Zehn Jahre lang hat Thüringen seine Lehrer nicht mehr verbeamtet. Es gab zu viele Lehrer, Neulinge bekamen oft nur Teilzeitstellen. Allerdings gab es zunehmend Schwierigkeiten, die laut Koalitionsvertrag jährlich 500 neu zu besetzenden Lehrerstellen zu besetzen. Viele junge Absolventen ließen sich nämlich lieber in den benachbarten Bundesländern verbeamten. Zum Jahreswechsel hat die Bildungsministerin Birgit Klaubert nun verkündet, dass ab Sommer Lehrer wieder verbeamtet werden können. Rolf Busch, Vorsitzender des Thüringer Lehrerverbandes, meint, dass die Rot-Rot-Grüne Regierung gar keine andere Wahl hatte, auch wenn vor allem Linke und Grüne die Verbeamtung prinzipiell skeptisch sehen.
"Die mussten auch pragmatisch, gegen alle ideologischen Überlegungen, dass sie das nicht wollen, müssen die das jetzt umsetzen. Wir sind keine Insel, und das heißt, wenn wir wirklich sehen, dass alle Länder nach Nachwuchs suchen und sich dann die jungen Menschen die attraktiveren Bedingungen aussuchen, dann ist die Verbeamtung ein wichtiger Punkt, aber das reicht natürlich längst nicht mehr. Man kann vielleicht darüber reden, wenn plötzlich alle Bundesländer sagen, wir machen das jetzt nicht mehr. Aber im Moment ist der umgedrehte Weg, und der Lehrerarbeitsmarkt ist in den vielen Fachkombinationen einfach leer gefegt."
Mangel in Fächern wie Mathe, Physik, Musik
Zwar hat Thüringen im vergangenen Jahr die versprochenen 500 Lehrer eingestellt, aber nur zur Hälfte in den Fächerkombinationen, die eigentlich benötigt wurden. Das verschafft den Schulen zwar neue Lehrer, behebt aber nicht den Mangel in Fächern wie Mathe, Physik, Musik. Rolf Busch zeichnet ein dramatisches Bild von der Situation an Thüringer Schulen:
"Wir haben flächendeckend Probleme mit Stundentafel-Kürzungen, da gibt es eben nicht drei Stunden Englisch, sondern nur zwei oder eine; wir haben Klassenzusammenlegungen über lange Zeiten; wir hatten ja auch in Thüringen jetzt wiederholt einige Schulen, die befristet geschlossen worden und die Schüler auf eine andere Schule verteilt worden sind oder wo eigentlich nur noch ein Notprogramm läuft. Also, die Situation ist schwierig an vielen Schulen, und es sieht so aus, als ob sie nicht besser wird."
Die Hälfte der Thüringer Lehrer geht in den nächsten 10 Jahren in Rente
Denn den jährlich 500 neu eingestellten Lehrern stehen 800 ältere Kollegen entgegen, die pro Jahr in den Ruhestand gehen – und das bei steigenden Schülerzahlen. Die Hälfte der Thüringer Lehrer geht in den nächsten 10 Jahren in Rente. Die Linke würde gern schon heute mehr neue Lehrer einstellen, hat da aber SPD und Grüne gegen sich. So erhofft sich die Landesregierung mit der Verbeamtung neuer Lehrer zumindest eine bessere und größere Auswahl unter den möglichst passgenauen Bewerbern, die dann – so die Hoffnung – nicht nach Bayern oder Hessen abwandern. Auch den bereits angestellten und noch nicht verbeamteten Lehrern bis 47 Jahre will man die Verbeamtung anbieten.
Daran gibt es aber auch Kritik: Die Träger der freien Schulen sind skeptisch, weil dadurch die Attraktivität der staatlichen Schulen steigt und diese ihnen Lehrer wegnehmen könnten. Und der Präsident des Landesrechnungshofes warnt, dass die Verbeamtung allein den Mangel an Fachlehrern nicht beheben werde, das Land müsse eine bessere Personalplanung machen.
Genauen Modalitäten sollen bald geklärt werden
Der Vorsitzende des Beamtenbundes, Helmut Liebermann, findet dagegen, dass das Land mit der Verbeamtung das Richtige macht, wenn auch aus den falschen Gründen.
"Lehrer müssen nach unserer Überzeugung in jedem Falle Beamte sein, da gehören verschiedenste Argumente dazu, z. B. die Neutralität, die politische Neutralität, die gewahrt werden kann, sodass man also nicht irgendwie veranlasst werden kann, sich in eine bestimmte politische Richtung zu äußern, sodass man auch geschützt ist und auf diese Weise seinen Beruf eigenverantwortlich in politischer Verantwortung gegenüber dem Grundgesetz und nur dem Grundgesetz wahrzunehmen."
Die genauen Modalitäten der Verbeamtung will die Bildungsministerin in den nächsten Wochen klären. Die Lehrer sehen es mit Hoffnung und Skepsis, denn Ankündigungen und Dementis sind sie aus ihrem Ministerium gewohnt.