"Ich habe mich viel mit dem Funk der 70er Jahre beschäftigt und mag diese Musik sehr. Man spürt die Energie. Ich beschreibe sie so, als würde sie durch eine Art zementfarbene Linse gefiltert. Es ist mein persönlicher Umgang mit Funk, denn ich bin eben nicht Bootsy Collins oder Stevie Wonder."
Als Julie Campbell vor gut fünf Jahren mit ihrem Debütalbum auftauchte, musste man sich fast schon ein wenig Sorgen um die Engländerin machen. Ihre minimalistischen, sterilen Beats, die schrammelige Gitarre und die raue und einfache Produktion verliehen ihren Songs eine gewollte Kälte. LoneLady spürte eine emotionale Distanz zu der Welt um sie herum. Inzwischen klingt ihre Musik trotz der eintönigen Umgebung, in der sie entsteht, deutlich wärmer: Die 37-Jährige lebt nach wie vor abgeschieden in einem Betonsilo, direkt neben der Autobahn, umgeben von zementfarbenen Ruinen.
"Landschaften sind ein immer wiederkehrendes Thema auf dem Album. Zum einen textlich, zum anderen denke ich aber auch, dass ich mich so oft auf diese industriellen Landschaften beziehe, weil sie meine Psyche und meine Persönlichkeit spiegeln. Sie beeinflussen mein Aussehen und die Klänge, die ich erzeuge. Aber sobald die Musik fertig und veröffentlicht ist, steht sie jedem zur freien Interpretation zur Verfügung."
Ihr Zuhause nennt sie den "Bunker"
In diesem "Hinterland", wie es der Albumtitel sagt, hat Campbell die Songs ganz alleine in ihrer Wohnung auf einem 8-Spur-Gerät aufgenommen. Ihr Zuhause nennt sie den "Bunker" und hat ihm mit "Bunkerpop" auch einen Song gewidmet.
"Wenn ich in einem richtigen Studio bin, fühle ich mich von den dortigen Gegebenheiten eher behindert. Sie stören den Kreativitätsfluss in mir, wohingegen meine Kreativität von diesem industriellen Umfeld sehr angeregt wird. Es strahlt etwas Ruheloses aus. Manchester ist ein recht aggressiver Ort, und diese Unruhe bahnt sich ihren Weg in meine Musik."
Die Lücke zwischen aufwühlender Außenwelt und dem eigenen Innenleben wird in der Musik von einer alten Bekannten zusammengehalten: Campbell benutzt, wie auch auf dem Vorgängeralbum, durchgehend eine Drum-Machine, die das Tempo für die Songs vorgibt. Die konstanten Beats nehmen Gitarre und Bass wie Vater oder Mutter an die Hand und führen LoneLady sicher durch ihre Stücke.
"Sie haben eine Art meditative Qualität. Daher mag ich simple Rhythmen und nicht so sehr diese vertrackten "glitchy" Beats. Mir gefallen Rhythmen, die gerade und stur ablaufen und dadurch eine hypnotische Wirkung entfalten, die zugleich besänftigend und anregend ist."
Von Manchester nach Michigan
Den Gitarren und Bässen auf dem Album wird eine ganz andere Rolle zugeschrieben. Sie verleihen den Songs den Groove, den Funk, an manchen Stellen auch mit der nötigen Härte, die eine so trostlose Umgebung einfordert.
"Ich liebe Industrial Musik. Cabaret Voltaire, Throbbing Gristle, sogar Glenn Branca. In dem Song "Flee!" hört man diese hässlichen zusammenhangslosen, scheppernden Gitarrenklänge. Mir ging es darum, metallische Texturen zu erschaffen und die Gitarre zu dekonstruieren."
Ganz gelungen ist ihr diese Dekonstruktion dann aber doch nicht. Denn LoneLady hat für die End-Produktion des Albums die professionelle Hilfe eines Aufnahmestudios in Anspruch genommen. Dafür reiste sie extra in die USA. Das eher introspektive Leben der Julie Campbell aus Manchester wurde in dieser Zeit also um die Weite der Felder von Michigan bereichert. Das tat ihr und dem Album so gut, dass sie anscheinend sogar Blut geleckt hat.
"Ich will jedenfalls nicht für den Rest meines Lebens in Manchester bleiben. Ich habe das Gefühl, diese Stadt auf kreative Art mittlerweile ausreichend erkundet zu haben, und würde gerne ein neues Kapitel aufschlagen, an einem anderen Ort mit neuen Impulsen."