Bewerbungsfrust zum ersten:
"Also ich hab´mich einfach auf einen Job beworben. Und dann kam einfach gar nichts: Keine Rückmeldung, keine Absage. Das war schon ein ganz schön komisches Gefühl."
Bewerbungsfrust zum zweiten:
"Ich habe mich halt beworben. Und da kam keine Antwort. Im August war das – und bis jetzt. Nichts. Ich dachte halt: Die mögen mich halt nicht. Die haben was gegen mich."
Keine Reaktion auf die sorgsam formulierte Bewerbung: Das schafft Frust und, wie es Selma Rudert von der Abteilung Sozialpsychologie der Universität Basel formuliert, das Gefühl sozialer Ausgrenzung:
"Was man auf jeden Fall feststellen kann: Dass die Leute Schmerz empfinden. Interessanterweise gibt es da sogar Studien, die zeigen, dass dieser Schmerz eben wie physischer Schmerz verarbeitet wird. Dann berichten die Leute von Trauer, von Wut und eben von einer Bedrohung dieser Bedürfnisse nach Zugehörigkeit, nach Kontrolle, vor allem aber nach bedeutungsvoller Existenz."
Forschung an US-Universität
Gemeinsam mit Forschern der Universität Purdue im US-Bundesstaat Indiana hat Selma Rudert dies experimentell nachgewiesen.
"Das war zum einen erst einmal ein Experiment mit Cyberball."
Cyber-Ball – das ist ein virtuelles Ballbeispiel am Computer, bei dem sich die Teilnehmer gegenseitig die Bälle zuspielen. Im aktuellen Versuchsaufbau wurden die Rechner aber elektronisch manipuliert: Ein Teil der Testpersonen erhielt den Ball zwar immer mal wieder zugespielt. Aber:
"Da gibt es dann diese zweite Gruppe, die bekommt diesen Ball gar nicht zugeworfen. Und was dann in der Forschung im Anschluss beobachtet wird: Das ruft sehr negative Effekte und Gefühle bei denen vor: Die empfinden Schmerz, Wut, Trauer."
Die Reaktion derjenigen, die nie den Ball bekommen, ist nach Ansicht von Selmar Rudert vergleichbar mit der Reaktion derjenigen, die sich mit ihrer Bewerbung nicht ernst genommen fühlen. Bewerbungs-Frust zum Dritten:
"Ich habe mir die Mühe gemacht, eine Bewerbung zu schreiben, und habe am Nachmittag zwischen drei und vier die Bewerbung direkt dort eingeworfen. Und am nächsten Morgen kam bereits mit der Post eine Absage. Ich konnte mir vorstellen, dass die Stelle schon im Vorfeld intern vergeben war. Also ich nehme an, dass die Stelle gar nicht echt ausgeschrieben war. Das entmutigt."
Entmutigung
Doch wie heftig fällt in solchen Fällen die Entmutigung tatsächlich aus? Selmar Rudert schildert in ihrer Arbeit ein zweites Experiment:
"Was wir in dem Experiment gemacht haben: Den Leuten wurde gesagt, dass sie sich für eine bestimmte Wohnung bewerben sollen, haben sich einen kurzen Bewerbungstext geschrieben diesen auch abgeschickt."
Der Großteil der Testpersonen bekam eine Ablehnung - allerdings in höchst unterschiedlicher Form:
"Da gab es eine Gruppe, die hat eine sehr freundlich formulierte Ablehnung bekommen. Die andere eine eher neutrale. Eine Gruppe wurde regelrecht feindselig abgelehnt. Und da gab es eine Gruppe, die hat eben gar keine richtige Rückmeldung bekommen."
Danach wurden die Testpersonen befragt, wie sie sich fühlen. Das Ergebnis lässt aufhorchen:
"Und auch da sehen wir, wenn wir messen, wie sich die Leute danach fühlen, dass es gar keinen Unterschied macht, welche Art von Rückmeldung die Personen bekommen haben. Also die fühlten sich dann nach eine Weile wieder einigermaßen in Ordnung. Außer der Gruppe, die gar keine Rückmeldung bekommen hat: Die fühlte sich deutlich schlechter als die anderen im Nachhinein."
Ablehnung ist besser als nichts
Das bedeutet: Im Falle einer Bewerbung ist eine Ablehnung allemal besser verkraftbar als gar keine Reaktion.
Deshalb empfiehlt Selma Rudert von der Universität Basel allen Unternehmen, auf jede Bewerbung, und mag sie noch so ungeeignet sein, zu antworten.
"Am besten auch noch kurz auf die Gründe einzugehen, warum das der Fall war, dass eben die abgelehnten Bewerber das Gefühl bekommen: Meine Bewerbung wurde registriert. Es haben sich Leute damit beschäftigt."
"Am besten auch noch kurz auf die Gründe einzugehen, warum das der Fall war, dass eben die abgelehnten Bewerber das Gefühl bekommen: Meine Bewerbung wurde registriert. Es haben sich Leute damit beschäftigt."
Eine begründete Ablehnung verhindert aber nicht nur die gefühlte soziale Ausgrenzung des Bewerbers. Sie birgt vielmehr für die Betroffenen eine regelrechte Chance in sich:
"Es hat ja auch ein gewisses Lernpotenzial für mich, wo ich weiß, dass ich das nächste Mal dann besser machen kann."
Feed-Back Gespräche
Vor allem international aufgestellte Unternehmen haben das längst erkannt. Manche antworten nicht nur konsequent auf wirklich alle Bewerbungen, sondern gehen sogar noch einen Schritt weiter: Claus-Dieter Wehr ist Geschäftsführer der Flughafen Friedrichshafen GmbH:
"Was wir auch machen, ist: Feed-Back-Gespräche mit den Bewerbern. Das heißt: Wir rufen an oder laden sie nochmals ein und begründen unsere Entscheidung, damit er entsprechend auch eine Rückmeldung hat, warum wir uns so entschieden haben. Ich denke, das stärkt einmal den Bewerber – man weiß, wo man steht - , und als Unternehmen hat man dann auch einen Ruf, den man bekommt, auch in einer Bewerberwelt, die aus meiner Sicht nicht unwichtig ist."
Vor allem beim Wettbewerbe um die besten Köpfe wird so die Wertschätzungs-Kultur eines Unternehmens immer wichtiger – auch gegenüber abgelehnten Bewerbern.