mehr als nichts? Denn verhandlungen sind ja eine Sache, die Realität ist eine andere, Sie haben es eben angesprochen. Wie kriegt man Verhandlungen und Realität deckungsgleich?
    Achim Steiner gestikuliert vor einem Logo der Vereinten Nationen
    Steiner: Einen Preis für CO2-Emissionen einführen (epa Keystone Trezzini)
    Steiner: Man geht ja schon auf nationaler und regionaler Ebene voran, und zwar aus fast allen Ländern der Welt gibt es Klimaprogramme. Es gibt inzwischen 140 Länder, die ein sauberes Energiegesetz verabschiedet haben, in denen Ziele festgelegt werden, überall in der Welt wird bereits Klimapolitik umgesetzt, um diese internationalen Verhandlungen … Hier ist das Kernziel ja, die Ambitionen zu erhöhen, indem man sich gegenseitig zusichert, dass alle an einem Strang ziehen und auch diese Ziele hochsetzen. Und genau daran scheitern wir im Augenblick. Nicht dass Länder einzeln nicht schon handeln, ob das China ist, ob das Indien ist oder Europa, Brasilien, überall in der Welt, auch in den USA wird Klimapolitik bereits umgesetzt. In den internationalen Verhandlungen geht es eben um ein faires Erhöhen der Ambitionen, und da tun wir uns so schwer. Weil das ist im Grunde Wirtschaftspolitik, die sich hier manifestiert.
    Liminski: Wie kann man das die Verweigerungsländer überzeugen? Gibt es, haben Sie irgendwelche Druckmittel von der UNO aus?
    Steiner: Verweigerungsländer, den Begriff würde ich mit Vorsicht nutzen. Denn wenn Kanada sich aus dem Kyoto-Protokoll verabschiedet, Japan in Warschau der Welt mitteilt, dass es seine Ziele nicht mehr einhalten kann, Australien sich zurückzieht, dann muss man vorsichtig sein, wer verweigert sich in der Welt. Gerade wenn man zwischen Entwicklungs- und entwickelten Ländern spricht. Mein Hauptargument ist immer, wir haben ein gemeinsames Interesse. Wenn ein Kontinent wie Afrika in den nächsten Jahren für 70 Prozent seiner Bevölkerung Strom produzieren wird und neue Infrastruktur baut, gehen sie in erneuerbare und saubere Energien oder kriegen wir eine zweite chinesische Weltwirtschaft noch sozusagen und Klimawirtschaft im 21. Jahrhundert dazu? Dann können wir mit den Emissionen noch weniger zurechtkommen. Das heißt, das Interesse, in eine neue Energie-Infrastruktur Afrikas zu investieren, ist genauso groß für die Afrikaner, wie es zum Beispiel auch für Europa und den Rest der Welt ist.
    "Einen Preis für die CO2-Emissionen in unsere Wirtschaftssysteme einführen"
    Liminski: Der "Guardian" hat jetzt berichtet, der Klimawandel gehe überwiegend auf das Konto von 90 Unternehmen. Sie stünden für zwei Drittel aller Treibhausgasemissionen seit 1850, und es seien vor allem die großen Öl-, Gas- und Kohlekonzerne. Die Vorstellung ist vielleicht naiv, aber könnte die UNO nicht eine große Öffentlichkeitskampagne starten, um diese Konzerne an ihre Verantwortung zu erinnern und entsprechende Entschädigungen in einen Fonds zu zahlen, der dann von der UNO dann vielleicht für den Klimaschutz genutzt wird?
    Steiner: Ja, man kann natürlich die Zahlen in verschiedensten Formationen darstellen. letztendlich geht es darum, dass wir einen Preis für die CO2-Emissionen in unsere Wirtschaftssysteme einführen. Ob man das nun durch Zwangsmaßnahmen gegenüber einer Gruppe von Unternehmen macht oder einer bestimmten Gruppe von Ländern, letztlich muss die Weltwirtschaft ein Zeichen setzen, dass CO2-Emissionen enorme Schäden verursachen. Das muss auf einer weltwirtschaftlichen Ebene geschehen. Natürlich, die Öl- und Gasunternehmen haben einen großen Beitrag geleistet und tun es auch heute noch. Vielleicht nur kurz für Ihre Hörer: Wir haben im letzten Jahr bei 200 der größten Öl- und Gasunternehmen 687 Milliarden Dollar in neue Entwicklungen in der Öl- und Gaswirtschaft gesehen, und die Weltgemeinschaft schafft es nicht, 100 Milliarden pro Jahr zur Verfügung zu stellen, damit man gemeinsam dieses Thema angeht. Also, hier sind die Pole und die Realitäten noch weiter auseinander.
    Liminski: Wie kann man denn Druck auf diese Unternehmen ausüben? Das geht ja eigentlich nur über die Regierungen!
    Steiner: Ja, Sie fragten vorhin, was können die Vereinten Nationen machen. Seit über 20 Jahren versuchen die Vereinten Nationen erst einmal, über den Weltklimarat die wissenschaftlichen realitäten den Ländern näherzubringen. Zum Zweiten versuchen wir, durch die Konventionen eine Plattform zu schaffen, in denen diese scheinbar widersprüchlichen Interessen einzelner Länder zusammengeführt werden. Und man muss ja auch anerkennen, wir haben eine Weltklimapolitik heute und die wäre ohne die Vereinten Nationen und diese Mechanismen ja auch nicht zustande gekommen. Und ich glaube, dieser Versuch, eben eine neue Weltwirtschaftspolitik - denn letztlich verlangt Klimawandel das von uns - umzusetzen, ist genauso schwierig wie die Welthandelspolitik. Und hier muss man einfach mit Geduld und auch mit einer Offenheit an das Thema herangehen, und je weniger man auf andere deutet, umso mehr kann man sich vielleicht um seine eigenen Beiträge kümmern. Denn auch ein Land wie Deutschland, ein Land, eine Region wie Europa könnte heute mehr leisten. wir haben schon fast 20 Prozent Reduzierung umgesetzt, warum geht Europa nicht mit 30 Prozent voran? Das sind Fragen, die sich natürlich immer wieder in diesen Korridoren stellen, wo die Verhandlungen stattfinden. Genauso wie China öffentlich sich zu viel höheren Zielen bekennen könnte, denn es hat sie ja bereits national verabschiedet.
    Liminski: Die Entwicklungsländer - das ist auch eine andere Baustelle – verlangen seit Jahren Entschädigung von den Verursachern des Klimawandels. Reicht da ein Fonds oder sollte man generell die Entwicklungshilfe aufstocken, also andere Möglichkeiten finden?
    Historische Emissionen mit einrechnen
    Steiner: Ich glaube, wir sollten unterscheiden zwischen Entwicklungshilfe und dem Thema wie zum Beispiel Verluste und Zerstörung, also Loss and Damage. Hier geht es ja um das Prinzip: Wenn zum Beispiel ein Land wie die Philippinen eine Katastrophe wie die des Taifuns erlebt, gibt es, wenn der Zusammenhang mit dem Klimawandel eben ohne Zweifel besteht, eine Möglichkeit hier, dass die internationale Gemeinschaft eingreift. Es kann auch noch weitergehen, dass man die historischen Emissionen mit einrechnet. Natürlich haben Industrieländer hier große Sorge, dass da vielleicht Kompensationsmechanismen geschaffen werden, die nachher nicht umsetzbar sind, aber natürlich, vor allem für die ärmsten Länder ist eine finanzielle Beihilfe in Katastrophen von großer Bedeutung, aber auch bei der Investition. Denn wir haben gerade vor zwei Wochen einen Bericht veröffentlicht, in dem wir mal aufgezeichnet haben, was Afrika heute schon und in den nächsten 20 Jahren an Finanzierung bereitstellen muss, nur um seine Anpassung an den Klimawandel umzusetzen. Das heißt, nicht in zukünftige Entwicklung investieren, sondern Häfen, Straßen, Küstenzonen zu stabilisieren aufgrund von Klimaveränderungen, den Konsequenzen. Das heißt, hier sind enorme Finanzierungsbedarfe, wo die internationale Gemeinschaft wirklich auch meiner Meinung nach verpflichtet ist, zur Seite zu stehen.
    Liminski: Viele Baustellen beim Klimaschutz, in Warschau sind sie wieder sichtbar geworden. Das war hier im Deutschlandfunk der Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Achim Steiner. Besten Dank für das Gespräch, Herr Steiner!
    Steiner: Ich bedanke mich auch, Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.