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Konstruktiver Journalismus
Good news are good news?

Nicht nur über Kriege, Krisen, Katastrophen berichten, nicht immer nur die Probleme aufzeigen – das ist die Grundidee eines journalistischen Ansatzes, der als konstruktiver Journalismus bezeichnet wird. Einen ersten Lehrstuhl gibt es in den Niederlanden.

Von Isabelle Klein |
    Flüchtlinge sind Dauerthema in den meisten Medien. Häufig geht es um Probleme, selten wird über positive Beispiele berichtet: Eine einseitig düstere Darstellung der Welt, meinen die Vertreter des konstruktiven Journalismus. Eine davon ist Cathrine Gyldensted:
    "Die Begegnung mit einer obdachlosen Frau hat mich zum Umdenken gebracht. Ich interviewte sie und wollte eigentlich nur wissen, wie schwer das Leben auf der Straße für sie war. Doch irgendwie brachte sie mich dazu, zu fragen, welche Inspiration sie anderen Menschen geben könnte, welche Potenziale sie hat. Ihre Antworten waren hervorragend und genau so wahr wie die Antworten darüber, was in ihrem Leben schief gelaufen war."
    Als Gyldensted begann, ihre journalistischen Gewohnheiten zu hinterfragen, hatte die Dänin schon zehn Jahre lang als Auslandskorrespondentin und investigative Journalistin gearbeitet.
    "Als mir dann klar wurde, dass ich mich jahrelang nur auf die Probleme in der Welt konzentriert hatte, da habe ich beschlossen, meine journalistischen Standards zu ändern: mich darauf zu fokussieren, was gut läuft und was man besser machen könnte. Ich wollte aufhören, Opfer zu schaffen."
    Verschiedene Lösungsansätze diskutieren, statt nur die Probleme beschreiben: Das ist ein zentraler Ansatz des konstruktiven Journalismus. Vor gut zwei Jahren entstand das erste erste konstruktive Onlinemedium "De Correspondent" in den Niederlanden (Ammerk. der Redaktion: In einer vorherigen Version dieses Beitrages und in der Audioversion heißt es, Cathrine Gyldensted habe "De Correspondent" mitgegründet. Dies ist nicht der Fall. Gründer von De Correspondent ist Rob Wijnberg.). Nach diesem Vorbild will die Online-Plattform "Perspective Daily" den konstruktiven Journalismus nun auch nach Deutschland bringen. Maren Urner ist eine der Gründerinnen:
    "Der konstruktive Journalismus stellt zusätzlich auch die Frage: Wie könnten wir weiter machen? Wir könnte es besser werden? Und diskutiert dann im Zuge dessen auch mögliche Lösungen."
    Konstruktiver Journalismus bedeute aber nicht, positiv oder nett zu berichten oder Missstände auszublenden. Urner geht allerdings davon aus, dass sich viele Nachrichtenkonsumenten von der Vielzahl der dargestellten Probleme überfordert fühlen. Die studierte Neurowissenschaftlerin verweist dazu auf das Phänomen der erlernten Hilflosigkeit aus dem Forschungsfeld der positiven Psychologie.
    "Wenn man immer wieder gesagt bekommt, dass die Kriminalität steigt oder dass es eine hohe Kriminalität gibt, einfach, weil immer darüber berichtet wird, obwohl die Kriminalität in Deutschland so niedrig wie noch nie ist, dann vermittelt man den Leuten einfach, dass dies ein steigendes Phänomen ist."
    Die konstruktiven Beiträge sollen den Leser handlungsfähig statt hilflos machen. Unvoreingenommen Interviews führen, Ursachen und Lösungen mit einbeziehen und langfristige Entwicklungen stärker berücksichtigen – um das zu tun, muss man nicht unbedingt ein konstruktiver Journalist sein.
    Aber das Reflektieren über journalistische Standards und konstruktive Elemente könnte den Journalismus voranbringen. Mit der Einrichtung eines ersten Lehrstuhls in den Niederlanden hat sich der konstruktive Journalismus ein kleines Stück etabliert. In Deutschland steckt er allerdings noch in den Kinderschuhen.