Der Arbeitsplatz des Lebensmitteltechnologen Robert Stieber hat den Charme einer modernen Hexenküche. In dem Labor werden Flüssigkeiten in Glasbehältern destilliert, mittendrin steht eine kleine Malzmühle, blitzender Chrom überall. Aus einem Gefrierschrank holt Robert Stieber einen großen Plastikbeutel mit bräunlichen Blättern.
"Hier haben wir einen Beutel unserer Rotalge, die wir verwenden. Wir lagern die zur Haltbarkeit bei minus 20 Grad, und sobald wir die verbrauchen wollen, wird sie aufgetaut, geschnitten und im Fermentationsprozess eingesetzt."
Aus Algen, Malz und Milchsäurebakterien brauen Robert Stieber und seine Kollegen Algenlimonade, Algen, Hopfen und Malz ergeben ein Biermischgetränk. Dieses Forschungsprojekt ist europaweit wohl einzigartig, sagt Stieber. Mit den winzigen Mikroalgen wurde schon viel experimentiert – bisher hat jedoch wohl noch niemand versucht, Getränke aus Makroalgen zu brauen.
"Eine Makroalge kann man sich wohl am besten vorstellen: Wenn man in Gedanken über den Ostseestrand läuft und da irgendwas Komisches am Strand liegen sieht, das sind in der Regel dann die Makroalgen. Die bekannteste ist wohl die mit den Blasen am Ende, der Blasentang, den kennt wohl jeder vom Nordsee-Ostseeurlaub. Und mit solchen Organismen beschäftigen wir uns hier."
Perfekt für eine gesunde Ernährung
Mit 900.000 Euro von Land und Fraunhofer Stiftung entwickeln die Forscher hier neue Lebensmittel aus dem Meer. Algen sind perfekt für eine gesunde Ernährung, sagt Robert Stieber: Sie enthalten viel Vitamin B12 und sind damit perfekt für Veganer. Dazu kommen viele Mineralstoffe und Proteine, Algen sind kalorienarm – und nachhaltig: Schließlich wachsen sie in rauen Mengen in den Meeren.
"Getreide muss jährlich neu ausgesät werden, wird geerntet und muss neu gesät werden. Die Alge wird abgeschnitten und kann von da aus nachhaltig wieder nachwachsen. Also wir haben hier einen wesentlich reproduzierbareren Rohstoff, als es an Land zum Beispiel machbar ist."
Trotz aller Vorzüge: Der Geschmack der Algen ist eigenwillig und gewöhnungsbedürftig. Nichtsdestotrotz stehen die Chancen gut, dass die Meerespflanze in den nächsten Jahren verstärkt auf unseren Tellern landet, sagt Elke Böhme, Arbeitsgruppenleiterin des Projekts Fraunhofer Future Food:
"Zum Beispiel gibt es von Nestlé eine Zukunftsstudie, da geht es darum, was die Menschen meinen, was 2030 konsumiert wird, und dort könnten sich die Menschen auch vorstellen, Algen zu konsumieren. Allerdings nicht so wie in Japan schon als Frühstück, sondern eher verpackt in einer Form. Eventuell im Burger oder in anderen Produkten. Deswegen ist auch unser Bestreben, den Gaumen ganz langsam daran zu gewöhnen. Deswegen auch das Bier oder die Limo, um einfach auch mehr Präsenz im Kopf zu haben."
Im Nachgeschmack ein wenig salzig
Mit dem Hype um Craftbier, Superfoods und gesunde Limonaden liegen die Forscher mit Algenlimo und dem Bier voll im Trend, so die Hoffnung. Die Forscher mussten allerdings viel an Rezeptur und Brauverfahren feilen, bis die Getränke wirklich geschmeckt haben, sagt Lebensmitteltechnologe Robert Stieber – schnell schleicht sich ein unangenehmer Geschmack ein, der an Dosenchampignons erinnert. Das Algenbier schmeckt weder nach Pilzen noch nach Sushi. Stattdessen erinnert es an ein süßliches Weizenbier, nur der Nachgeschmack ist ein wenig salzig.
Olaf Klüver ist Chef einer Brauerei im nahegelegenen Neustadt in Holstein, er bringt das Bier als Kooperationspartner des Fraunhoferinstituts auf den Markt. Wie viele Algenpflanzen er für eine Flasche braucht, will er nicht verraten – das Rezept soll geheim bleiben. Vom Algenbier ist er schwer begeistert.
"Dieses Getränk ist sehr lieblich, im Gegensatz zu anderen Bieren ist es sehr wenig mit Hopfen versetzt, dafür kommt der Geschmack der Alge umso mehr raus, der Geschmack ist schon bestimmt von maritimen Sachen, aber schmeckt jetzt nicht wie Auster."