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Mathe statt Schokolade

Trotz Krise besteht auf dem Arbeitsmarkt weiterhin Bedarf für Absolventen der sogenannten MINT-Fächer: Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Um die MINT-Quote zu steigern, werden oftmals auch ungewöhnliche Wege beschritten.

Von Philip Banse | 02.11.2009
    Die Infrastruktur steht und zeigt erste Ergebnisse, so lautet die Bilanz von Thomas Sattelberger, Personalvorstand bei der Deutschen Telekom und Vorsitzender des Industrievereins "MINT Zukunft Schaffen". Seit einem Jahr trommelt der Verein im Auftrag der Industrie für Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik:

    "Die Initiative erreicht inzwischen mit ihren Partnern mehr als drei Millionen Schüler, Studierende und Lehrer. Insgesamt investieren die Partnerinitiativen rund 100 Millionen Euro in die Unterstützung der quantitativen und qualitativen Verbesserung der MINT-Ausbildung an Schulen und Hochschulen."

    Vor allem habe der Industrieverein 1500 MINT-Botschafter gewonnen, die nun Schüler und Studenten für naturwissenschaftliche, mathematische und technische Studiengänge begeistern sollen. Wie das konkret aussehen kann, erklärt Thomas Vogt von der Deutschen Mathematiker Vereinigung:

    "Wir haben den Mathekalender im Internet, wo man statt Schokolade Matheaufgaben hinter den Türchen findet, im zweiten Jahr auch wieder mit Erfolg laufen. Ab jetzt kann man sich registrieren, ab Dezember kann man spielen und dann auch Preise gewinnen. Wir bieten Role-Models an, versuchen zu zeigen, dass auch Frauen, Wissenschaftlerinnen, sehr erfolgreich sind im Job, an der Uni, in der Schule."

    Zwar werden durch die Krise wesentlich weniger MINT-Fachkräfte gesucht: Die Zahl der offenen Stellen ist auf 44.000 gesunken, immerhin zwei Drittel weniger als im Boom-Frühjahr 2008. Das sei jedoch kein Grund zur Entwarnung, sagt Telekomvorstand Sattelberger:

    "Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft liegt der Jahresbedarf der deutschen Wirtschaft in 2015 - also unserem Zieljahr – bei 105.000 Hochschulabsolventen in den MINT-Fächern."

    Das seien also 2015 gut 20 Prozent mehr naturwissenschaftliche, technische, mathematische Uniabsolventen als heute. Um diese sogenannte MINT-Quote der Hochschulabsolventen drastisch zu erhöhen, fordert die Industrie: Die Abbrecherquote in den MINT-Fächern müsse weiter gesenkt werden. Mehr Personal und mehr Geld reiche dafür jedoch nicht aus, sagt der Vorsitzende des MINT-Vereins der deutschen Wirtschaft, Thomas Sattelberger:

    "Der Praxisbezug und die Anwendungsorientierung in der Hochschullehre haben sich wieder ein bisschen verschlechtert. Das ist jedoch aus unserer Sicht ein Schlüssel zur Attraktivität des MINT-Studiums, zum Zweiten aber auch zur Reduzierung der Abbrecherquote."

    Mehr Mathematiker, Chemiker und Maschinenbauer – dazu müssten vor allem Menschen mit Berufserfahrung, aber ohne Abi leichter studieren können. Das ist zwar heute schon möglich, aber die Hürden gelten als zu hoch. Nur einer von 100 Studierenden kommt derzeit über Berufserfahrung und Prüfung an die Uni. Diese Quote müsse von eins auf acht Prozent erhöht werden, fordert Thomas Sattelbeger:

    "Im Grund könnten wir heute durch die Erhöhung der Quote derer, die nach einer beruflichen Ausbildung studieren, von ein auf acht Prozent, unser Ziel von 103.000 Studierenden schaffen – wenn sie denn dann alle MINT studieren würden."

    Auf dem Bildungsgipfel in Dresden haben Bund und Länder beschlossen, die Hürden zum Studium ohne Abitur zu senken, erinnert Barbara Dorn, Leiterin Bildung bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Zehn Bundesländer hätten bereits die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen:

    "Nämlich für Absolventen der Berufsausbildung fachgebundenen Hochschulzugang nach zwei Jahren Berufserfahrung und für solche Bewerber mit Prüfung bei einer Fortbildungskammer den Fach ungebundenen Hochschulzugang. Aber es gibt noch Länder, die noch nicht so weit sind. Im Prinzip sind aber alle guten Willens. Manche brauchen halt länger als andere. Es wird jetzt die spannende Frage sein, das wirklich umzusetzen."