"Jetzt wird es aber laut".
Ein Laborraum des Fraunhofer-Instituts für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE) in Wachtberg bei Bonn. Der Informationstechniker Reda Zemmari hantiert an einem etwa einen Meter hohen fahrbaren Schrank. Der ist gefüllt mit Hochleistungselektronik zur Verarbeitung von Mobilfunksignalen. Obenauf thront eine Antenne mit 16 parallel angeordneten Empfangselementen.
"Die Grundidee ist simpel. Man nutzt die elektromagnetische Strahlung, die sowieso in der Luft ist. Wenn man überlegt, wie viele Sender beziehungsweise Signale in der Luft sind wie analoge Fernsehsignale, analoge Radiosignale, Mobilfunkkommunikationssignale. Das sind alles potenzielle Signale, die man für Passivradar nutzen kann, um Ziele zu detektieren."
Passivradar: Das ist die Technik, an der hier am FKIE geforscht wird. Abteilungsleiter Wolfgang Koch erklärt, worum es geht.
"Bei einem normalen aktiven Radar sind Sender und Empfänger am gleichen Ort. Bei einem Passivradarsystem ist das nicht der Fall. Das heißt, wir können auch Strahlungsquellen nehmen, die unabhängig von unserem Empfangssystem sind."
Idee des Passivradars wurde schon im Zweiten Weltkrieg verfolgt
Jede Mobilfunkstation schickt kontinuierlich Funksignale bestimmter Frequenzen aus. Diese Radiowellen werden von anderen Objekten reflektiert. Von Schiffen oder Flugzeugen zum Beispiel. Die Antennen des Passivradars fangen sowohl das Grundsignal als auch das Funkecho auf. Mit elektronischen Tricks lassen sich die Echosignale gezielt herausfiltern und dann mit Computerhilfe weiter analysieren: Mit welcher Verzögerung treffen die verschiedenen Echos ein? Aus welcher Richtung kommen sie? Um das in Echtzeit zu ermitteln, sind ausgeklügelte Rechenkünste gefragt.
"Und zwar intelligente mathematische Algorithmen, die in der Lage sind, aus sehr großen Datenmengen Informationen zu machen. Das heißt, diese Daten so zu verarbeiten, dass man am Ende weiß, an welchem Ort und mit welcher Geschwindigkeit sich Ziele bewegen."
Die Idee zu einem Passivradar ist nicht neu. Schon im Zweiten Weltkrieg hatten die Deutschen versucht, anhand passiv empfangener Echos britischer Radarsender das Anrücken feindlicher Bomberverbände zu erkennen. Genaue Positionen einzelner Flugzeuge lieferte das "Klein Heidelberg" genannte System aber nicht. Später griffen Forscher weltweit das Konzept immer wieder auf, allerdings ohne die Erwartungen erfüllen zu können. Wolfgang Koch:
"Immer scheiterte es an der Mathematik. Immer war zu wenig Rechenleistung da, die Statistik war nicht gut genug verstanden. Erst heute ist die mathematische Algorithmik und die Computerrechenleistung und auch die Kommunikationsinfrastruktur so hoch entwickelt, dass aus dem Passivradarsystem ein funktionierendes, sicheres, verlässliches System werden kann."
Die Fraunhofer-Forscher konnten bereits zeigen, dass ihre Technik funktioniert. An der Ostseeküste erfassten sie bei Tests mit einem Passivradar-Prototypen den kompletten Schiffsverkehr zwischen der Insel Fehmarn und Dänemark. Der Vergleich mit regelmäßigen GPS-Positionsmeldungen der Schiffe zeigte eine gute Übereinstimmung.
"Wenn es darum geht, Schiffe zu entdecken im Küstenbereich, Fährschiffe, Handelsschiffe – bis zu 40 Kilometer kommen wir auf Genauigkeiten bis zu 200, 300 Metern."
Für viele maritime Anwendungen sei das ausreichend, sagt Wolfgang Koch. Besonders interessant wäre der Einsatz des Passivradars an komplexen Küsten mit vielen Buchten und Fjorden, wie in Norwegen beispielsweise. Eine Überwachung mit aktivem Radar sei dort kaum möglich, weil zu teuer.
"Man müsste an allen möglichen Ecken Radarsysteme aufstellen. Aber die Mobilfunkbetreiber haben diese Küsten zum großen Teil bereits ausgeleuchtet, wenn man das so sagen darf. Und man kann diese Kommunikationsinfrastruktur jetzt leicht für die Überwachung der Küsten nutzen."