"Paragraph 2 a des Kleinanlegerschutzgesetzes. Die Paragrafen 5a, 6 bis 11a, Paragraf 12 Absatz 2. Paragraf 14 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 Satz 1."
Antje Tillmann sitzt in ihrem Bundestagsbüro über einem dicken Ordner. Die CDU-Politikerin ist Mitglied im Finanzausschuss des Bundestages. Der beschäftigt sich im Moment mit dem Entwurf eines Gesetzes, das Anleger besser schützen soll, wenn sie ihr Geld nicht bei einer Bank, bei einer Versicherung oder an der Börse anlegen, sondern auf dem sogenannten Grauen Kapitalmarkt. Zum Beispiel beim Crowdfunding. Per Internet. Dieser Bereich ist weit weniger reguliert und kontrolliert als Banken und Versicherungen.
"Paragraf 24 Absatz 5 bis 8 und Paragraf 25 sind nicht anzuwenden auf Vermögensanlagen im Sinne von Paragraf 1 Absatz 2 Nummer 3, 4 und 7, wenn der Verkaufspreis sämtlicher von einem Anbieter angebotenen Vermögensanlagen desselben Emittenten höchstens eine Million Euro beträgt. Das ist der Einstieg in das Kleinanlegerschutzgesetz zu Schwarmfinanzierung. Da geht es darum, dass diese bestimmten Ausnahmen keinen Prospekt erstellen müssen. Also, das Wort Prospekt kommt gar nicht vor in dem ganzen Paragrafen."
Das Bundesfinanzministerium hat den Gesetzentwurf formuliert, um in Zukunft Fälle wie den des insolventen Windanlagenbauers Prokon zu verhindern. Das Unternehmen hatte mit hohen Renditeversprechen viele Anleger gelockt, die wegen der niedrigen Zinsen nach besseren Möglichkeiten gesucht hatten, ihr Geld anzulegen.
"Also, es geht nicht um den hoch qualifizierten, vorgebildeten Bürger, sondern es geht um den, der vielleicht bei Crowdfunding mal 250 Euro in ein Sozialprojekt investieren will. Und der sollte nun mindestens wissen, was auf ihn zukommt. Und wo wir versuchen, ihn zu schützen."
Ein Gesetz für Verbraucher. Mit einem Schönheitsfehler, sagt Antje Tillmann
"Das kann man nicht verstehen."
Aus diesem Grund haben sich die Mitglieder des Finanzausschusses, die den Gesetzentwurf federführend beraten, auf ein Experiment eingelassen. Sie wollen das Gesetz – zumindest einige Teile davon – direkt im laufenden Gesetzgebungsverfahren so formulieren, dass auch Laien verstehen, worum es geht.
"Der Verbraucher ist ja kein Spezialist. Kein Jurist, er ist keiner der sich in der Rechtssprache auskennt. Insofern ist das ein sehr guter Punkt einzusteigen."
Gesetze, die keiner versteht sind keine Seltenheit
Erklärt Lothar Binding. Dem SPD-Politiker ist genau wie seiner CDU Kollegin Antje Tillmann anzumerken: Er freut sich, an diesem Projekt mitarbeiten zu können. Gesetze verständlicher zu machen, das ist ihm schon seit vielen Jahren ein Anliegen:
"Ein CDU-Kollege, Ole Schröder, und ich, wir haben uns über diese Gesetze unterhalten und haben einzelne Passagen gelesen, damals ist uns besonders das Körperschaftssteuergesetz aufgefallen. Wir konnten verschiedene Passagen trotz größtem Bemühen – und Ole Schröder ist Jurist und ich habe verschiedene andere Berufe und wir konnten selbst durch Zusammenfügen unserer Kenntnisse die Texte nicht verstehen."
Gesetze, die keiner versteht, werden auch nicht befolgt, sagt Binding. Dabei ist manchen Politikern schon lange klar, dass Gesetze oft zu kompliziert und unverständlich formuliert sind. Um das zu ändern, müsse man aber auch die Strukturen verändern.
"Wenn man sagt, Strukturen ändern, heißt es ja meistens nicht die Strukturen zu ändern, sondern die Menschen, die in den Strukturen arbeiten. Also, wenn Sie da was ändern wollen, sind Sie sofort auch ein bisschen der Störenfried."
Allerdings habe er auch Verständnis für diejenigen, die die Gesetze schreiben:
"Denn jemand, der total im Stoff ist, der hunderte Mal bestimmte Formulierungen immer wieder erklärt hat, erläutert, aufgeschrieben, gelesen hat, für den fließt der Text aus der Feder, und ihm ist gar nicht klar, dass jemand anders das nicht versteht."
Sprachliche Prüfung im Gesetzgebungsverfahren
Sibylle Hallik ist genau das klar. Sie leitet den "Redaktionsstab der Gesellschaft für deutsche Sprache beim Deutschen Bundestag". Ein kleines Team. Diesen Stab gibt es seit 1966. Seine Aufgabe: Kompliziertes einfach formulieren. Hallik prüft Texte, berät bei sprachlichen Zweifelsfällen, gibt Seminare zu Rechtssprache und Verwaltungssprache. Und soll jetzt helfen, Teile des Kleinanlegerschutzgesetzes verständlicher zu formulieren.
"Wir lesen den Text kritisch durch, machen Anmerkungen, stellen Fragen. Und diese Anmerkungen und Fragen leiten wir weiter mit der Bitte, das zu überprüfen. Wir machen natürlich auch Vorschläge, andere Formulierungen, für andere Strukturen."
Ein kurzer Blick auf eine Seite des Entwurfs: Am rechten Rand eine Reihe von Kommentaren. Bei der sprachlichen Prüfung im Gesetzgebungsverfahren, sagt Sibylle Hallik, geht es um sprachliche Richtigkeit und Verständlichkeit.
"Die Gesetzessprache sollte redlich sein. Also, es sollten keine Wörter vorkommen, die etwas Falsches vorspiegeln. Zum Beispiel wenn Sie von einer Anpassung reden, was im politischen Bereich ja sehr gängig ist, damit aber in Wirklichkeit eine Preiserhöhung meinen, sollte Sie auch von einer Erhöhung sprechen."
Außerdem achtet sie auf Kommasetzung, Satzbau, Gliederung. Typisch für die Gesetzessprache, sagt die Sprachexpertin: Sätze, die sich über halbe Seiten ziehen.
"Da ist es dann sinnvoll, genau hinzuschauen und zu sagen: Können wir aus diesem einen langen Satz nicht drei oder vielleicht sogar vier Sätze machen."
Eine Gratwanderung.
"Gesetze sollen einerseits verständlich sein und andererseits müssen sie aber auch präzise und fachlich korrekt sein. Das, was die Sprachberatung vorschlägt, darf ja nicht zu materiellen Änderungen führen."
Die Fachebene muss also alles absegnen. Die Zahl der Mails, die verschickt werden, ist dadurch kräftig gestiegen. Und damit auch der Zeitdruck. Denn die Sprachprüfung darf den Gesetzgebungsprozess nicht verlangsamen, erklärt Antje Tillmann:
"Sodass vermutlich der erste Aufschlag in drei Monaten abgeschlossen sein muss. Und dann muss man prüfen, ob das reicht oder ob man in einer zweiten Phase das noch mal evaluiert."
Ist das Ergebnis positiv, dann könnte dieses Verfahren zur Regel werden, gibt sich Lothar Binding optimistisch. Und wenn nicht? Dann möchte er es noch mal versuchen.