"Guten Morgen, meine Damen und Herren, wir sind jetzt in einer entscheidenden Phase der Koalitionsverhandlungen, das spürt, glaube ich, jeder."
Da steht sie im gleißenden Sonnenlicht vor dem Konrad-Adenauer-Haus in Berlin, es ist der gestrige Dienstagmorgen in Berlin - und da Angela Merkel immer ein bisschen müde und abgekämpft aussieht, fallen die Spuren der Monate langen Regierungsbildung schon gar nicht mehr auf.
"Jeder von uns wird schmerzhafte Kompromisse noch machen müssen."
Wie schmerzhaft, das ahnt in diesem Moment möglicherweise nur Merkel selbst. Als sie um 10 Uhr die Parteizentrale der CDU betritt, beginnt die letzte Runde im Kampf ums Wort: 177 Seiten Koalitionsvertrag werden in den kommenden mehr als 20 Stunden verhandelt werden. Eine verunsicherte, um Halt ringende SPD fordert von den teils genervten Vertretern von CDU und CSU Zugeständnisse: Für Kassenpatienten, für Angestellte mit befristen Arbeitsverträgen. Für Rentner, für arme Familien, für junge Paare auf Wohnungssuche. Eine sozialdemokratische Handschrift muss her - denn die zutiefst gespaltene SPD-Basis hat das letzte Wort: Die knapp 464.000 Mitglieder werden in den kommenden Wochen über den Koalitionsvertrag abstimmen.
Das SPD-Mitgliedervotum - für Merkel eine Zumutung
Das Karlsruher Bundesverfassungsgericht hat nichts gegen dieses Mitgliedervotum, für Angela Merkel ist es aber eine einzige Zumutung: Denn es ist völlig unberechenbar - und widerspricht damit von Grund auf Merkels Politikstil und Politik-Verständnis. Deshalb setzt die Kanzlerin jetzt in der Schlusskurve der Koalitionsgespräche noch einmal ganz auf ihre klassischen Botschaften: Verlässlichkeit, Sicherheit und Stabilität.
"Wir dürfen das Zentrale nicht aus den Augen verlieren. Wenn wir uns einmal die unruhigen Börsenentwicklungen der letzten Stunden anschauen."
Das war am Dienstagmorgen - der Kurseinbruch an den Aktienmärkten in New York und Tokio wirkt wie ein kleiner Börsen-Tsunami, der sofort auch Auswirkungen in Deutschland hat. Der Dax schwächelt. Angela Merkel aber macht aus dieser Not eine Tugend und platziert ihre politische Botschaft. Belanglos im Tonfall, stark in der Aussage.
"Wir leben in unruhigen Zeiten, und das, was von uns erwartet werden kann, als Volksparteien, als CDU, CSU und SPD, ist, dass wir zum Wohle der Menschen eine Regierung bilden, die Verlässlichkeit bietet, und die alles daran setzt, dass wir heute die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir morgen auch noch in Wohlstand und in Sicherheit in umfassenden Sinne leben können."
Doch was heißt das konkret? Ein Blick in den seit Mittwochmittag fertig gestellten Entwurf des rot-schwarzen Koalitionsvertrags verrät: Die SPD hat sich bei der Verteilung der Ministerien überraschend stark durchgesetzt - und wird das mächtige Finanzressort und das prestigeträchtige Außenministerium. Bei den bis zum Schluss umstrittenen Themen in der Arbeits-, Gesundheits- und Zuwanderungspolitik trägt das geplante Regierungsprogramm hingegen eher die Handschrift von CDU und CSU. Angela Merkel will sich dennoch absichern, und so kündigte sie am Mittwochnachmittag an, dass auch ihre Partei die Ergebnisse mit absegnen darf. Wo die SPD die ganze Hand nimmt, reicht in der CDU allerdings ein kleiner Finger.
"Jetzt gilt es für diesen Koalitionsvertrag zu werben. Die CDU wird einen Parteitag abhalten, auf dem über diesen Koalitionsvertrag abgestimmt wird. Und dann werden wir langsam uns dem Punkt nähern, wo wir wirklich beginnen können zu arbeiten."
"Den Zusammenhalt der Gesellschaft stärken"
Eines aber fehlt bisher: Eine verbindliche klare Botschaft, wofür diese neue Regierung stehen soll. Die frisch komponierte knapp zweiseitige Präambel des Koalitionspapiers liefert immerhin einige Anhaltspunkte.
"... ein neuer Aufbruch für Europa, neue Dynamik und Vollbeschäftigung für Deutschland, Wohlstand bei allen Menschen."
Und: "Den sozialen Zusammenhalt in unserem Land wollen wir stärken."
Martin Schulz, einst Präsident des Europäischen Parlaments, und nun möglicher neuer Außenminister, sieht vor allem eine Klammer, die das künftige schwarz-rote Bündnis zusammenhalten soll: Europa!
"Die Bundesrepublik Deutschland wird mit diesem Koalitionsvertrag zurückkehren zu einer aktiven und führenden Rolle in der Europäischen Union. Und sie wird, so hoffe ich jedenfalls, auf der Grundlage einer engen, verzahnten Zusammenarbeit mit der Regierung in Paris die Europäische Union so stark machen, dass sie den großen, internationalen Herausforderungen in der Sicherheitspolitik, in der Klimapolitik, bei der Bekämpfung der Steuerflucht und beim fairen Handel und bei dem interkontinentalen Wettbewerb, in dem auch unsere deutsche Volkswirtschaft ist, den Schutz angedeihen lassen kann, den die Bundesrepublik Deutschland durch Europa braucht. Ich glaube, dass wir einen Aufbruch für Europa hinbekommen werden und wir den Zusammenhalt in einer Gesellschaft stärken werden, deren größtes Risiko im Zerfasern dieses Zusammenhalts besteht."
Spaltung, Zerfaserung, Polarisierung - alle drei Parteivorsitzende - Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz - zeichnen ein ähnliches Psychogramm der deutschen Gesellschaft. Das tut auch die Opposition, aber sie kommt zu einem ganz anderen Schluss.
"Ich glaube, dass die Schwierigkeit der Regierungsbildung - Jamaika, Große Koalition - nicht aus Versehen so sind. Sondern dass es eine grundsätzliche Kluft gibt."
Grünen-Chef Habeck: "Politik, die in Ritualen gefangen ist"
Robert Habeck, frisch gewählter Parteichef von Bündnis90/Die Grünen weiß, wovon er spricht. Er selbst saß mit am Tisch während der Jamaika-Sondierungsgespräche. Und sah sie scheitern. Die gesellschaftliche Kluft, sagt Habeck, besteht:
"Zwischen dem Gefühl in der Gesellschaft, dass etwas Neues beginnen muss, dass etwas Altes zu Ende geht, aber das Neue noch keinen Namen hat, keinen Begriff, keinen Umriss. Und einer Verhaltensstarre der Politik, die in ihren Ritualen gefangen ist, die nicht über den Tellerrand hinaus denkt. Sozusagen die gesellschaftliche Kluft zwischen Menschen und Systemen droht immer größer zu werden."
Horst Seehofer widerspricht dieser Analyse von Robert Habeck vehement. Überaus zufrieden stellt sich der CSU-Chef und wohl künftige Innen- und Bundesheimatminister am Nachmittag nach über 24 Stunden Verhandlungsmarathon den Fragen der Hauptstadtpresse. Beziehungsweise stellt er ungefragt erst einmal fest:
"Wer diese 177 Seiten liest, der wird feststellen, dass wir eine ganze Menge Gutes für die Leute in unserem Lande vorhaben. Und damit haben wir auch die richtige Antwort gefunden auf das für uns alle so schwierige Wahlergebnis am 24. September."
Landtagswahl wie ein "Mühlstein" um den Hals der CSU
Das hängt nicht nur der CDU, sondern besonders der CSU wie ein Mühlstein um den Hals. Zumal in Bayern schon am 14. Oktober wieder eine Landtagswahl ansteht, und die CSU - wie im Jahr 2008 - um den Verlust ihrer absoluten Mehrheit zittert. Horst Seehofer bezieht sich zwar auf die zurückliegende Bundestagswahl, aber gemeint ist der Urnengang in Bayern - dann mit seinem Nachfolger als Ministerpräsident Markus Söder als Spitzenkandidat. Wir haben also eine Antwort gefunden, sagt Seehofer…
"…indem wir zum Ausdruck bringen: Wir haben verstanden, und abkehren vom 'Weiter so!' Das ist geeignet, die Spaltung und Polarisierung in unserem Lande zu überwinden, und aus diesem Grund halte ich diese Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen - oder beurteile sie außerordentlich positiv."
Spaltung und Polarisierung, für die SPD bedeutet das traditionell etwas anderes als für die Unionsparteien. Unsicherheiten beseitigen, Benachteiligungen aufbrechen - für CDU und CSU muss das immer auch wirtschaftlich vertretbar bleiben.
"Ich kann Ihnen natürlich heute nicht sagen, wie genau sich die finanzielle Entwicklung darstellt. Aber wir von der CDU haben sehr viel Wert darauf gelegt, dass wir investieren, dass wir Rahmenbedingungen für Unternehmen schaffen, in denen dann auch wieder etwas erwirtschaftet werden kann", sagt die Kanzlerin am Ende der Koalitionsverhandlungen.
Besonders deutlich lässt sich dies an einem strittigen Verhandlungspunkt festmachen, bei dem die SPD die Messlatte hoch hing - und der für die Union schwer verdaulich schien: "Arbeitsverhältnisse dürfen nicht länger ohne triftige Gründe befristet werden, denn dies schafft große Unsicherheiten bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern", hieß es Anfang Dezember im Parteitagsbeschluss der Sozialdemokraten. Damals bereitete sich die Partei auf die Sondierungen mit der Union vor. Zu wenig gegen die Union erreicht zu haben, war ein Punkt am Ende der Sondierungen, an dem sich die Kritik der Sozialdemokraten vor den eigentlichen Koalitionsgesprächen entzündete. Die "Abschaffung der sachgrundlosen Befristung" wurde den sozialdemokratischen Verhandlern mit auf den Weg gegeben. Im Koalitionsvertrag sieht Martin Schulz nun den erwünschten Erfolg.
"Es gibt eine grundsätzliche Kluft"
"Ich glaube, dass wir in der Arbeitsmarktpolitik, wenn sie den Vertrag lesen werden, eine ganze Menge erreicht haben. Wir haben insbesondere die von uns ja bekämpfte, sachgrundlose Beschäftigung massiv eingeschränkt."
Im Entwurf des Koalitionsvertrag steht tatsächlich: Sachgrundlose Befristungen werden unmöglich, wenn jemand bereits fünf Jahre beim selben Arbeitgeber beschäftigt war. Auch wenn er das im Rahmen einer Leiharbeit war. Allerdings: Fünf Jahre lang dürfen Arbeitsverhältnisse auch weiterhin ohne speziellen Grund befristet werden, nach einer Karenzzeit von drei Jahren beginnt die Zählung von vorn.
Ein Punktsieg also für die SPD? Oder doch eher ein fauler Kompromiss? Auch im gemeinsamen Wahlprogramm von CDU und CSU war das Vorhaben enthalten, offenkundige Missbräuche der sachgrundlosen Befristung abzustellen - die jetzt gefundene Formulierung dürfte für die Unionsparteien also leicht zu verschmerzen sein. Einer von vielen Punkten, über die die SPD nun intensiv streiten wird - und ob der Koalitionsvertrag jetzt wirklich sozialdemokratischer ist als das Sondierungspapier, wie vom SPD-Sonderparteitag in Bonn vor zwei Wochen gefordert? Horst Seehofer will, an Martin Schulz gerichtet, sein Urteil darüber erst kommende Woche - beim traditionellen politischen Aschermittwoch seiner Partei – verraten.
"Wessen Handschrift diese Koalitionsergebnisse nun tragen, lieber Martin, das spar ich mir bis zum politischen Aschermittwoch auf."
Schmerzhafter als die meisten Inhalte des Koalitionsvertrages dürfte für die Unionsparteien die Ressortverteilung sein: mit Außenamt, Finanzministerium und Arbeit und Soziales hat die SPD drei ganz unterschiedliche Schwergewichte im Kabinett für sich herausverhandelt. Während das Finanzministerium als Hüter des Haushalts alle politischen Vorhaben torpedieren oder fördern kann, ist das Außenministerium ein Popularitätsgarant. Arbeit und Soziales, politisch ein Kernressort der SPD, hätte auch die CSU gerne bekommen.
Doch auch die CSU steht mit ihren drei Ressorts, einem erweiterten Innenministerium unter Leitung von Parteichef Horst Seehofer, dem finanzkräftigen Verkehrsressort und dem Entwicklungsressort vergleichsweise gut da. Allein die CDU verliert im neuen Kabinett etwas an Einfluss. Angela Merkel weiß, dass dieser neue Ressortzuschnitt auch für Fragen und Gesprächsstoff in ihrer CDU sorgen wird, die über den Koalitionsvertrag auf einem Parteitag abstimmen will.
"Dass die Frage, wer bekommt welches Ressort, eine nicht ganz einfache war, das will ich gerne hier verraten."
Streitfall Familiennachzug
Ein Thema, dass zwischen Union und SPD für wochenlange Auseinandersetzungen sorgt, ist der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus. Am Ende steht schließlich eine Einigung ohne Einigkeit. Die Aussetzung wird bis zum 31. Juli dieses Jahres verlängert. Von August an sollen dann pro Monat tausend Ehepartner, minderjährige Kinder und Eltern von Flüchtlingen nachziehen dürfen. Hinzu kommt eine bereits bestehende Härtefallregelung. Die CSU ist angesichts dieser Absprachen aus dem Häuschen, auch wenn CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sich das nicht direkt anmerken lässt. Seine Wortwahl spricht jedoch Bände.
"Mit der Neuregelung wird der Anspruch auf Familiennachzug für subsidiär Geschützte zum 1.8. abgeschafft. Das ist ein wichtiger Baustein zur Begrenzung der Zuwanderung."
Fehlt nur noch, dass Dobrindt das Wort Obergrenze selbst verwendet. Ist aber gar nicht nötig. Die SPD ist auch so schon wütend genug. Und interpretiert ein und denselben Sachverhalt völlig anders - mitnichten habe man eine Obergrenze bei der Zuwanderung akzeptiert, erwidert SPD-Vize Ralf Stegner.
"Die Unionsführung hat diesmal zugesagt, auf diese Art von irreführender Öffentlichkeitsarbeit zulasten der SPD zu verzichten, dann muss man sich nicht an Formulierungen verkämpfen."
Am Abend macht Stegner, ein Parteilinker, seinem Ärger erst richtig Luft. Er schimpft über den "CSU-Slang", mit dem die Sozialdemokraten "nichts am Hut hätten." Und dann das:
"Selbst wenn's ne Große Koalition gibt, dann sieht man ja an diesem Beispiel: Wir sind verschiedene Parteien, wir wollen nicht heiraten, sondern das ist eine Lebensabschnittspartnerschaft - maximal – wenn's dazu kommt. Die dann hoffentlich bald auch wieder enden wird."
Verunsicherung in der SPD
Das sitzt. Allerdings ist die Empörung über das Stegner-Interview in der SPD bezeichnenderweise größer als in der Union. Die schweigt vornehm, während führende Sozialdemokraten die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Die Parteispitze in Berlin, auch die Bundestagsfraktion wünscht sich ein Gelingen der GroKo. Die Basis hingegen, auch die mittlere Funktionärseben ist mindestens verunsichert. Und viele lehnen eine weitere Zusammenarbeit mit der CDU und CSU rundherum ab.
"Ich hab bei mir auf dem Schreibtisch zwei Stapel liegen. Auf dem einen Stapel steht drauf: Wir treten aus der SPD aus, wenn wir wieder in die Große Koalition gehen. Auf dem anderen Stapel steht drauf: Wir treten aus, wenn Ihr Euch verweigert, Verantwortung in einer Regierung zu übernehmen. Genossinnen und Genossen, wir sollten es uns nicht so leicht machen. Das werden schweißtreibende Gespräche, aber führen sollten wir sie. Glück auf!"
Norbert Römer, Fraktionschef im Landtag von Nordrhein-Westfalen sah die Zerreißprobe schon beim Parteitag im Dezember auf seine SPD zukommen. Der Parteichef selbst hat gehörig zu dieser Stimmungslage beigetragen: Bejubelt von Parteifreunden hatte Martin Schulz im Herbst erklärt, seine Partei in die Opposition führen und auf gar keinen Fall in ein Kabinett unter Angela Merkel eintreten zu wollen. Beide Vorsätze wirft Schulz nach den gescheiterten Jamaika-Sondierungen über den Haufen und sät damit noch mehr Misstrauen an der Parteibasis.
"Viel Ansehen und Respekt" für Nahles auch in der Union
Umso überraschender jetzt der Befreiungsschlag: Fast genau ein Jahr nach seiner Hundert-Prozent-Wahl will Schulz seinen Posten als SPD-Parteichef an Andrea Nahles abgeben. Sie gilt als schon länger als neue Hoffnungsträgerin der Partei. Zuvor Arbeitsministerin in letzten Legislaturperiode, hat sich die 47-jährige Katholikin auch in der Union viel Ansehen und Respekt erarbeitet. Kurioserweise muss nun ausgerechnet Nahles, die viele noch aus ihren Zeiten als Juso-Chefin kennen, für eine neue Zusammenarbeit mit CDU und CSU werben. Ein freiwilliger Gang in die Opposition sei den Leuten nicht zu vermitteln, davon ist Andrea Nahles zutiefst überzeugt.
"Und soll ich Euch mal was sagen, was die Bürgerinnen und Bürger dann machen: Die zeigen uns 'nen Vogel! Das sagen die dann: Und wisst Ihr auch warum: Aaaah, werden die Bürger dann sagen, ach die SPD, die macht jetzt nur noch Politik, wenn sie die absolute Mehrheit bekommt!"
Das jetzt anstehende Mitgliedervotum bleibt dennoch unberechenbar. Juso-Chef Kevin Kühnert, talentierter Wortführer der GroKo-Gegner, will in den kommenden Wochen mit einer "No-GroKo"-Tour durchs Land ziehen und die SPD-Mitglieder von seiner Linie überzeugen.
"Na erst mal nutz ich jetzt die Tage... werde viel unterwegs sein… dann wollen wir mal schauen, wie das am Ende ausgeht. Wir Jusos .. haben keine Lust. Dass Mitglieder erpresst werden, dafür ist die Lage zu ernst."
Wenn CDU, CSU und SPD nun doch erneut gemeinsam die Regierung stellen sollten, kommt es nicht zuletzt auf das Vertrauen untereinander an. Der Koalitionsvertrag wäre nur die Basis - die Frage, wie man mit auftretenden Krisensituationen umgeht, die derzeit noch gar nicht absehbar sind, eine ganz andere.
Die Zukunft Europas könnte einer der Punkte sein, bei dem sich die große Koalition bewähren muss. Die getroffene Ressortaufteilung, bei der die SPD mit einem wahrscheinlichen Außenminister Martin Schulz und einem wahrscheinlichen Finanzminister Olaf Scholz zwei europäische Schwergewichte stellt, ist dabei Chance und Pflicht zugleich für Martin Schulz und seine Genossinnen und Genossen. Nicht zuletzt wird es ums Geld gehen, wenn im kommenden Jahr mit Großbritannien ein Nettozahler aus der EU ausscheiden wird. Die Kanzlerin sieht zurzeit kein Problem darin, dass die Sozialdemokraten hier nun durch die Ressortaufteilung ein stärkeres Mitspracherecht erhalten.
Merkels beharrliche Gelassenheit
"Der mehrjährige Finanzrahmen liegt immer in der Zuständigkeit des Außenministeriums, das ist nichts Neues und das habe ich schon zwei Mal mit sozialdemokratischen Außenministern zu bewältigen gehabt. Wir haben auch gerade mit dem Finanzminister Peer Steinbrück in der ersten großen Koalition 2005 bis 2009 sehr gut zusammengearbeitet. Die erste Begegnung, die ich mit Herrn Steinbrück zusammen hatte, war mit dem damaligen Währungskommissar, wo wir uns entschieden haben, wieder den Stabilitätspakt einzuhalten. Und egal, ob ein Ressort von der Union oder der SPD verwaltet wird - ausgeben kann man immer nur das Geld was man hat. Und da haben wir uns auch ganz klare Rahmen gesetzt, und natürlich wird man darüber reden aber ich mache mir da, ehrlich gesagt, überhaupt keine Sorgen."
Dass sie für volle vier Jahre antritt, daran hat Angela Merkel niemals ernstliche Zweifel aufkommen lassen, nachdem sie sich dafür entschieden hatte. Die auch in der Union im vergangenen Jahr laut gewordene Kritik an ihr nimmt die 63-Jährige zur Kenntnis, bleibt aber bei ihrem Kurs: keine schnellen Richtungswechsel.
"Ich kann nicht erkennen, was wir jetzt anders machen müssten."
Die Kanzlerin bleibt - sofern die SPD-Mitglieder das Vorhaben Große Koalition nicht mehr kippen. Das ist das eindeutigste Ergebnis, das die CDU aus den Koalitionsverhandlungen mit ihrer selbstbewussten bayerischen Schwester CSU und den Sozialdemokraten verbuchen kann. Die CDU-Vorsitzende wird ein viertes Kabinett anführen - und wäre am Ende der Legislaturperiode - wenn sie denn wirklich bis 2021 im Amt bleibt - damit fast exakt genau so lang wie ihr früherer Mentor Helmut Kohl Bundeskanzlerin gewesen.