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Komplett zerlegt

Für den Automobilexport in einzelne Länder lassen sich die Hersteller heute etwas ganz Besonderes einfallen: Sie liefern die Fahrzeuge nicht am Stück, sondern filetiert in kleinste Einzelteile. Mit dem Transport der zum Puzzle zerlegten Autos verdient dann die Bremer Lagerhausgesellschaft ihr Geld.

Von Godehard Weyerer | 30.11.2012
    Ein Lkw nach dem anderen steuert das Logistik-Center der Bremer Lagerhausgesellschaft an, bis zu 300 sind es an einem Tag. Geladen haben die Lkw alles rund um ein Auto – Sitzbezüge, Motorhauben, Schrauben, Schellen, Ölwannen, Längsträger, Scheinwerfer. Über 1000 Einzelteile sind in einem Fahrzeug verbaut, sagt Matthias Klawitter.

    Seit zwölf Jahren arbeitet der Diplom-Betriebswirt bei der Bremer Lagerhausgesellschaft und ist Betriebsleiter des Logistik-Centers.:

    "Wir gehen jetzt in den Rohbau. In der Rohbauabwicklung empfangen wir alle Bauteile für die Karosserien für die verschiedenen Baureihen der Mercedes-Projekte, die bekommen wir aus den Presswerken aus Sindelfingen und Bremen, je nachdem, welche Baureihe gefragt ist."

    Blanke, nicht lackierte Längsträger der Mercedes C-Klasse liegen in einem Spezialladungsbehälter – dicht an dicht, durch gepolsterte Abstandshalter vor Kratzern und Dellen geschützt. Das Bestimmungsziel ist Indonesien. Täglich 20 Güterwaggons bringen die Blechteile aus dem Presswerk Sindelfingen nach Bremen. CKD, die Abkürzung steht für completely knocked down – übersetzt: komplett zerlegte Autos. Welche Vorteile bietet diese spezielle Form des Exports?

    "Es gibt, das ist ja kein Geheimnis, in einigen Ländern hohe Importzölle für Fertigfahrzeuge, da lohnt sich natürlich auch eine Einfuhr über eine CKD-Belieferungsstrategie."

    Einfuhrzölle auf Fertigfahrzeuge liegen in manchen Ländern bei bis zu 300 Prozent. Für importierte Teile sind die Zollsätze dagegen unvergleichlich niedriger. So lohnt sich der logistische Mehraufwand, der hier in den Hallen der Bremer Lagerhausgesellschaft anfällt, allemal. Zudem sind die Lohnkosten in den Zielländern meist niedriger als in Deutschland. Zulieferfirmen aus dem Bestimmungsland steuern Teile bei - Räder, Türverkleidung, Sitze etwa:

    "Unsere Kunden produzieren in Zielländer mit unterschiedlichem Know-how. Es geht von Vietnam, Thailand, Malaysia bis hin zu USA und China. Natürlich, in den USA findet schon eine sehr hohe Eigenproduktion statt."

    900 Mitarbeiter hat die BLG in ihrem Bremer Logistik-Center unter Vertrag, 20 bis 30 Prozent sind Leiharbeiter. Gearbeitet wird in zwei bis drei Schichten. Die Pkw-Produktion ist starken Konjunkturschwankungen ausgesetzt. Auch der Absatz der CKD-Baukästen. Sämtliche Teile für 20.000 Fahrzeuge gehen pro Jahr über die Logistik-Drehscheibe in Bremen, werden in den Hallen noch einmal auf Schäden kontrolliert, für den langen Seetransport präpariert und konserviert und in Containern verpackt auf die weite Reise geschickt – nach Indien, Ägypten, Vietnam, Thailand, Malaysia, Indonesien.

    "Das ist ein typisches Geräusch, das Verschließen der Pack-Stücke mit Nagelschussgeräten, natürlich müssen die Holz-Verschläge transportsicher gemacht werden. Das geht nach zum Beispiel Indien."

    24 Motorhauben stehen hochkant in einem Spezialladungsbehälter. In den nächsten Tagen werden sie auf einem Schiff Bremerhaven verlassen und in rund sechs bis acht Wochen im Fertigungswerk im indischen Pune ausgepackt und montiert werden. Matthias Klawitter geht an einem Stapel Kisten vorbei, gefüllt mit schwarzen Hüllen für Fahrzeug-Handbücher – Bestimmungsziel ist Thailand.

    "Ja, gehen wir mal ein Stück weiter in den Bereich der Norm- und Kleinteile ... "
    Die Hallen, in denen die Bremer Lagerhausgesellschaft Automobilteile in alle Welt verpackt, sind riesig - 110.000 Quadratmeter.

    "Wir sind im Bereich China, man sieht es wieder, die Flagge an der Decke. Das sind Ölwannendeckel, hier haben wir Sechskantmuttern, die irgendwo im Auto ihren Platz finden."

    Das große Zittern hat nun auch wieder die Automobilindustrie erfasst. Sparprogramme werden aufgelegt. Wie die Zulieferer werden auch die Logistik-Unternehmen in die Pflicht genommen:

    "Der Druck ist eigentlich immer da. Wir sind immer gefordert, unseren Kunden Einsparungspotenziale aufzuzeigen. In der Automobilindustrie wird da von einer kontinuierlichen Verbesserung gesprochen. Daher kennen wir diesen Druck, der ist für uns eigentlich nicht immer saisonal deutlich. Gewisse Unterschiede gibt es schon. Grundsätzlich können wir auch in guten Zeiten nicht ausruhen, sondern müssen immer sehen, dass wir unsere Logistik-Dienstleistung effizient anbieten."

    Die Verträge sind meist an die Laufzeit einzelner Baureihen gekoppelt. 800 Container packt die Bremer Lagerhausgesellschaft jede Woche im Auftrag der Daimler AG. Zu 99 Prozent, erklärt Betriebsleiter Matthias Klawitter, werden sie in Bremerhaven verschifft. Nach einem Monat sind die Container in den USA und Südafrika angekommen, der Transport nach China dauert bis zu drei Monate. Von der kleinen Schraube bis zu Motorhaube muss alles termingerecht im Auslandsmontagewerk ankommen:

    "Die Philosophie ist natürlich, alles in Seefracht Richtung Zielland zu bekommen, das gelingt nicht immer. Es kommt häufig vor, dass ein Lieferant nicht rechtzeitig liefern kann. Es gibt parallel zu unserem Seefrachtprozess immer auch ein Luftfrachtprozess. Das sind dann die Notfälle."