"Man ist nicht Widerstandskämpfer. Man wird es, und zwar erst dann, wenn man ... Befehle ausführen soll, die man nicht ausführen will. Dann muss man nein sagen können und muss auf seinem Nein beharren, ohne schwach zu werden. Erst das macht den Widerstandkämpfer aus."
Die da vom Widerstand spricht, hat ihn ein langes Leben lang immer wieder geleistet. Lise London, am 15. Februar 1916 im burgundischen Monceau-les-Mines als Kind spanischer Einwanderer geboren, sagt über sich selbst:
"Ich stamme aus einer sehr armen Arbeiterfamilie. Mein Vater war ein von der Staublunge geplagter Bergarbeiter. Das hat mit dazu beigetragen, dass ich mich schon ganz jung den Ideen einer besseren Welt mit mehr Brüderlichkeit zugewandt habe."
Die Hoffnung auf die "bessere Welt" verkörperte für Élisabeth Ricol, so ihr Mädchenname, die Kommunistische Partei, in deren Jugendverband sie schon mit 14 Jahren eintrat. Dort machte sie Karriere, was sich auch darin zeigt, dass die Partei die kaum 18-Jährige 1934 zur Schulung nach Moskau schickte. In der sowjetischen Hauptstadt lernte sie den Mann ihres Lebens kennen: den tschechischen Kommunisten Artur London. Ihn traf sie 1937 im Spanischen Bürgerkrieg wieder. Ihr Weg dorthin führte über Paris.
"Ich war dabei, als die Internationalen Brigaden zusammengestellt wurden. ... Am 22., 24. und 26. Oktober 1937 gingen drei große Transporte nach Albacete ab, das ... als Ausgangslager der Internationalen Brigaden diente. Mit dem dritten Transport reiste ich."
Die Internationalen Brigaden waren im Sommer 1936 die Antwort des antifaschistischen Auslands auf den Putschversuch General Francos gegen die Spanische Republik. In ihren Reihen kämpften Kommunisten, Trotzkisten, Sozialisten, Republikaner und Anarchisten aus insgesamt 53 Ländern. Auch Lise London war dabei: als Sekretärin und Dolmetscherin im Generalstab.
"Dort erlebten wir unvergessliche Szenen mit all diesen Leuten. Sie begrüßten in uns ihre Brüder, die ihnen in einem Augenblick zu Hilfe kamen, als sich Spanien völlig allein gelassen fühlte.
Der begeisterte Empfang war Ausdruck einer verzweifelten Hoffnung in einem ungleichen Kampf, den die Spanische Republik verlieren musste, weil sie außer den Brigaden kaum Hilfe aus dem Ausland bekam, wohingegen die Putschisten das nationalsozialistische Deutschland und das faschistische Italien hinter sich wussten.
Die Flucht aus dem KZ
Im Juli 1938 kehrte Lise London schwanger aus Spanien nach Paris zurück. Ihr Mann, Artur London, folgte ihr im Februar 1939. Nach der Besetzung Frankreichs durch die deutsche Wehrmacht schlossen sich beide der Résistance an. Lise avancierte zu einer der Führerinnen des Frauenwiderstandes im Großraum Paris, rief zum Aufstand auf, wurde gefasst, zum Tode verurteilt, dann zu lebenslanger Zwangsarbeit begnadigt und schließlich an die Deutschen ausgeliefert.
"Im Mai 1944 wurde sie in das KZ Ravensbrück deportiert. ... Am 21. Juli 1944 überführte die SS sie in das Außenkommando Hasag Leipzig, das ab September zum KZ Buchenwald gehörte. ... Während des Evakuierungsmarsches, der am 13. April 1945 begann, floh Lise London mit einigen Kameradinnen."
So hält ein Nachruf der "Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora" die Erinnerung an die französische Widerstandkämpferin wach. Deren Leidensweg war freilich noch nicht zu Ende. Ihr jüdischer Ehemann, Artur London, wurde 1949 stellvertretender tschechoslowakischer Außenminister und fiel im Januar 1951 einer stalinistischen Säuberung zum Opfer. Lise London verlor ihren Arbeitsplatz beim Rundfunk, leistete, um zu überleben, Schwerstarbeit in einer Fabrik, wurde gesellschaftlich isoliert und aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen. Ihren Anklägern hielt sie entgegen:
"Ich war, ich bin und ich werde Kommunistin bleiben, mit oder ohne Parteibuch."
Als solche starb sie, 96-jährig, am 31. März 2012 in Paris.