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Kommunikation
Wenn Populisten selbst auf Sendung gehen

Populisten sind auf dem Vormarsch, und sie sprechen wie Donald Trump gern über Twitter oder andere Kanäle direkt zum Volk - ohne lästige Journalistenfragen. Parteien wie die AfD betreiben bei YouTube gleich mehrere Kanäle. Wie sollen die klassischen Medien darauf reagieren?

Von Michael Meyer |
    Donald Trump bei seiner Rede in New York nach seinem Wahlsieg, rechts neben ihm stehen seine Frau und einer seiner Söhne
    Donald Trump bei seiner Rede in New York nach seinem Wahlsieg (picture alliance/ dpa/ Shawn Thew)
    "Our transition team is working very smoothly and efficiently."
    So klang es, als Donald Trump sich kürzlich nach seinem Wahlsieg via Youtube direkt ans amerikanische Volk wendete: Sein "Übergangsteam" arbeite effektiv und erfolgreich, sagte Trump. Dabei rappelte es zu diesem Zeitpunkt gewaltig in seinem Team, aber die Botschaft direkt ans Volk zu Thanksgiving hat den Vorteil, dass der künftige Präsident nicht von lästigen Journalistenfragen bedrängt wird. Schon im Wahlkampf beschimpfte er in fast jeder seiner Veranstaltungen die Medien:
    "You have so many dishonest reporters… disgusting reporters, horrible people."
    Parallel zu seinen Beschimpfungen von Reportern und Journalisten nutzte Trump wie wohl kein anderer Kandidat vor ihm Twitter als Kommunikationskanal. Mittlerweile hat er mit seinen zum Teil im Minutentakt geschriebenen Kurznachrichten über 16 Millionen Follower und es dürften nun wohl noch mehr werden. Eine Pressekonferenz hat er bislang noch nicht gegeben.
    Der Einfluss der Sozialen Medien auf die Polit-Kommunikation
    Andreas Jungherr ist Politologe und erforscht den Einfluss des Internets und Sozialen Medien auf die Polit-Kommunikation. Jungherr sagt, dass die politische Kommunikation, vor allem in den USA, zunehmend aber auch bei uns mit Twitter verzahnt ist:
    "Gerade wenn Sie ein Kandidat sind wie Trump, der von der Kontroverse lebt, dann haben Sie auf Twitter eine super Möglichkeit, einfach ihre Meinung oder einen kontroversen Spruch rauszuhauen, der dann eben von den Medien aufgegriffen wird, und in dem Moment sagen die Medien: Oh, welchen skandalösen O-Ton haben wir wieder von Donald Trump. Und es kann in dem Moment sein, dass Twitter wirklich einen Einfluss hat auf die Berichterstattung, und Trump dadurch deutlich mehr Leute erreicht, als er es alleine könnte, aber dann eben mittelbar.
    Dieses "Sprechen zum Volk" ohne lästige Journalistenfragen wird auch bei uns immer üblicher. Parteien wie die AfD betreiben bei YouTube eine Vielzahl von Kanälen, regional unterteilt, aber auch ein offizielles "AfD-TV". Es werden vielerlei Videos von AfD-Veranstaltungen angeboten, oder aber ein lokaler AfD-Politiker agitiert gegen einen geplanten-Moschee-Bau:
    "Ich stehe hier vor dem Gelände der geplanten neuen Moschee in Bad Kreuznach."
    Kritische Journalistenfragen unerwünscht
    Ist diese direkte Ansprache an die Bürger eine Gefahr für die klassischen Medien? Joachim Trebbe, Medienwissenschaftler an der Freien Universität Berlin, sagt, das Phänomen sei eine Krise der sogenannten intermediären Systeme insgesamt, also nicht nur der Medien, sondern auch der Meinungsforscher oder der Wissenschaft:
    "Wir merken eigentlich an jeder Stelle durch die neuen sozialen Medien und die direkte Kommunikation im Internet, dieses Vermittlungssystem zwischen dem sogenannten Wähler oder Bürger und der politischen Elite, dass es übersprungen wird. Und das führt dazu, dass die klassischen Meinungsbildungsprozesse nicht mehr funktionieren. Und deswegen Leute, die direkt kommunizieren und andere Regeln befolgen dürfen, also Kraftausdrücke, Beleidigungen, Diskriminierungen benutzen dürfen, viel höhere Reichweiten generieren und viel höhere Aufmerksamkeiten.
    Auch die klassischen Medien müssen Player in den Sozialen Medien sein
    In einer Mitteilung der AfD heißt es, dass, Zitat, die "große Mehrheit der Deutschen" den "Mainstream-Medien" nicht mehr vertrauen. Viele Menschen bezögen ihre Informationen "lieber direkt von uns", so die AfD. Etliche Umfragen zeigen allerdings dass die klassischen Medien nach wie vor deutlich mehr gefragt sind, als einzelne Facebook-Seiten von Parteien. Hier spricht wohl eher der Frust darüber, dass klassische Medien AfD – Politiker nicht nur zitieren, sondern ihre Aussagen hinterfragen und einordnen. Für die Populisten sind die konventionellen Medien, auch wenn sie oft und gerne über sie schimpfen, dennoch wichtig, so Joachim Trebbe:
    "Dadurch, dass sie hohe Reputation haben, möchte man in diesen Medien auch repräsentiert sein, die soziale Medienschiene ist sozusagen nur die Zündschnur, nur der Initiationsritus, um dann hinterher auch das nutzen zu können, was die konventionellen Massenmedien anbieten können, nämlich dieses Mainstreaming, das heißt große Meinungsbildungsprozesse, wo sich Leute zu einer Partei bekennen oder zu einer gewissen Regierung."
    Nun stellt sich die Frage, wie die klassischen Medien auf die Populisten reagieren sollen. Nicht mehr über jedes thematische Stöckchen zu springen, das ihnen hingehalten wird, könnte ein Weg sein, aber das ist leichter gesagt als getan. Medienwissenschaftler Trebbe hat einen grundsätzlichen Vorschlag: Fernseh-, Hörfunk- und Zeitungsredaktionen müssten noch viel stärker als bisher bei Facebook, Twitter oder YouTube meinungsbildend sein:
    "Sie müssen auf jeden Fall das Spiel, das außerhalb ihrer konventionellen Berichterstattung stattfindet, mitspielen, sie müssen Player in den sozialen Medien sein, sie müssen dafür sorgen, dass sie für bestimmte Qualitätsgesichtspunkte weiterhin gebraucht werden."