Ursula Mense: Wir essen umweltfreundlicher. Das ist etwas verkürzt das Fazit aus einer neuen Studie der Universität Halle. Forscher haben dort repräsentative Daten aus zwei nationalen Verzehrsstudien ausgewertet und diese dann verglichen mit den offiziellen Ernährungsempfehlungen, also weniger Fleisch und mehr Gemüse, vereinfacht gesagt.
Dr. Toni Meier ist einer der Forscher und ich habe ihn vor der Sendung gefragt, was sie denn genau herausbekommen wollten.
Toni Meier: Im Grunde genommen hat uns interessiert, wie sich im Laufe der Zeit das Ernährungsverhalten der Deutschen auf die Umwelt auswirkt.
Mense: Und zu welchem Schluss sind Sie gekommen?
Meier: Wir sind zu den Ergebnissen gekommen, dass sich innerhalb der letzten 20 Jahre das Verzehrsverhalten auf die Umwelt eher positiv ausgewirkt hat. Bedingt dadurch, dass weniger Fleischprodukte, vor allem Rindfleisch innerhalb der letzten 20 Jahre verzehrt wurde, beim Gemüse und bei den Getreideprodukten ein leichter Anstieg zu verzeichnen war, hat sich das insgesamt auf die Umwelt positiv ausgewirkt.
Mense: Das heißt jetzt mal verkürzt: Wer weniger Fleisch isst, produziert weniger Methan, beziehungsweise die Kühe, und dadurch ist das Umweltverhalten positiver?
Meier: Das ist ein wesentlicher Aspekt, jawohl, weil tierische Produkte in ihren Umweltwirkungen wirklich sehr massiv sind. Ein Aspekt, der uns beispielsweise auch aufgefallen ist und der sich nicht so positiv auswirkt, ist der Verzehr von Obst und von Nüssen und Samen. Wir haben festgestellt, dass der Verzehr innerhalb der letzten 20 Jahre zugenommen hat, stellenweise auch über dem liegt, was offiziell empfohlen wird, und dadurch, das Obst zu gut 85 Prozent heutzutage nicht mehr in Deutschland produziert wird, sondern aus wärmeren südlichen Ländern kommt, das unter anderem dazu führen kann, dass Wasserprobleme sich dort verschärfen.
Mense: Das heißt, Sie haben einerseits einen positiven Aspekt, aber dann wiederum einen negativen. Wieso ist die Bilanz dann aber trotzdem positiv beziehungsweise pro umweltfreundlich im Verhalten?
Meier: Weil dieser Aspekt mit dem Wasser, das betrifft nur einen Aspekt der gesamten Umweltwirkungen, und bei den anderen Umweltwirkungen, die wir untersucht haben, sprich Treibhausgas-Emissionen, Klimawandel, Flächenverbrauch, Phosphor-Verbrauch, Energieverbrauch, da hat sich überall gezeigt, dass die Umweltwirkungen sich positiv entwickelt haben.
Mehr Obst und Gemüse verzehrt
Mense: Aber wenn ich jetzt noch mal zurückgehe auf die Ernährungsgewohnheiten, die positiv waren, weniger Fleisch essen, das ist aber das einzig wirklich Positive, was sich so niedergeschlagen hat?
Meier: Es hat sich im Grunde genommen auch positiv ausgewirkt, dass beim Gemüseverzehr und auch beim Verzehr von Getreideprodukten ein Anstieg zu verzeichnen war, der ja ein Stück weit auf Kosten des reduzierten Fleischverzehrs ging. Man kann ja nicht nur weniger essen, man muss ja auch das, was man weniger isst, durch andere Dinge kompensieren.
Mense: Aber das ist nicht an sich umweltfreundlich?
Meier: An sich nicht. An sich ist jegliche Produktion mit Umweltbelastungen verbunden. Die Frage ist nur, in welchem Verhältnis.
Mense: Spielen denn Ökolebensmittel dabei eine entscheidende Rolle, oder ist das vollkommen unerheblich?
Meier: Obwohl wir diesen Aspekt nicht quantitativ in unserer Studie untersucht haben, spielt das eine Rolle. Es zeigt sich, bedingt durch den Verzehr von Ökolebensmitteln, wenn man sich die Gesamtumweltlasten anschaut, dass man eine Umweltersparnis vielleicht von fünf bis zehn Prozent erreicht.
Mense: Das ist ja erstaunlich, denn da haben Sie ja doch den Vorteil, dass es sich meistens um regionale Produkte handelt, und Sie hätten nicht das Problem, das Sie in einem anderen Fall haben, wo Lebensmittel, vor allen Dingen Obst oder Nüsse, die Sie eben erwähnt haben, weit vom Ausland her importiert werden müssen.
Meier: Wenn das dann im Einzelfall so ist, dass die Bioprodukte, die verzehrt werden, in der Region relativ effizient produziert werden, dann ist das in der Tat so. Aber wenn man sich den globalen auch Biomarkt, den wir zurzeit haben, anschaut, dann ist es so, dass relativ viele Produkte aus dem südlichen Ausland kommen.
Mense: Bio ist nicht gleich immer umweltfreundlich?
Meier: Nicht zwangsläufig.
Mense: Nun gibt es noch einen weiteren Wermutstropfen. Was haben Sie herausgefunden in Punkto Essverhalten generell?
Viele Lebensmittel landen im Müll
Meier: Ein weiterer Aspekt, den wir uns angeschaut haben, ist das Wegwerfverhalten, sprich das Aufkommen von Abfällen aus den Nahrungsmitteln, und da mussten wir leider feststellen, dass sich innerhalb der letzten 20 Jahre das Abfallaufkommen vergrößert hat. Sprich: Es wurde verschwenderischer mit Nahrungsmitteln vor allem in den Haushalten und im Lebensmittelhandel umgegangen. Und das wirkt sich natürlich im Bezug auf unsere Ergebnisse kontraproduktiv aus. Das heißt, die insgesamt positiven Ergebnisse, die wir erreicht haben, wurden dadurch, dass wir mehr Nahrungsmittel weggeschmissen haben, ein Stück weit aufgezehrt.
Mense: Können Sie sich erklären, warum mehr weggeworfen wird?
Meier: Ich vermute mal, dass das mit der veränderten Altersstruktur in Deutschland zusammenhängt. Ende der 80er-Jahre hatten wir noch mehr Menschen, die wirkliche Mangelzeiten durchleben mussten, die eine andere Wertschätzung im Bezug auf Nahrungsmittel hatten, und Ende der 80er-Jahre waren Nahrungsmittel relativ zum Einkommen gesehen auch noch etwas teurer. Das hat, denke ich mal, in der Gänze dazu geführt, dass im Jahr 2006 nicht mehr so vernünftig mit Nahrungsmitteln umgegangen wurde, wie das früher der Fall war.
Mense: Weniger Wertschätzung, sagen Sie. Wir geben aber doch mehr Geld für Lebensmittel aus als früher?
Meier: Das mag zurzeit vielleicht so sein, dadurch, dass sich auch auf dem Acker eine gewisse Knappheit breit macht, was sich dann wieder in höheren Nahrungsmittelpreisen ein Stück weit durchschlägt. Wenn man sich aber Deutschland im europäischen Vergleich anschaut und auch im Verlauf der letzten Jahre anschaut, dann ist es so, dass die Nahrungsmittel bei uns immer noch relativ günstig sind. Wir liegen zurzeit immer noch ungefähr bei elf bis zwölf Prozent der Ausgaben, die wir für Getränke und für Nahrungsmittel ausgeben.
Mense: Dr. Toni Meier von der Universität Halle über die mit Einschränkungen umweltfreundlicheren Ernährungsgewohnheiten der Deutschen. Und wenn Sie mehr wissen wollen über das Thema, auf der Website der Universität Halle können Sie sich weiterklicken – Stichwort Toni Meier.
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