Schick geht zwar davon aus, dass der Kompromiss im Bundesrat durchkommt - danach aber vom Bundesverfassungsgericht wieder beanstandet werden wird. "So stark wie die Ausnahmen sind, kann ich mir nicht vorstellen, dass das Verfassungsgericht das akzeptieren wird", sagte Schick im Interview mit dem Deutschlandfunk.
Er begrüße zwar, dass der neue Gesetzesentwurf Missbrauchsmöglichkeiten einschränke und sieht auch Fortschritte bei der Stundungsregelung: "Aber in der Summe bleibt es dabei, dass man bis zu 100 Prozent befreit werden kann". Damit werde weiter eine "Subventionierung des Großkapitals" betrieben, wie es auch das Bundesverfassungsgericht kritisiert hatte.
"Größere Vermögen haben immer noch einen geringeren Steuersatz als kleine - das ist einfach ungerecht", so Schick. "Das Beste wäre, ein Erbschaftssteuerrecht zu haben ohne Ausnahmen." Er hält zudem die Einführung einer allgemeinen Vermögenssteuer für richtig.
Das Interview in voller Länge:
Bettina Klein: Das Bundesverfassungsgericht hatte Druck gemacht und die Gesetzgeber aufgefordert, eine neue Regelung für die Erbschaftssteuer zu finden. Die Ausnahmen, sprich die Privilegien für Firmenerben, seien zu beträchtlich, so eine Argumentation. Auf der anderen Seite wollten Politiker der Koalition, vor allen Dingen der Union, im Interesse der Arbeitsplätze die Erben von Firmen nicht über Gebühr belasten. Zuletzt wurde noch darüber gestritten, wie der Wert eines Unternehmens eigentlich berechnet werden sollte. Der Vermittlungsausschuss fand nun in der Nacht eine Lösung; Bundesrat und Bundestag müssen dem natürlich noch zustimmen.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann von den Grünen hat die Einigung von Bund und Ländern bei der Erbschaftssteuer begrüßt. Das Ergebnis sei nach seiner Prüfung verfassungsfest und zugleich ein guter Kompromiss für unsere Familienunternehmen, so der Grünen-Politiker heute. Mit der Verständigung im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat habe die Politik Handlungsfähigkeit bewiesen.
Der Kompromiss, der heute Nacht gefunden wurde, sieht vor, dass Firmenerben auch künftig von der Erbschaftssteuer verschont bleiben, wenn sie Betrieb und Arbeitsplätze erhalten. Die Voraussetzungen dafür werden aber auf Druck des Bundesverfassungsgerichts erhöht.
Von den Grünen aus dem Bundestag gab es schon das Signal, dass man diesen Kompromiss nicht mittragen wird. Weshalb - darüber können wir jetzt sprechen mit dem finanzpolitischen Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, mit Gerhard Schick. Ich grüße Sie.
Gerhard Schick: Ja guten Tag!
"Das ist einfach ungerecht und deswegen wollen wir eine andere Lösung"
Klein: Ihr Parteifreund und Kollege aus Baden-Württemberg findet das eigentlich eine gute Lösung. Sie nicht. Weshalb?
Schick: Ich habe Zweifel, dass das vor dem Verfassungsgericht Bestand haben wird, und befürchte deshalb, dass das, was wir in den letzten Jahren ja schon in zwei Runden erlebt haben, nämlich dass es wieder eine lange Phase gibt, wo es dann eine rechtliche Unsicherheit gibt, noch mal ein Verfassungsgerichtsentscheid kommt mit noch mal neuen Aufgaben an die Politik, dass das fortgesetzt wird, und das halte ich nicht für eine gute Lösung.
Mal abgesehen davon, dass der bisherige Zustand - der würde sich ja jetzt dann nicht wesentlich ändern - fortgeführt wird, dass große Vermögen, wenn sie vererbt werden, einen geringeren Steuersatz insgesamt haben als kleinere Vermögen. Das ist einfach ungerecht und deswegen wollen wir da eine andere Lösung.
"Eine Ausnahmeregelung, die nicht mit unserer Verfassung übereinstimmt"
Klein: Die Hürden werden aber höhergelegt. Das hat das Bundesverfassungsgericht ja gefordert. Das ist jetzt offensichtlich ja passiert. Weshalb glauben Sie, dass Karlsruhe da immer noch Nein sagt oder das jetzt auch wieder kassieren wird?
Schick: Na ja. Im Verhältnis zu dem Gesetz, was heute besteht und zu dem das Bundesverfassungsgericht seine Meinung gesagt hat, kann man nicht sagen, dass insgesamt die Ausnahmen weniger werden. Was jetzt auch auf Grünen-Druck im Vermittlungsausschuss erfolgt ist, ist tatsächlich, dass das Gesetz der Großen Koalition, was ja zahlreiche Ausnahmen enthielt, verschärft worden ist. Insbesondere bei der Stundungsregelung ist da eine Korrektur erfolgt. Und es sind auch ein paar Missbrauchsmöglichkeiten bei Jachten, Oldtimern und so eingeschränkt worden. Das ist gut, dass in dieser Richtung noch was erreicht worden ist.
Aber in der Summe bleibt es dabei, dass es bis zu 100 Prozent, bis zu einer vollständigen Deckung eine Befreiung geben kann, und damit ist man nicht weit oder nach wie vor bei der Situation, die das Bundesverfassungsgericht als Subventionierung des Großkapitals bezeichnet hat, also bei einer Ausnahmeregelung, die zu groß, zu weitreichend ist, als dass sie noch mit unserer Verfassung in Übereinstimmung wäre.
"Das Beste wäre ein Erbschaftssteuerrecht ohne Ausnahmen"
Klein: Jetzt muss man erst mal abwarten, wenn die Richter noch mal sprechen sollten, was sie dann sagen. Aber interessanterweise sind Sie damit bei dem Punkt ja genau auf der Linie des FDP-Politikers Volker Wissing, der heute genau das gleiche gesagt hat bei uns im Deutschlandfunk wie Sie, nämlich Karlsruhe wird das noch mal kassieren. Da befinden FDP und zumindest Teile der Grünen sich in guter Gesellschaft, oder wie verstehen wir das?
Schick: Letztlich wird das Verfassungsgericht es entscheiden, wobei natürlich am besten wäre, jetzt ein wirklich stabiles Gesetz zu machen, wo die Zweifel ausgeräumt werden. Und das Beste wäre, ein Erbschaftssteuerrecht zu haben ohne Ausnahmen, was einfacher ist, dann auch mit niedrigeren Sätzen, weil diese ständige Verkomplizierung unseres Steuerrechts durch ganz viele verschiedene Ausnahmen macht ja die Lage insgesamt nicht besser. Deswegen glauben wir, dass man in dieser Richtung besser unterwegs wäre. Verfassungsgemäß und gerecht, das ist unsere Zielsetzung.
"Langfristig tut man damit den Betrieben auch nichts Gutes"
Klein: Es muss nun ein Kompromiss gefunden werden, denn auch CDU und CSU und vor allen Dingen die CSU muss da an Bord geholt werden, die ja in der Bundesregierung mit dabei ist. Aber es ist schon etwas erstaunlich, Herr Schick, dass die Grünen da auch ein so gespaltenes Bild abgeben. Weshalb kommen denn Ihre Kollegen in den Ländern zu einem so gegensätzlichen Ergebnis und wollen das wohlwollend prüfen, oder sind sogar relativ begeistert wie Winfried Kretschmann?
Schick: Auf Landesebene hat man andere Sachen im Blick. Zum Beispiel gab es da die Befürchtung, wenn man sich jetzt nicht einigt, dass dann das Bundesverfassungsgericht möglicherweise Teile des Erbschaftssteuerrechts oder auch das ganze Gesetz aussetzen könnte, was Einnahmeverluste gebracht hätte. Und natürlich bewerten die Länder auch, wie die wirtschaftliche Situation und die Situation der Betriebe im eigenen Land ist.
Aber ich meine, dass das insgesamt vorm Verfassungsgericht nicht Bestand haben wird und dass man damit langfristig den Betrieben auch nichts Gutes tut, denn Rechtssicherheit, Planbarkeit, einfache Gesetze, auf die man sich verlassen kann, sind eine wichtige Grundlage für erfolgreiches wirtschaftliches Handeln.
"In den Landesregierungen wird es noch mal Diskussionen geben"
Klein: Es liegt offenbar auch schon daran, dass die Grünen im Bundestag in der Opposition sind, sich aber in den Ländern an der Regierung befinden und da auch noch mal anders in die Verantwortung eingebunden sind.
Schick: Es sind sicher auch Einschätzungsfragen, wie das Verfassungsgericht reagiert hätte, wenn es jetzt nicht zu einem Kompromiss gekommen wäre, und da kann man auch unterschiedlicher Einschätzung sein. Und es ist auch bei den Fragen der Verfassungsgemäßheit so: Man weiß das natürlich erst, wenn das Verfassungsgericht wieder entschieden hat. Trotzdem bleibt es der Punkt: So stark, wie die Ausnahmen jetzt sind, kann ich mir nicht vorstellen, dass das Verfassungsgericht das akzeptieren wird, weil es ja schon die bisherigen Ausnahmen für unzulässig erachtet hat.
Klein: Herr Schick, belassen Sie es denn jetzt dabei, oder versuchen Sie, Ihre Parteikollegen in den Ländern doch noch davon zu überzeugen, dem jetzt auch wieder nicht zuzustimmen?
Schick: Ich meine, der Kompromiss ist heute Nacht getroffen worden. Jetzt müssen alle das auch noch mal gründlich anschauen. Ich gehe davon aus, dass es in den einzelnen Landesregierungen dazu auch noch mal Diskussionen geben wird. Da habe ich jetzt noch kein vollständiges Bild. Es ist ja sinnvoll, nach so einer Nachtsitzung alles noch mal gründlich anzuschauen, und da bin ich sicher, dass das alle auch noch mal tun werden.
Klein: Sie halten es nicht für ausgeschlossen, dass dieser Kompromiss auch noch mal kassiert wird und der Bundesrat dann, wo ja die Grünen auch mit das Sagen haben, das dann doch wieder kassiert?
Schick: Ich gehe davon aus, dass der Kompromiss im Bundesrat durchkommt, weiß aber jetzt nicht die einzelnen Abstimmungsverhalten der einzelnen Länder, und das ist ja auch kurz nach dem nächtlichen Kompromiss vielleicht etwas früh, das jetzt heute schon zu erwarten.
"Wir arbeiten an einer möglichst gerechten Vermögensbesteuerung"
Klein: Wir bitten um Verständnis dafür, dass unsere Hörerinnen und Hörer mutmaßlich aber auch ein gewisses Interesse an einer Einschätzung haben auch Ihrerseits.
Schick: Ja klar!
Klein: Vielleicht noch mal abschließend, Herr Schick: Wir gehen aber davon aus, die Grünen im Bundestag werden dann dagegen stimmen, wenn das so kommt, wie man das heute Nacht als Kompromiss gefunden hat. Sehen Sie dann noch irgendwelche Möglichkeiten, das in die Richtung zu verändern, wie Sie das gerade geschildert haben?
Schick: Ich gehe nicht davon aus, dass es noch mal eine weitere Runde jetzt im Vermittlungsausschuss geben wird. Aber wir werden weiter daran arbeiten, auf eine möglichst gerechte und verfassungsgemäße Vermögensbesteuerung in Deutschland zu kommen. Denn das ist schon auch eine Erwartung, die es in der Bevölkerung gibt, dass wir angesichts der großen Vermögensungleichheit auch im Steuerrecht Antworten darauf finden.
Und natürlich ist eine Grundvorgabe, dass wir uns an die Verfassung halten müssen. Ich war jetzt in dem Verfahren schon sehr erstaunt, wie vonseiten der CSU insbesondere die Vorgaben des Verfassungsgerichts doch mit einer großen Lockerheit behandelt worden sind, denn das muss ja die Grundlage sein, die Verfassung, nach der wir handeln.
"Der wachsenden Ungerechtigkeit im Vermögensbereich entgegentreten"
Klein: Da haben Sie gerade noch mal ein Stichwort geliefert, Herr Schick, nämlich Vermögenssteuer. Der FDP-Politiker Volker Wissing, um ihn noch mal zu zitieren, um ihn noch mal zu zitieren, hat heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk genau das vermutet und gesagt: Zum ersten Mal werden da private Vermögen bewertet, und das ist für ihn der Einstieg in die Vermögenssteuer. - Das ist so und das würden Sie dann auch befürworten?
Schick: Private Vermögen sind bei der Erbschaftssteuer schon immer bewertet worden. Unabhängig davon halte ich eine Vermögenssteuer für richtig, um der wachsenden Ungerechtigkeit im Vermögensbereich entgegenzutreten. Das ist aber eine Diskussion, die jetzt im Moment im Vermittlungsausschuss noch keine Rolle gespielt hat, aber das ist ein Ziel für die nächste Legislaturperiode.
Klein: Und das wird sicherlich auch noch mal interessant werden mit Blick auf mögliche Konstellationen und Koalitionen im Deutschen Bundestag. Darum geht es dann spätestens im nächsten Jahr. Für heute bedanken wir uns erst mal bei Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, zum Kompromiss bei der Erbschaftssteuer. Danke, Herr Schick, und schönen Tag noch.
Schick: Ja vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.