Negative Schlagzeilen aus Köln sind ja durchaus Alltag: Der Einsturz des Stadtarchivs beispielsweise, das Verschieben der Oberbürgermeisterwahl wegen fehlerhafter Wahlzettel, die Kölner Silvesternacht, und der Umgang damit. Mit seinem jüngsten Skandal reiht sich die Domstadt dagegen in die Reihe der Städte ein, deren großen Bauprojekte aus dem Ruder laufen, immer länger dauern und deren Kosten sich schnell mal verdoppeln: Berlin und sein Flughafen BER, Hamburg und seine Elbphilharmonie.
In Köln - das wurde vor rund einem Monat bekannt – wird sich die Renovierung der Kölner Bühnen, also der Oper und dem Schauspielhaus, verzögern. Im Oktober 2022 soll die Baustelle nun fertig sein, sieben Jahre später als geplant. Die Kosten sich dann auf rund 570 Millionen Euro mehr als verdoppelt haben. Mindestens. Ab Anfang August soll es nun, auch um für weitere Akzeptanz des Projektes zu sorgen, öffentliche Führungen über die Baustelle in der Kölner Innenstadt geben. NRW-Korrespondent Moritz Küpper war schon einmal da.
Christopher Braun stapft eine von Baustaub verdreckte, nackte Betontreppe hoch, öffnet eine Tür.
"Und hier ist einfach eine so klassische Stelle und ein neuralgischer Punkt. Das ist nämlich hier der Aufzug, diese Schleuse hier, das ist ein sogenannter notwendiger Flur, das heißt, ein Fluchtweg."
Kölns neuster Skandal
Braun steht im Untergeschoss der sogenannten Kölner Bühnen, also der Oper und dem Schauspielhaus, wo seit fünf Jahren saniert wird. Mittlerweile, das zeigt der neu gegossene Beton allerorts, ist hier schon viel passiert, doch wiedereröffnet, wie einst für November 2015 geplant, ist hier noch lange nix. Von der Decke hängen stattdessen Kabel, feiner Baustaub hat fast alles überzogen. Seit gut einem Jahr nun fungiert der 46-jährige, großgewachsene Mann als Leiter Kommunikation des Sanierungsprojekts. Kölns neuster Skandal, so nannte es die Stadtrevue, ein lokales Kulturmagazin kürzlich, doch für Braun, der vorher an Theatern in Mannheim, Aachen und Bremen gearbeitet hat, passt es ganz gut.
"Mein Vater war hier engagiert, das heißt, ich war hier als Kind. Und die andere Seite meiner Familie sind Architekten. Von daher findet das eine ganz schöne, also jetzt auch für mich persönlich ganz schöne Verbindung dieser beiden Pole."
Er trägt einen Helm, schwere, feste Schuhe und eine neongelbe Warnweste mit seinem Namen. Zu seinem Aufgabenfeld gehören eben auch Baustellenführungen, seit heute auch regelmäßig für die Kölner Bevölkerung - und gerade ist er an einem seiner Vorzeigepunkte angekommen. Braun zeigt auf eine Öffnung, aus der orange, schwarze und graue Kabel quellen.
"Dieser Schacht hier, das ist der Schacht elf. Den zeigen wir immer ganz gerne, weil hier noch nicht alle Kabel drin sind, die hier eigentlich reingehören, also da kommt noch ein Drittel hinzu. Plus, eine Dieselleitung. Wenn sie da mal reingucken, können Sie sich vorstellen, wie schwierig da ist."
Die Sache mit dem Brandschutz
Der Security-Mitarbeiter, der die Führung begleitet, leuchtet mit seinem Handy in den Schacht, in dem scheinbar wahllos Kabel hängen. Braun dreht sich um, zeigt an die Decke.
"Diese Konstruktion hier muss noch komplett brandgeschützt werden. Und wenn man es am Ende, wenn man es tatsächlich runtertun würde, würden diese Türen, die notwendige Fluchtwegstüren sind, sich nicht mehr öffnen lassen. Das ist ein sehr charakteristisches Beispiel dafür, für die Problematik, die man hier hat."
Aber nicht das einzige, er geht durch lang gezogene, unverputzte Gänge. An den Wänden und der Decke laufen Rohre entlang, dicke und dünne. Ab und an bleibt Braun stehen.
"Hier, auch schönes Beispiel: Druckluftbodenzuschauerraum. Wenn Sie sich einmal umdrehen, sehen sie hier diese Fenster. Das ist ein Lüftungsschacht. Der wurde jetzt nicht weitergebaut, weil er hier rüber muss."
Brauns Hände fahren in Kopfhöhe von links nach rechts.
"Dann können Sie sich überlegen, wie groß sie sein dürfen, damit sie hier noch durchdürfen. Also, es ist kein Fluchtweg, aber es ist einfach nur ein Beispiel dafür, wo man sehr gut sieht, was eine Kollision ist."
Vertrauensverhältnisse zerrüttet
Es ist eine Baustelle, die im Chaos versunken ist - und die im März vergangenen Jahres von Bernd Streitberger übernommen wurde.
"Also, ich muss sagen, dass es die Strukturen, die es ehemals mal gegeben hat in dem Projekt, im Grunde genommen zu dem Zeitpunkt aufgelöst waren. Es gab nur noch wenige Leute, die auf der Bauherren-Seite das Projekt versucht haben hochzuhalten. Es gab kein Vertrauensverhältnis mehr zu den Firmen."
Streitberger sitzt in seinem Büro inmitten der Baustelle. Als ehemaliger Kölner Baudezernent war er einst mit dem Projekt betraut, gestaltete jenen Prozess mit, der 2004 mit dem Ratsbeschluss für eine Sanierung des Ensembles des Architekten Wilhelm Riphahn begann. Gut anderthalb Jahre später sollte es dann doch einen Abriss und einen Neubau geben, der Ausschreibungswettbewerb hatte schon einen Sieger, doch nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs geriet die Stadtspitze unter Druck. Letztendlich wurde es doch eine Sanierung des denkmalgeschützten Baus – aber unter den zeitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen eines Neubaus. Streitberger schüttelt der Kopf, er will jetzt Kabel ziehen lassen, Umwege suchen, auf nicht notwendige Computer-Updates der Haustechnik verzichten, stattdessen finalisieren und retten, was zu retten ist:
"Bezogen auf die wirklich sehr vielfältige und komplizierte Haustechnik, gab es die Variante zu sagen, wir schmeißen das alles raus. Das geht sehr schnell, es kostet aber sehr, sehr viel Geld. Es hat aber noch eine Implikation, die uns sehr schnell bewusst geworden ist: Wir hätten damit möglicherweise unsere Baugenehmigung verloren."
Kostet wie die Elbphilharmonie, ist aber keine
Und das war keine Alternative. Fertigstellung Ende 2022, fast verdoppelte Kosten von rund 550 Millionen Euro – das ist Streitbergers Fahrplan, den er Anfang Juli bekannt gab. Zusammen mit den über 100 Millionen Euro für die Ausweichspielstätten, kommen so über eine halbe Milliarde Euro zusammen. Kosten wie bei der Elbphilharmonie, heißt es im Spott, nur das es am Ende keine Elbphilharmonie gibt:
"In Sachen Denkmalschutz wurde das ausgebaut, was man ausbauen kann, zum Schutz."
Auf der Baustelle kann Christopher Braun mit so einer Aussage nichts anfangen.
"Das andere, was halt hierbleiben muss, wie diese Säulen, das wurde entsprechend eingekastet und geschützt."
Luftige Architektur – und die harte Realität
Er steht mittlerweile im ersten Stock. Gerade die Verbindung von neuer, moderner Technik mit der alten, aber luftigen Architektur des Kölner Architekten Riphahn, ist für ihn eine unschlagbare Kombination – und auch ein Stück Stadtgeschichte. Braun kommt geradezu ins Schwärmen:
"Hier oben können sie diese Stäbe - sind ein schönes Beispiel für diese feine, sehr, sehr feine Architektur. Das sind teilweise gestrichene Kupferstäbe. Sind alles Unikate."
Dann wird er doch wieder von der Realität eingeholt.
"Auch hier sehen sie wieder Lüftungsschacht und Kabel, wo gerade noch auf Pause gedrückt wurde. Dieser Bereich hier ist natürlich den man dann als allerletztes fertig macht, wenn man halt sicher ist, das halt nicht mehr gebaut wird."
Aber wann das sein wird, das kann niemand sicher sagen. Und das ist wohl die sicherste Erkenntnis nach einem Besuch auf der Baustelle der Kölner Bühnen.