Ein Airbag für Fahrradfahrer? Was unglaublich klingt, haben Terese Alstin und Anna Haupt umgesetzt. Die Schwedinnen nennen ihre Erfindung Hövding, das schwedische Wort für "Häuptling". Terese Alstin erklärt wie sie auf die Idee kamen.
"Wir fanden heraus, dass Leute sich etwas mehr Diskretes wünschen, etwas das besser zu ihrem Aussehen passt, zum Beispiel eine Alternative, die ihre Frisur nicht zerstört. Einer meinte, es müsste unsichtbar sein. Und da haben wir über eine Lösung nachgedacht, die nicht auf dem Kopf sitzt und so kamen wir auf die Airbag-Technologie."
Ein dicker schwarzer Kragen mit Reißverschluss
Der Hoevding sieht aus wie ein dicker schwarzer Kragen mit einem Reißverschluss in der Mitte. Er ist mit 700 Gramm fast dreimal so schwer wie ein gewöhnlicher Helm. Im Nacken sitzt er etwas steif und fühlt sich wie eine Halskrause an. Neben einem Airbag samt Gas-Kartusche sind verschiedene Bewegungssensoren in den Kragen eingebaut. Ein Chip misst 200 Mal pro Sekunde deren Daten und löst im Zweifelsfall den Airbag aus. Der Kragen platzt und ein Luftkissen umschließt blitzschnell Kopf und Nacken. Das klingt einfacher als es ist.
"Das erste technische Problem, was wir lösen mussten, war der Auslöser. Wie schaffen wir es, dass der Helm weiß, dass ein Unfall passiert ist und in einer anderen Situation wiederum erkennt, was normal ist, und er sich dann nicht aufbläst. Das war der schwierigste Teil der Entwicklung."
Testfahrer trugen beim Radfahren Sensoren
Dafür sammelten die beiden Frauen in zahlreichen Versuchen zunächst Bewegungsdaten. Testfahrer trugen beim Radfahren Sensoren, um Vergleichswerte für normale Bewegungen zu erfassen: Radeln, Treppensteigen, Schlüssel aufheben. Zudem stellten Haupt und Alstin mithilfe von Stuntleuten und Crash-Test-Dummies verschiedene Unfälle nach.
Mit den gesammelten Messwerten berechneten sie ein Unfall-Modell. Damit sich der Airbag nicht unbeabsichtigt entfaltet, etwa ungetragen in der Tasche, gibt es einen Sicherheitsknopf als An- und Ausschalter. Vor der Fahrt schließt der Träger einen Druckknopf, den ernach dem Absteigen wieder öffnet.
Doch die komplexe Technik hat ihren Preis. 400 Euro kostet der Hövding und ist nach einem Unfall nicht weiter nutzbar. Alstin findet das gerechtfertigt, da der Airbag einen besonderen Schutz biete:
Preis: 400 Euro
"Gegenüber einem konventionellen Helm dämpft er drei- bis viermal so stark den Aufprall. Das ist ein großer, wichtiger Vorteil. Außerdem schützt er einen viel größeren Bereich Ihres Kopfes."
Aufgeblasen ähnelt der Airbag einem futuristischen Integral-Helm. Auch Nacken und Wangen sind geschützt ohne aber Mund, Nase oder Augen zu bedecken. Nach dem Unfall entweicht das Gas langsam über ein Ventil.
Doch ist ein Airbag sicherer als ein klassischer Fahrrad-Helm? Christiane Reckter ist Expertin für persönliche Schutzbekleidung beim TÜV Rheinland. Ohne den Hövding geprüft zu haben, hat sie einige grundsätzliche Bedenken:
"Es gibt nach wie vor Unfallsituationen, in denen ein Airbag gar nicht schützen kann, weil er nicht zur Entfaltung kommt, wo ein Helm schützt, weil er nämlich in seiner Schutzfunktion schon vorhanden ist. Das wäre nämlich der Klassiker: Frontal-Impact. Also, ich stoße auf dem Fahrradweg mit einem anderen Fahrradfahrer zusammen. Da hat der Airbag, soweit ich die Systeme kenne, bisher keine Chance."
Kein Helmersatz, aber verbesserter Schutz
Laut Reckter würde auch bei einem Zusammenprall mit einer Wand der Airbag sich nicht rechtzeitig entfalten. Daher kann für sie derzeit ein Airbag keinen Helm ersetzen. Wenn aber bisherige Helm-Muffel den Hövding tragen, verbessere das natürlich deren Schutz, meint die TÜV-Expertin.
Und genau die zu erreichen, war ja die Motivation der Hövding. Terese Alstin hofft zumindest, dass mit ihrem Produkt die Leute sich im Verkehr besser schützen, aber auch mehr Menschen vom Auto aufs Fahrrad wechseln.