Archiv

Klimaschutz & Erderwärmung
Raus aus der Kohle reicht nicht

Schon vor Beginn der Klimakonferenz in Paris haben 160 Staaten nationale Pläne zum Klimaschutz vorgelegt. In der EU gibt es die schon länger, viele andere Länder haben sich jetzt aber das erste Mal systematisch die Frage gestellt, welchen Beitrag sie zum globalen Klimaschutz leisten können. Ein Schritt in die richtige Richtung.

Britta Fecke im Gespräch mit Philip Banse |
    Die Sonne taucht den Himmel hinter einem Kohlekraftwerk in warmes Licht.
    Sonne hinter Kohlekraftwerk (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Um langfristig die CO²- und Methanwerte zu reduzieren, müsste die Weltwirtschaft nach Ansicht vieler renommierter Klimaforscher bis Mitte dieses Jahrhunderts dekarbonisiert werden, das heißt, auf kohlenstoffhaltige Energieträger wie Öl, Kohle und Gas verzichten. Führende deutsche Klimaforscher, die im Deutschen Klima-Konsortium (DKK) vereinigt sind erklären zur Stunde in Berlin wie diese Dekarbonisierung umgesetzt werden soll. Philip Banse, wie schnell könnte denn die Energieversorgung umgestellt werden?
    (Ab hier berichtet an Philip Banse)
    Ein erster wichtiger Schritt in Richtung Dekarbonisierung wäre es nach Meinung der Wissenschaftler, die sich im deutschen Klimakonsortium zusammengeschlossen haben, wenn die Länder halten, was sie versprechen. Rund 160 Staaten haben ja gemeldet, um wie viel sie ihren Treibhausgasausstoß verringern wollen.
    "Ein bisschen Licht am Ende des Tunnels"
    Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hat berechnet, wie sich die Erde erwärmen würde, wenn die Länder wirklich halten, was sie jetzt vor Paris versprochen haben. Laut des von Schellnhubers Institut entwickeltem Climate Action Tracker würden wir Kurs auf 2,7 Grad nehmen:
    "Jetzt mit diesen Zumeldungen sehen wir zum ersten Mal die zwei vor dem Komma erscheinen. Das ist kein Triumph, ganz und gar nicht. Aber es zeigt doch, dass sich das System bewegt. Das ist ganz, ganz wichtig. Wir sind noch längst nicht dort, wo wir hinwollen, aber wir haben schon vielleicht 40 Prozent des Weges zurückgelegt gegenüber der deprimierenden Situation nach COP15 in Kopenhagen. Sie sehen ein bisschen Licht am Ende des Tunnels."
    Das gilt aber nur, wenn wirklich alle Länder halten, was sie versprechen. Gernot Klepper vom Institut für Weltwirtschaft ist auch da verhalten optimistisch angesichts dessen, was in Paris beschlossen werden könnte:
    "Da stehen in Paris, in den Vorschlägen, in den Dokumenten jetzt schon mal ein paar Dinge drin, die, wenn sie denn verabschiedet würden, ganz gut wären. Nämlich, dass das, was versprochen worden ist, auch berichtet wird von den Ländern; dass es verifiziert wird; dass wir Mechanismen entwickeln, mit denen wir diese Maßnahmen auch vergleichen können in ihren Auswirkungen auf den Klimawandel. Wenn das alles im Protokoll und im Abkommen drin steht, dann haben glaube ich einen großen Schritt getan, denn wir sehen, dass in der Welt-Öffentlichkeit eine Diskussion darüber entstanden ist, wer was tut. Da gibt es einen Gesinnungswandel."
    Einstieg in den Ausstieg
    Wenn diese zugesagten Reduktionsziele wirklich strikt umgesetzt und verifiziert würden, so Hans Joachim Schellnhuber, dann sei der Abschied aus der fossilen Energiewirtschaft, die Dekarbonisierung besiegelt.
    "Dann, glaube ich, sind die Weichen eigentlich gestellt für diese Dekarbonisierung. Ich glaube nicht, dass ein Land wie Indien 350 Gigawatt Erneuerbare installiert und dann sagt, war nur so eine Idee, jetzt bauen wir doch lieber Kohlekraftwerke. Das wird dann im Grund genommen ein Game Changer."
    Dennoch gibt es noch viel zu tun, vor allem die Anreize seien noch zu schwach. CO2 hat immer noch keinen weltweiten Preis. Das europäische Emissionshandelssystem funktioniere nicht gut; es gebe in einigen Ländern zwar CO2-Steuern, aber auch das sei unkoordiniert, sagt Genort Klepper vom Institut für Weltwirtschaft. Der größte Widerstand in Paris gegen eine radikale Klimapolitik werde von Ländern kommen mit großen Reserven an Öl und Kohle:
    Die wahren Kosten der Energiewende
    "Für diese Länder bedeutet eine drastische Klimapolitik natürlich auch einen drastischen Verlust ihres Vermögens. Dieser Vermögensverlust wird natürlich massive Verteilungsprobleme erzeugen. Wir haben das mal untersucht, wo denn die wahren Kosten der Klimapolitik sind. Die liegen nicht darin, dass wir die Energiewende finanzieren müssen. Die wahren Kosten liegen in den Ländern, die letztlich ihr Vermögen an fossilen Ressourcen verlieren, wenn diese fossilen Ressourcen in Boden bleiben und nicht mehr genutzt werden in den nächsten Jahrhunderten."
    Um diese Länder mit ins Boot zu kommen, müssten die Industrieländer womöglich viel Geld als Ausgleich zahlen. Was sollte in Paris also beschlossen werden? Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung:
    "Wenn man in Paris so etwas beschließt wie Erstens: Wir müssen soweit wie möglich unter zwei Grad Erderwärmung bleiben mit all den Unsicherheiten, die da sind, dann hätte man einen großen Schritt nach vorn getan. Und das müsste etwas sein, was völkerrechtlich kodifiziert wird.
    Schellnhuber fordert auch, dass die Welt sich zu einem schnelleren Ausstieg aus der fossilen Energiewirtschaft verpflichtet. In Paris müsse die Dekarbonisierung bis "Mitte des Jahrhunderts" festgeschrieben werden.