Lennart Pyritz: Wie hoch ist das Risiko, sich bei einem Klinikaufenthalt mit einer Krankheit zu infizieren?
Tim Eckmanns: Das geht nicht direkt aus unserer Studie hervor, aber es existieren dazu Studien, die wir auch verwendet haben. Das sind Prävalenzstudien, die in vielen europäischen Staaten durchgeführt wurden. Diese haben gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit unterschiedlich ist. In Deutschland sind es 3,5 Prozent der Patienten, die ins Krankenhaus kommen.
Pyritz: Wie viele Menschen sind denn jährlich, europaweit gesehen, von Krankenhausinfektionen betroffen?
Eckmanns: Das sind 4,1 Millionen Menschen. Bei uns in der Studie haben wir die Zahl 2,5 Millionen genannt, weil wir uns auf die sechs wichtigsten, nosokomialen Infektionen beschränkt haben. Darüber gibt es noch andere, das macht die Diskrepanz aus.
Pyritz: Das Robert Koch-Institut hat die Datengrundlage für diese Studie gemeinsam mit anderen europäischen Instituten zusammengestellt. Was für Daten sind das, woher stammen die und auf welche Erkrankungen beziehen sie sich?
Eckmanns: Grundlage der Daten bilden die Prävalenzstudien. Das ist eine Untersuchung in repräsentativen Krankenhäuser in einem Land, wo an einem Tag geguckt wurde, wie viele nosokomiale Infektionen die Patienten dort hatten. In Deutschland waren das 43. Wir haben uns beschränkt auf im Krankenhaus erworbene: Lungenentzündung, Harnweginfektionen, postoperative Wundinfektion, sowie Infektionen mit Clostridium diffizile, Neugeborenen-Sepsis und Blutstrominfektionen bei Erwachsenen.
Pyritz: Welche Folgen haben diese ermittelten Krankenhausinfektionen aus medizinischer Perspektive? Sie sprechen da von der "Krankheitslast".
Eckmanns: Dabei ist eine Überlegung bei Patienten die früher sterben, als die Lebenserwartung es hergibt, also ungefähr 80 Jahre, dass diese verlorene Lebensjahre haben. Oder, dass sie eine Krankheit hatten und davon chronische Folgen, dass sie eine Beeinträchtigung des Lebens dadurch hatten. Die Beeinträchtigung oder der frühzeitige Tod wurden aufaddiert. Bei nosokomialen Infektionen ist das noch mal besonders schwierig, weil hier immer noch eine Ko-Krankheit vorliegt. Eine erste Krankheit war der Grund war, warum jemand mit dem Gesundheitssystem kontakt hatte. Und darauf erst hat sich die nosokomiale Infektion aufgesetzt. Das ist das Komplizierte, was wir in dieser Studie allgemein berechnet haben. Um sagen zu können, wie viele Lebensjahre insgesamt verlorengegangen sind.
Pyritz: Und was waren da die Ergebnisse?
Eckmanns: Die Bevölkerung der EU verliert nur durch nosokomiale Infektionen 2,5 Millionen Lebensjahre pro Jahr. Auf 100.000 Menschen bezogen sind wären es 500 Lebensjahre. Das ist sind sehr abstrakte Zahlen. Aber verglichen mit anderen Infektionskrankheiten, verliert man an nosokomialen Infektionskrankheiten mehr Lebensjahre, als durch alle anderen Infektionskrankheiten zusammen. Das zeigt, dass das doch eine hohe Belastung ist. Viele Menschen verlieren einige Lebensjahre. Früher dachten wir immer: Nosokomiale Infektionen bekommt man besonders spät im Leben. Und deshalb betrifft es vor allem die Alten. Aber das ist nicht richtig. Auch jüngere Leute sterben daran.
Pyritz: Was sind denn eigentlich die Gründe für diese hohe Zahl an Krankenhausinfektionen? Welche Maßnahmen sollten eingeleitet werden, um die Zahlen zu senken?
Eckmanns: Man muss ganz klar sagen: Es sind nicht alle nosokomialen Infektionen vermeidbar. Das ist völlig klar. Es ist ein Teil verhinderbar, das wissen wir. Da muss man sich drum kümmern. Da sind die klassischen Methoden der Hygiene wichtig, wie Händedesinfektion oder Vorsicht bei bestimmten invasiven Maßnahmen. Für jede Infektionskrankheit gibt es da Präventionsmaßnahmen.
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