Bundesinnenminister Thomas de Maizière wollte eine Debatte anstoßen mit seinen Thesen zu einer Leitkultur für Deutschland – und zumindest das ist ihm gelungen. Wobei die Grenze von Zustimmung und Ablehnung nicht ganz klar nach Parteilinien verläuft. Freilich: Überwiegend ist das Echo in der CDU positiv. Parteivize Julia Klöckner begründet dabei ihr Lob im NDR so:
"Es geht um ein gutes Zusammenleben – dass wir deutlich machen, was für das Zusammenleben wichtig ist. Übrigens auch, dass man einander die Hand gibt und eben nicht akzeptiert, dass man Frauen nicht respektiert, wenn sie eine Lehrerin sind. Oder ihnen deshalb die Hand nicht gibt, weil sie eine Frau sind."
Auch der Baden-Württembergische Innenminister Thomas Strobl nutzt die Debatte sehr viel deutlicher als de Maizière selbst zur Abgrenzung von Entwicklungen, die er kritisiert. Die Integration der in Deutschland lebenden Türken sei gescheitert, sagt er mit Blick auf das Abstimmungsverhalten beim türkischen Verfassungsreferendum. Nur mit dem Grundgesetz sei es nicht getan, sagt auch CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Zu den Werten der deutschen Leitkultur gehöre es, dass Leistung sich lohne, dass man stolz auf schwarz-rot-gold sei.
Vergewisserung über eigene Werte nötig?
Allerdings sind es nicht nur Unionspolitiker, die freundliche Worte finden. Der Grüne Boris Palmer, Oberbürgermeister in Tübingen, hält eine Vergewisserung über die eigenen Werte gerade in Zeiten vermehrter Zuwanderung für nötig.
"Wenn Sie mich fragen, was ich an dem Land schätze, was ich gern erhalten würde, dann finde ich schon so was wie die Vorstellung von Leistungsbereitschaft, die der Minister erzählt, einer Bildungs- und Kulturnation, dass man interessiert ist an Literatur. Und ich sehe auch nicht, dass man damit andere Nationen abwertet."
Auch sein Parteifreund Winfried Kretschmann, Ministerpräsident in der schwarz-grünen Landesregierung in Stuttgart, lässt Sympathien für einzelne Thesen de Maizière erkennen, der am Wochenende zehn Punkte aufgezählt hatte, Elemente einer "Richtschnur des Zusammenlebens" in Deutschland. Für die Debatte allerdings fehlt Kretschmann das Verständnis – und für den Begriff der Leitkultur, den de Maizière verteidigt hatte.
"Meiner Ansicht nach ist der Begriff 'deutsche Leitkultur' durch vergangene Diskussionen verbrannt. Mich verwundert es, dass so ein besonnener Minister wie de Maizière nun ausgerechnet in der Bild-Zeitung diese Debatte wieder aufnimmt. Denn darüber können wir uns nicht einigen."
Am inzwischen vielfach belasteten Begriff der Leitkultur stören sich auch andere – auch in de Maizières eigener Partei. Die Diskussion sei nicht ungefährlich, befindet im Deutschlandfunk der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz, gerade wenn ein Bundesinnenminister damit quasi staatlich hervortrete.
Wunsch nach neuem Gesellschaftsbild für Deutschland
"Selbstverständlich erwarten wir, dass sich jeder, der hier lebt, an die Gesetze hält, an die Verfassung, die für diese Gesetze den Rahmen gibt. Darüber hinaus kann aber jeder nach seiner Façon, auch nach seiner kulturellen Lebensweise selig werden, wenn er damit anderen nicht schadet."
Für schädlich hält auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, die SPD-Politikerin Aydan Özoguz, die Diskussion. Und gibt im NDR Gespräche mit Deutschen der zweiten und dritten Generation wieder.
"Wir wünschen uns wirklich einmal ein ordentliches neues Gesellschaftsbild für Deutschland: Was hält uns alle zusammen? Was macht uns aus in diesem 21. Jahrhundert? Und nicht immer wieder diese Versuche, Menschen voneinander abzugrenzen und Gräben tiefer zu machen."
Unter den Punkten, die de Maizière am Wochenende in der "Bild am Sonntag" genannt hatte, sind Respekt und Toleranz, Minderheitenschutz und Stolz auf Leistung. Gewalt werde grundsätzlich nicht akzeptiert. Religion sei Kitt, nicht Keil. Daneben findet sich die Aussage, Deutschland sei eine offene Gesellschaft. Wörtlich: "Wir zeigen unser Gesicht. Wir sind nicht Burka."