Manche Menschen neigen eher zur Gewalt, andere weniger. Die Genetik kontrolliert uns nicht, aber die Gene bestimmen mit, wer sich zum Verbrecher entwickeln wird und wer zeitlebens friedlich und gesetzestreu bleibt.
Anschaulich illustriert der Kriminologe Adrian Raine sein Sachbuch mit Geschichten aus dem Leben von Verbrechern und Serienkillern wie Jeffrey Landrigan. Als Baby im Alter von acht Monaten wurde er von einer "Bilderbuchfamilie" adoptiert und erhielt alle Segnungen des gehobenen amerikanischen Bürgertums. Dennoch nahm er Drogen, beging Überfälle und erstach im Alter von 20 Jahren einen Mann. Im Gefängnis erfuhr er, dass bereits sein biologischer Vater und auch sein Großvater Kriminelle waren und Morde verübt hatten. Ist sein Schicksal also genetisch vorprogrammiert?
Tatsächlich konnten Genetiker in den letzten Jahren Erbanlagen aufspüren, die mit erhöhter Aggressivität verknüpft sind. Träger dieser Erbanlagen sind weniger als andere in der Lage, spontane Impulse wie Wutanfälle zu kontrollieren. Noch besser lässt sich das bei der Untersuchung von Gehirnaktivitäten erkennen. Wenn eine bestimmte Region direkt hinter der Stirn weniger aktiv ist, führt das verstärkt zu aggressiven Reaktionen. Dennoch ist niemand zum Mörder geboren, stellt Adrian Raine klar. Der Titel des Buches ist deshalb mehr als irreführend.
Eindrucksvoll präsentiert der Kriminologe die biologischen Aspekte von Gewalt. Er lässt keinen Zweifel daran, dass die Biologie zum besseren Verständnis von kriminellem Verhalten beitragen kann. Aber anders als viele Vorgänger seiner Forschungsrichtung macht er nicht den Fehler, gesellschaftliche Ursachen und Hintergründe von Kriminalität kleinzureden. Er bringt beide Aspekte zusammen und zeichnet ein sehr komplexes Bild der Entstehung von Gewalt. Darin sind biologische und soziale Prozesse unauflöslich miteinander verflochten.
Adrian Raine: "Als Mörder geboren – Die biologischen Wurzeln von Gewalt und Verbrechen"Übersetzung: Hainer Kober
Verlag Klett-Cotta, 517 Seiten, 28,95 Euro
ISBN: 978-3608946734