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Kraftwerke in Belgien
Angst vor der schmutzigen Bombe

Belgische Kernkraftwerke werden immer mehr zum Sicherheitsrisiko - nicht nur aufgrund der veralteten Anlagen. Ein aktives Mitglied einer Terrororganisation arbeitete über Jahre hinweg als Techniker im AKW Doel, ein führender Isotopenspezialist wurde ausspioniert. In Belgien wächst die Angst vor möglichen nuklearen Anschlägen.

Von Ralph Sina |
    Das umstrittene belgische Atomkraftwerk Tihange.
    Gefahr für die Sicherheit in Europa: Kernkraftwerke in Belgien. (AFP / Belga / Eric Lalmand)
    Für die belgischen Zeitungen war es zunächst keine Nachricht. Es war die niederländische Presse die im Oktober 2014 enthüllte , dass ein belgischer Dschihaddist drei Jahre lang für Belgiens ältestes Kernkraftwerk gearbeitet hatte. Und zwar als Techniker im Hochsicherheitsbereich des AKW Doel nahe Antwerpen. Der gebürtige Marrokaner hatte alle Background-Checks, Befragungen und Sicherheitsprüfungen problemlos absolviert. Obwohl der 26 Jährige Ilyass Boughalab damals zu den besonders aktiven Mitgliedern der radikal-islamischen Terrororganisation 'Sharia 4 Belgium' gehörte.
    Regelmäßig versammelten sich Mitglieder der Terrororganisation vor dem königlichen Palais in Brüssel. Und kündigten an, das Königreich in einem Islamischen Staat zu verwandeln.
    AKW-Sicherheitstechniker Boughalab warb in seiner Freizeit für das salafistische Netzwerk und warb Kämpfer für den heiligen Krieg an. Die belgischen Sicherheitsbehörden hatten ihn im Visier. Und als der Dschihaddisten-Organisation 'Sharia 4 Belgium' in Antwerpen der Prozess gemacht wurde, tauchte der Name des Atom- Kraftwerktechnikers sogar auf der Liste der Angeklagten auf. Dennoch konnte der erklärte Symphatisant des Islamischen Staats weiter ungehindert die Sicherheitschecks im Nuklearbereich des AKW Doel durchführen. Bevor er sich dann 2014 vom belgischen Antwerpen aus als Kämpfer für den Islamischen Staat nach Syrien absetzte und sich fortan Abu Ubaydah al-Jarah al-Beljiki nannte.
    Sicherheitschecks werfen Fragen auf
    Wenige Monate später wurde der Kernkraftwerktechniker mit belgischem Pass in Syrien beim Kampfeinsatz für den sogenannten Islamischen Staat getötet. Der Fall von Ilyass Boughalab zeigt: Rissig sind nicht nur die Ummantelungen der belgischen Kernkraftwerke. Auch die Sicherheitschecks der zum Teil über Subunternehmen angeheuerten Kernkraftwerk-Techniker werfen Fragen auf. Dabei gibt es klare Indizien dafür, dass belgische IS-Unterstützer und mutmaßliche Dschihaddisten die Atomforschungseinrichtungen und deren Top-Experten in ihrem Fokus haben.
    Zum Beispiel den Direktor und Spitzenforscher eines belgischen Nuklearzentrums. Das weltweit zu den größten Produktionsanlagen für radioaktive Isotope zählt. Radioisotope werden in der Medizin zur Krebsdiagnose eingesetzt. Die Isotope sind auch ein potentielles Mittel um sogenannte schmutzige Bomben zur Verstrahlung ganzer Stadtteile zu bauen.
    Führender Isotopenspezialist wurde ausspioniert
    Das Interesse am Bau einer schmutzigen Bombe könnte erklären, warum einer der führenden belgischen Isotopenspezialisten ausspioniert wurde. Und zwar von einem der Mann, der nach Einschätzung belgischer Sicherheitsbehörden an dem Paris-Attentat beteiligt war. Und der deshalb in belgischer Untersuchungshaft sitzt. In der Wohnung dieses Terrorverdächtigen wurde ein Video gefunden. Die insgesamt zehnstündige Aufnahme wurde mit einer versteckten Kamera gemacht. Getarnt unter den Büschen im Vorgarten des renommiertesten belgischen Isotopenforschers. Offenbar um ein Bewegungsprofil des Mannes und seiner Familie zu erstellen. Vielleicht habe er ein Mitglied seiner Familie kidnappen wollen, um den Isotopenforscher zur Herausgabe von radioaktivem Material zu zwingen, sagte Nele Scheerlinck, die Sprecherin der belgischen Atomaufsicht.
    Ein Atomforscher der ausspioniert wird. Und ein Dschihaddist des IS, der jahrelang als Sicherheitstechiker in einem belgischen Atomkraftwerk arbeitete. Zwei Indizien dafür, dass die Terrororganisation an der belgischen Kernenergie interessiert sein könnte.
    Führende Terrorismusexperten wie Laura Holgate vom Nationalen US-Sicherheitsrat warnen seit langem vor der Möglichkeit, dass atomtechnisch versierte IS-Anhänger versuchen könnten, eine schmutzige Bombe zu bauen.