"Ein guter Flugloste muss in der Lage sein, sich ständig zu konzentrieren. Selbst wenn mal längere Zeit nichts los ist, muss er dann in der Lage sein, sofort von 0 auf 100 umzuschalten. Er muss ein räumliches Vorstellungsvermögen haben. Er muss ein gutes Gedächtnis haben. Er muss gut Englisch könne, und er muss vor allem, auch wenn es hektisch wird, gelassen bleiben."
Frankfurt am Main: Auf dem größten deutschen Flughafen herrscht bei den Lotsen im Tower gespannte Routine. Acht Stunden Dienst schieben sie hier pro Tag, zwei Stunden Ruhezeit inbegriffen. Täglich werden allein in Frankfurt 1500 so genannte Flugbewegungen betreut, jeder Lotse ist also pro Schicht für 300 bis 400 Flüge zuständig.
Rund 5300 Mitarbeiter, darunter 1800 Fluglotsen, zählt die Deutsche Flugsicherung. Sie sollen dafür sorgen, dass der Flugverkehr hierzulande auf den Flughäfen, aber auch am Himmel, reibungslos verläuft. Eine anspruchsvolle Aufgabe, denn Deutschland zählt zu den verkehrsreichsten Gebieten der Welt. 8000 Flüge pro Tag zählt die Statistik, knapp drei Millionen Flugbewegungen waren es allein 2006 - Tendenz weiter steigend, denn der globale Flugverkehr verbucht gewaltige Zuwachsraten:
"In den 70er Jahren hatten wir ungefähr ein Drittel des Flugverkehrsaufkommens, das wir heute haben. Und damals haben wir schon gesagt: Wie soll das weitergehen, dass kann so gar nicht funktionieren? Irgendwann kommen wir an eine Grenze. Mittlerweile haben wir dreimal soviel Flugverkehr. Und es läuft besser als damals. Wir werden neue Techniken bekommen, die den Fluglotsen unterstützen. Sie werden ihn nicht ablösen, aber er wird immer mehr durch die Technik unterstützt","
erklärt Axel Raab, Pressesprecher der Deutschen Flugsicherung DFS. Und doch stößt auch die bisherige Technik angesichts des wachsenden Luftverkehrs an ihre Grenzen. Die Verspätungen am europäischen Flughimmel häufen sich. Die langen Warteschleifen kosten die Passagiere Zeit und die Gesellschaften viel Geld, meint Hartmut Fricke, Leiter des Instituts für Luftfahrt und Logistik an der Technischen Universität Dresden:
""Europaweit wird zurzeit der gesamte Kostenblock auf 4,5 Milliarden Euro geschätzt, der vermeidbar wäre. Von diesen 4,5 Milliarden Euro rechnet man allein zwei Milliarden Euro den so genannten Ground Delays zu, das heißt Verzögerungen, die bereits am Boden stattfinden. Das sind aber auch, wie man sagt, Ineffizienzen in der Flugmission. Das heißt, die Flugwege, die Flughöhen und Strecken können nicht ideal gewählt werden, weil viele Restriktionen herrschen."
So gibt es in Europa mehr als 58 zivile und militärische Flugsicherungen, die mit 22 unterschiedlichen Betriebssystemen arbeiten. Die Flugstraßen sind zudem nicht nach Verkehrsaufkommen, sondern nach Landesgrenzen organisiert. Allein auf dem rund 1200 Kilometer langen Weg von Brüssel nach Rom muss ein Pilot neun Kontrollzentren passieren.
Die EU-Kommission hat 2004 einen weiteren Anlauf genommen, den kleinteiligen Luftraum neu zu strukturieren. Ein Single European Sky, ein einheitlicher Europäischer Luftraum, soll in den nächsten Jahren entstehen, für den sich auch die Lufthansa schon seit langem stark macht. Der Leiter der Konzernpolitik, Thomas Kropp:
"Ein Single European Sky, eine Europäische Flugsicherung, hat ein Verbesserungspotenzial für alle von drei Milliarden im Jahr. Ich rede hier von Einsparungen beim Kerosin, und ich rede hier auch - das ist in diesen Zeiten besonders wichtig - von einem erheblichen Einsparungspotenzial bei CO2 . Wir reden hier von zwölf Prozent Verbesserungspotenzial."
Die Vorteile für ein solches Projekt liegen auf der Hand. Und trotzdem kommt es nur schleppend voran. Dabei wird seit Jahrzehnten versucht, die Barrieren am Himmel einzureißen, den Luftverkehr in Europa zu modernisieren. Doch auch die 1960 gegründete Europäische Organisation zur Sicherung der Luftfahrt, kurz Eurocontrol, brachte bis heute keine nennenswerten Fortschritte, erklärt Luftfahrtexperte Fricke:
"Da war die Vision gespannt worden, dass in der Tat eine Institution europäische Flugsicherung machen könnte. Dies hat man nicht erreichen können aufgrund der nationalen Bedürfnisse und auch Eigenarten bezüglich der Lufthoheit, so dass Eurocontrol heute dieses nicht tut bis auf den Kontrollbereich Maastricht. Das bedeutet, Eurocontrol ist nicht die Antwort, sondern dies wäre dann bis 2011/2012 der so genannte Einheitliche Europäische Luftraum mit standardisierten Systemen, aber auch einheitlich ausgebildeten Lotsen und Piloten."
Es ist wie in vielen Politikbereichen der Europäischen Union. Die Mitgliedsländer tun sich schwer, Kompetenzen und Zuständigkeiten abzugeben. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund nationaler Empfindlichkeiten plant deshalb die Europäische Union bei der Verwirklichung des Single European Sky in sehr langen Zeiträumen, erklärt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Verkehrsexperte der Union, Hans-Peter Friedrich:
"Die Richtlinien sind verabschiedet, lassen aber sehr viele nationale Spielräume, also die Nationalstaaten können selbst entscheiden, wie weit sie gehen wollen in der Zusammenarbeit mit den Nachbarn."
In der Endstufe des Einheitlichen Europäischen Luftraumes sollen die zahlreichen nationalen Flugsicherungen weitgehend der Vergangenheit angehören, ihre Zahl soll erheblich verkleinert werden. Wie in den USA soll es große länderübergreifende Luftraumblöcke, so genannte Functional Airspace Blocks, geben, die allein auf die größtmögliche Effizienz ausgerichtet sind.
Gerade für die Deutsche Flugsicherung DFS, die als eine der sichersten weltweit gilt, eine vielversprechende Wachstumsperspektive, betont Pressesprecher Raab:
"Es könnte durchaus sein, dass die DFS irgendwann mal im heutigen Ausland kontrolliert und umgekehrt, dass Flugsicherungsorganisationen aus dem Ausland in Deutschland oder Teile Deutschlands kontrollieren. Auch dafür ist es wichtig, dass das Grundgesetz geändert wird. Momentan wäre das nach geltender Grundlage nicht möglich."
Denn das Grundgesetz macht an dieser Stelle strenge Vorgaben. Nach Artikel 87d muss die Luftverkehrsverwaltung in bundeseigener Verwaltung geführt werden. Das heißt, bis heute ist die deutsche Flugsicherung zu 100 Prozent in Bundesbesitz, obwohl sie nach einer ersten Organisationsreform Anfang der 90er Jahre in eine privatrechtliche GmbH umgewandelt worden ist.
Hier sieht die große Koalition Handlungsbedarf. Nur mit einer Kapitalprivatisierung, also dem Verkauf an private Investoren, so das Credo von Union und SPD, aber auch der FDP, könne die Deutsche Flugsicherung im künftigen Wettbewerb mit den anderen europäischen Flugsicherungen bestehen. Nur eine Privatisierung, so der Verkehrsexperte der Union, Friedrich, verschaffe der Flugsicherung die notwendige Bewegungsfreiheit und Kapitalausstattung, um ihre Geschäfte auszuweiten und die Zusammenarbeit mit anderen Flugsicherungen auszubauen:
"Wir haben momentan in Deutschland die Situation, dass die Deutsche Flugsicherung als bundeseigenes Unternehmen zu 100 Prozent dem Bund gehört, unter der Knute des deutschen Haushaltsrechtes steht. Das heißt, es sind praktisch Kooperationen, gemeinsame Gesellschaften, Fusionen mit europäischen Nachbarunternehmen, nicht möglich."
Doch im ersten Anlauf ist die Große Koalition mit ihren Plänen im Herbst letzten Jahres kläglich gescheitert. Bundespräsident Horst Köhler wollte das bereits vom Parlament beschlossene Gesetz aus Verfassungsbedenken nicht unterschreiben. Sein Haupteinwand: Nach der aktuellen Rechtslage ist die Flugsicherung eine sonderpolizeiliche Aufgabe des Staates, die hoheitlich durch den Staat wahrzunehmen ist und nicht etwa durch private Unternehmen.
Allerdings lehnte Köhler die Privatisierung nicht grundlegend ab. Der Bundespräsident ließ Union und SPD ein Hintertürchen offen. Mit einer Verfassungsänderung könnte die Regierung den zunächst geplanten Teilverkauf der Flugsicherung umsetzen. Ein Weg, so der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Uwe Beckmeyer, den die Große Koalition jetzt in einem zweiten Anlauf beschreiten will, obwohl die Vorbehalte innerhalb der Unionsfraktion gerade gegenüber einer Verfassungsänderung groß sind:
"Nun muss man sagen: Das Grundgesetz hat ja verschiedene Qualitäten. Das ist nicht die Qualität, dass wir unsere Grundrechte in irgendeiner Art angreifen. Nun sagt Europa: Freunde, ihr müsst aber den Wettbewerbsgedanken stärker in den Vordergrund schieben, und nun sagen wir ja."
Die Bedenken des Bundespräsidenten haben gleichzeitig eine neue Debatte über die Verhältnismäßigkeit bei der Privatisierung öffentlicher Aufgaben angestoßen. Welche Zuständigkeiten soll der Staat abgeben, welche sollte er behalten?
Gerade bei einem so sensiblen Bereich wie der Flugüberwachung und damit der Sicherheit im Luftraum eine wichtige Diskussion: Nach dem tragischen Zusammenstoß zweier Flugzeuge über dem Bodensee, für den die zuständige Flugsicherung Skyguide mitverantwortlich war, hat sie neue Brisanz bekommen. Die Position der Gewerkschaft der Flugsicherung ist in dieser Frage eindeutig. Ihr Sprecher Marek Kluzniak:
"Wir lehnen diese Kapitalprivatisierung rundweg ab. Hier geht es um die Sicherheit am deutschen Himmel. Das ist eine Kernaufgabe des deutschen Staates, für den er verantwortlich ist und der in keinem Fall privatisiert werden darf an eine private Firma, die wirtschaftliche Interessen vertritt."
Zumal die EU-Kommission bei der Verwirklichung eines einheitlichen europäischen Luftraumes nicht auf einer Privatisierung der nationalen Flugsicherungen besteht. Union und SPD halten aus Wettbewerbsgründen dennoch an der Privatisierung fest, und der Rahmen ist längst abgesteckt: Zunächst soll die Privatisierung durch eine Grundgesetzänderung vorbereitet werden. In einem zweiten Schritt folgt dann das eigentliche Privatisierungsgesetz.
Ein in Auftrag gegebenes Gutachten des Staatsrechtlers Joachim Wieland hat für die konkrete Umsetzung mehrere Modelle zur Auswahl gestellt. Allerdings hat sich die Koalition grundsätzlich darauf verständigt, den Eingriff in die Verfassung so klein wie möglich zu halten.
Die Entscheidung ist deshalb auf das so genannte Verwaltungsmodell gefallen. Danach bleibt die Flugsicherung zwar Teil der öffentlichen Verwaltung. Das operative Geschäft kann jedoch durch private Firmen abgewickelt werden. Bei dem so genannten Dienstleistungsmodell wäre die Flugsicherung als rein privatwirtschaftlich erbrachte Dienstleistung organisiert und nicht mehr Teil der Verwaltung. So weit aber wollte die Große Koalition nicht gehen, betont SPD-Verkehrsexperte Beckmayer, zumal es auch starke sicherheitspolitische Einwände gegen das Dienstleistungsmodell gegeben habe:
"Hier würde ja die Flugsicherung total aus der öffentlichen Verwaltung herausgelöst. Das hätte sicherlich Probleme, wie: Wir haben eine integrierte Flugsicherung, eine zivile und militärisch integrierte Flugsicherung. Und das ist auch sehr vorteilhaft. Und ich glaube, dass da der Verteidiger oder die davon Betroffenen aus diesem Bereich sicherlich ihr Veto bringen würden. Und das möchte ich vermeiden, dass das auseinanderfällt."
Es ist also auch der Weg des geringsten Widerstandes, den die Koalition hier gehen will. Demnach dürfte in Artikel 87d des Grundgesetzes der Begriff "bundeseigene Verwaltung" durch "Bundesverwaltung" ersetzt werden. Diese Änderung hätte zur Folge, dass die Flugsicherung weiterhin Teil der öffentlichen Verwaltung bleibt.
Für die Ausübung des operativen Geschäfts könnte dann allerdings die Deutsche Flugsicherung über die notwendige Hoheitsgewalt verfügen, über die wiederum der Staat mit weitreichenden Kontroll- und Eingriffsrechten wachen würde, betont der Verkehrsexperte der Union, Hans-Peter Friedrich:
"Das heißt ganz konkret, dass wir soweit gehen können, die DFS zu 100 Prozent zu privatisieren. Dass wir aber gleichzeitig jede Flugsicherungsgesellschaft, die in Deutschland tätig wird, von Deutschland beauftragt wird, Flugsicherung wahrzunehmen, sehr eng und sehr streng kontrolliere, was die Sicherheitsstandards angeht, was die zivil-militärische Zusammenarbeit angeht, was die Qualität der Flugsicherung angeht. Das alles muss jetzt in diesem Gesetzgebungsverfahren geregelt werden."
So müssen die privaten Flugsicherungsorganisationen, die künftig mit Dienstleistungen beauftragt werden, im Gegensatz zum ursprünglichen Gesetz ihren Sitz und die Betriebsstätten in Deutschland haben. Auf diesem Weg soll die Kontrolle des neuen Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung sichergestellt werden.
Ohnehin soll die künftige Kontrollbehörde mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet werden. Das zumindest schreibt der bisherige Gesetzentwurf aus dem Verkehrsministerium fest: Der Geschäftsführer der Flugsicherung kann im Zweifel abberufen werden, und im Krisenfall darf der Verteidigungsminister Anweisungen erlassen. Marek Kluzniak, der Sprecher der Fluglotsengewerkschaft, traut der neuen Kontrollbehörde dennoch nicht allzu viel zu:
"Erstens, sie wird finanziell, personell und auch materiell vollkommen unterdimensioniert sein. Dafür hat die DFS schon im Vorfeld durch ihr Lobbying gesorgt. Nur zum Vergleich: Die britische Flugsicherung Nats, die ebenfalls als einzige in Europa privatisiert ist, hat dort mit einem Aufsichtsamt zu tun, das 200 Personen umfasst. In Deutschland will man gerade einmal 60 Stellen schaffen, also gerade mal weniger als ein Drittel dieser Aufsichtsbehörde."
Die Politik sieht dies freilich anders. Sicherheit und strenge Vorgaben durch das Aufsichtsamt, so das Credo bei Union und SPD, hätten absolute Priorität. Und dennoch ist ein Interessenkonflikt zwischen Investoren auf der einen und der Flugsicherung auf der anderen Seite unverkennbar. Kapitalgeber hoffen auf eine möglichst hohe Rendite, die Flugsicherung sieht sich vorrangig der Sicherheit verpflichtet.
Ursprünglich wollte die Große Koalition 74,9 Prozent der Flugsicherung verkaufen bei einem geschätzten Erlös von rund 1 Milliarde Euro. Wie hoch der Anteil beim zweiten Anlauf zur Kapitalprivatisierung sein wird, ist derzeit noch unklar.
Die möglichen Investoren sind dagegen schon ausgemacht. Ein Konsortium von deutschen Fluggesellschaften soll bei der Flugsicherung einsteigen - ein Konzept, das bereits bei der Privatisierung der britischen Flugsicherung erfolgreich angewendet worden ist. Trotz des gescheiterten Anlaufs im letzten Jahr steht die Lufthansa weiterhin für eine Beteiligung bereit, bekräftigt der zuständige Leiter für die Konzernpolitik, Thomas Kropp:
"Wir haben uns auch mit zehn Prozent an der Fraport beteiligt. Das heißt, das, was wir in der Initiative Luftverkehr für Deutschland schon mit Lufthansa, mit mehreren Airports, vor allem Frankfurt und München, mit der deutschen Flugsicherung vorleben, das heißt, uns als Luftverkehrsindustrie zu sehen, die im Wettbewerb ist auch mit einer französischen und englischen Luftverkehrsindustrie, da können wir hier Effizienzsteigerungen viel besser durchsetzen mit den Erfahrungen, die wir in der Privatisierung selbst gewonnen haben."
Doch Tatsache ist: Lufthansa möchte wie andere Airlines auch bei für sie wichtigen Entscheidungen mitreden oder besser noch mit gestalten können. So klagen die Fluggesellschaften über die hohen Gebühren der DFS. Auch Verkehrsexperte Fricke von der Universität Dresden sieht hier noch erhebliche Verbesserungspotenziale:
"Wir können feststellen, dass eben ein Kilometer kontrollierter Flugweg in Europa etwa 76 Cent kostet. Und diese Summe ist etwa doppelt so hoch als jene, die in den USA erforderlich ist. Deswegen können wir also jetzt schon feststellen, dass es offenkundig Effizienzpotenzial gibt. Und von daher ist es berechtigt zu fordern, dass die Produktivität des Flugsicherungssystems steigen muss im Kostenbewusstsein."
Hier dürften die neuen Eigner der DFS also sicherlich Druck ausüben, auch wenn Kropp das Thema bei der anstehenden Privatisierung und dem damit verbundenen Einstieg des Konzerns hinten an stellt:
"Wir hoffen vielleicht auf sinkende Gebühren durch eben diese Effizienzsteigerung. Aber wir sehen das jetzt sozusagen als eine Schrittfolge. Wir glauben, wenn man Effizienzsteigerungen durchsetzt, dann kann man sich wettbewerbsfähiger machen. Das hat natürlich auch zur Folge, dass die Gebühren dann durch diese Effizienzsteigerungen sinken können. Aber das ist natürlich ein Prozess in mehreren Schritten."
Ohnehin hätten die Wirtschaftsverbände, auch die DFS, die Flugsicherung gerne vollständig aus der öffentlichen Verwaltung herausgelöst. Denn nur so kann die Flugsicherung bei der geplanten Bildung von länderübergreifenden Luftraumblöcken eine tragende Rolle spielen. Dies werde mit dem anvisierten Verwaltungsmodell nicht möglich sein, kritisiert der Verkehrsexperte der Liberalen, Horst Friedrich:
"Ich kriege ja, und das ist auch Teil von Single European Sky, die Schaffung funktionaler Luftraumblöcke, die die nationalen Grenzen abschafft. Und auch aus dem Grund heraus muss ich mir Gedanken machen, was will ich mit einer Deutschen Flugsicherung. Wenn ich sie weiter als bundeseigene Verwaltung führen möchte, dann darf sie auch Flugsicherung nur innerhalb unserer Grenzen, und zwar ausschließlich, vornehmen. Ich ändere aber nicht das Grundgesetz, um am Ende des Verfahrens zunächst ein Verwaltungsmodell zu haben, um dann vielleicht irgendwann noch mal ändern zu müssen, unter Umständen, um dann das Dienstleistungsmodell zu kriegen. Also wenn ich das Grundgesetz schon ändere, dann richtig."
Deshalb werde die FDP der anstehenden Grundgesetzänderung auch nicht zustimmen. Tatsächlich könnte die Bundesregierung in den nächsten Jahren durchaus unter Zugzwang kommen, das Grundgesetz erneut zu ändern. In Brüssel hat die Kommission aufmerksam registriert, dass die EU-Staaten die Umsetzung von Single European Sky nur schleppend vorantreiben. Deshalb gibt es Überlegungen, den Druck weiter zu verstärken.
Die Erfahrung zeigt - das wird dauern. Für Union und SPD heißt die Devise nach dem Einspruch des Bundespräsidenten "nichts überstürzen", zumal sich das favorisierte Verwaltungsmodell auch zeitlich schneller umsetzen lässt. Noch in diesem Sommer soll die Kabinettsvorlage stehen, spätestens im kommenden Jahr das Gesetz zur Privatisierung der Deutschen Flugsicherung verabschiedet sein. Auf dem langen Weg hin zur Verwirklichung eines Einheitlichen Europäischen Luftraumes wäre dies dennoch nur ein Etappenerfolg.
Frankfurt am Main: Auf dem größten deutschen Flughafen herrscht bei den Lotsen im Tower gespannte Routine. Acht Stunden Dienst schieben sie hier pro Tag, zwei Stunden Ruhezeit inbegriffen. Täglich werden allein in Frankfurt 1500 so genannte Flugbewegungen betreut, jeder Lotse ist also pro Schicht für 300 bis 400 Flüge zuständig.
Rund 5300 Mitarbeiter, darunter 1800 Fluglotsen, zählt die Deutsche Flugsicherung. Sie sollen dafür sorgen, dass der Flugverkehr hierzulande auf den Flughäfen, aber auch am Himmel, reibungslos verläuft. Eine anspruchsvolle Aufgabe, denn Deutschland zählt zu den verkehrsreichsten Gebieten der Welt. 8000 Flüge pro Tag zählt die Statistik, knapp drei Millionen Flugbewegungen waren es allein 2006 - Tendenz weiter steigend, denn der globale Flugverkehr verbucht gewaltige Zuwachsraten:
"In den 70er Jahren hatten wir ungefähr ein Drittel des Flugverkehrsaufkommens, das wir heute haben. Und damals haben wir schon gesagt: Wie soll das weitergehen, dass kann so gar nicht funktionieren? Irgendwann kommen wir an eine Grenze. Mittlerweile haben wir dreimal soviel Flugverkehr. Und es läuft besser als damals. Wir werden neue Techniken bekommen, die den Fluglotsen unterstützen. Sie werden ihn nicht ablösen, aber er wird immer mehr durch die Technik unterstützt","
erklärt Axel Raab, Pressesprecher der Deutschen Flugsicherung DFS. Und doch stößt auch die bisherige Technik angesichts des wachsenden Luftverkehrs an ihre Grenzen. Die Verspätungen am europäischen Flughimmel häufen sich. Die langen Warteschleifen kosten die Passagiere Zeit und die Gesellschaften viel Geld, meint Hartmut Fricke, Leiter des Instituts für Luftfahrt und Logistik an der Technischen Universität Dresden:
""Europaweit wird zurzeit der gesamte Kostenblock auf 4,5 Milliarden Euro geschätzt, der vermeidbar wäre. Von diesen 4,5 Milliarden Euro rechnet man allein zwei Milliarden Euro den so genannten Ground Delays zu, das heißt Verzögerungen, die bereits am Boden stattfinden. Das sind aber auch, wie man sagt, Ineffizienzen in der Flugmission. Das heißt, die Flugwege, die Flughöhen und Strecken können nicht ideal gewählt werden, weil viele Restriktionen herrschen."
So gibt es in Europa mehr als 58 zivile und militärische Flugsicherungen, die mit 22 unterschiedlichen Betriebssystemen arbeiten. Die Flugstraßen sind zudem nicht nach Verkehrsaufkommen, sondern nach Landesgrenzen organisiert. Allein auf dem rund 1200 Kilometer langen Weg von Brüssel nach Rom muss ein Pilot neun Kontrollzentren passieren.
Die EU-Kommission hat 2004 einen weiteren Anlauf genommen, den kleinteiligen Luftraum neu zu strukturieren. Ein Single European Sky, ein einheitlicher Europäischer Luftraum, soll in den nächsten Jahren entstehen, für den sich auch die Lufthansa schon seit langem stark macht. Der Leiter der Konzernpolitik, Thomas Kropp:
"Ein Single European Sky, eine Europäische Flugsicherung, hat ein Verbesserungspotenzial für alle von drei Milliarden im Jahr. Ich rede hier von Einsparungen beim Kerosin, und ich rede hier auch - das ist in diesen Zeiten besonders wichtig - von einem erheblichen Einsparungspotenzial bei CO2 . Wir reden hier von zwölf Prozent Verbesserungspotenzial."
Die Vorteile für ein solches Projekt liegen auf der Hand. Und trotzdem kommt es nur schleppend voran. Dabei wird seit Jahrzehnten versucht, die Barrieren am Himmel einzureißen, den Luftverkehr in Europa zu modernisieren. Doch auch die 1960 gegründete Europäische Organisation zur Sicherung der Luftfahrt, kurz Eurocontrol, brachte bis heute keine nennenswerten Fortschritte, erklärt Luftfahrtexperte Fricke:
"Da war die Vision gespannt worden, dass in der Tat eine Institution europäische Flugsicherung machen könnte. Dies hat man nicht erreichen können aufgrund der nationalen Bedürfnisse und auch Eigenarten bezüglich der Lufthoheit, so dass Eurocontrol heute dieses nicht tut bis auf den Kontrollbereich Maastricht. Das bedeutet, Eurocontrol ist nicht die Antwort, sondern dies wäre dann bis 2011/2012 der so genannte Einheitliche Europäische Luftraum mit standardisierten Systemen, aber auch einheitlich ausgebildeten Lotsen und Piloten."
Es ist wie in vielen Politikbereichen der Europäischen Union. Die Mitgliedsländer tun sich schwer, Kompetenzen und Zuständigkeiten abzugeben. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund nationaler Empfindlichkeiten plant deshalb die Europäische Union bei der Verwirklichung des Single European Sky in sehr langen Zeiträumen, erklärt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Verkehrsexperte der Union, Hans-Peter Friedrich:
"Die Richtlinien sind verabschiedet, lassen aber sehr viele nationale Spielräume, also die Nationalstaaten können selbst entscheiden, wie weit sie gehen wollen in der Zusammenarbeit mit den Nachbarn."
In der Endstufe des Einheitlichen Europäischen Luftraumes sollen die zahlreichen nationalen Flugsicherungen weitgehend der Vergangenheit angehören, ihre Zahl soll erheblich verkleinert werden. Wie in den USA soll es große länderübergreifende Luftraumblöcke, so genannte Functional Airspace Blocks, geben, die allein auf die größtmögliche Effizienz ausgerichtet sind.
Gerade für die Deutsche Flugsicherung DFS, die als eine der sichersten weltweit gilt, eine vielversprechende Wachstumsperspektive, betont Pressesprecher Raab:
"Es könnte durchaus sein, dass die DFS irgendwann mal im heutigen Ausland kontrolliert und umgekehrt, dass Flugsicherungsorganisationen aus dem Ausland in Deutschland oder Teile Deutschlands kontrollieren. Auch dafür ist es wichtig, dass das Grundgesetz geändert wird. Momentan wäre das nach geltender Grundlage nicht möglich."
Denn das Grundgesetz macht an dieser Stelle strenge Vorgaben. Nach Artikel 87d muss die Luftverkehrsverwaltung in bundeseigener Verwaltung geführt werden. Das heißt, bis heute ist die deutsche Flugsicherung zu 100 Prozent in Bundesbesitz, obwohl sie nach einer ersten Organisationsreform Anfang der 90er Jahre in eine privatrechtliche GmbH umgewandelt worden ist.
Hier sieht die große Koalition Handlungsbedarf. Nur mit einer Kapitalprivatisierung, also dem Verkauf an private Investoren, so das Credo von Union und SPD, aber auch der FDP, könne die Deutsche Flugsicherung im künftigen Wettbewerb mit den anderen europäischen Flugsicherungen bestehen. Nur eine Privatisierung, so der Verkehrsexperte der Union, Friedrich, verschaffe der Flugsicherung die notwendige Bewegungsfreiheit und Kapitalausstattung, um ihre Geschäfte auszuweiten und die Zusammenarbeit mit anderen Flugsicherungen auszubauen:
"Wir haben momentan in Deutschland die Situation, dass die Deutsche Flugsicherung als bundeseigenes Unternehmen zu 100 Prozent dem Bund gehört, unter der Knute des deutschen Haushaltsrechtes steht. Das heißt, es sind praktisch Kooperationen, gemeinsame Gesellschaften, Fusionen mit europäischen Nachbarunternehmen, nicht möglich."
Doch im ersten Anlauf ist die Große Koalition mit ihren Plänen im Herbst letzten Jahres kläglich gescheitert. Bundespräsident Horst Köhler wollte das bereits vom Parlament beschlossene Gesetz aus Verfassungsbedenken nicht unterschreiben. Sein Haupteinwand: Nach der aktuellen Rechtslage ist die Flugsicherung eine sonderpolizeiliche Aufgabe des Staates, die hoheitlich durch den Staat wahrzunehmen ist und nicht etwa durch private Unternehmen.
Allerdings lehnte Köhler die Privatisierung nicht grundlegend ab. Der Bundespräsident ließ Union und SPD ein Hintertürchen offen. Mit einer Verfassungsänderung könnte die Regierung den zunächst geplanten Teilverkauf der Flugsicherung umsetzen. Ein Weg, so der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Uwe Beckmeyer, den die Große Koalition jetzt in einem zweiten Anlauf beschreiten will, obwohl die Vorbehalte innerhalb der Unionsfraktion gerade gegenüber einer Verfassungsänderung groß sind:
"Nun muss man sagen: Das Grundgesetz hat ja verschiedene Qualitäten. Das ist nicht die Qualität, dass wir unsere Grundrechte in irgendeiner Art angreifen. Nun sagt Europa: Freunde, ihr müsst aber den Wettbewerbsgedanken stärker in den Vordergrund schieben, und nun sagen wir ja."
Die Bedenken des Bundespräsidenten haben gleichzeitig eine neue Debatte über die Verhältnismäßigkeit bei der Privatisierung öffentlicher Aufgaben angestoßen. Welche Zuständigkeiten soll der Staat abgeben, welche sollte er behalten?
Gerade bei einem so sensiblen Bereich wie der Flugüberwachung und damit der Sicherheit im Luftraum eine wichtige Diskussion: Nach dem tragischen Zusammenstoß zweier Flugzeuge über dem Bodensee, für den die zuständige Flugsicherung Skyguide mitverantwortlich war, hat sie neue Brisanz bekommen. Die Position der Gewerkschaft der Flugsicherung ist in dieser Frage eindeutig. Ihr Sprecher Marek Kluzniak:
"Wir lehnen diese Kapitalprivatisierung rundweg ab. Hier geht es um die Sicherheit am deutschen Himmel. Das ist eine Kernaufgabe des deutschen Staates, für den er verantwortlich ist und der in keinem Fall privatisiert werden darf an eine private Firma, die wirtschaftliche Interessen vertritt."
Zumal die EU-Kommission bei der Verwirklichung eines einheitlichen europäischen Luftraumes nicht auf einer Privatisierung der nationalen Flugsicherungen besteht. Union und SPD halten aus Wettbewerbsgründen dennoch an der Privatisierung fest, und der Rahmen ist längst abgesteckt: Zunächst soll die Privatisierung durch eine Grundgesetzänderung vorbereitet werden. In einem zweiten Schritt folgt dann das eigentliche Privatisierungsgesetz.
Ein in Auftrag gegebenes Gutachten des Staatsrechtlers Joachim Wieland hat für die konkrete Umsetzung mehrere Modelle zur Auswahl gestellt. Allerdings hat sich die Koalition grundsätzlich darauf verständigt, den Eingriff in die Verfassung so klein wie möglich zu halten.
Die Entscheidung ist deshalb auf das so genannte Verwaltungsmodell gefallen. Danach bleibt die Flugsicherung zwar Teil der öffentlichen Verwaltung. Das operative Geschäft kann jedoch durch private Firmen abgewickelt werden. Bei dem so genannten Dienstleistungsmodell wäre die Flugsicherung als rein privatwirtschaftlich erbrachte Dienstleistung organisiert und nicht mehr Teil der Verwaltung. So weit aber wollte die Große Koalition nicht gehen, betont SPD-Verkehrsexperte Beckmayer, zumal es auch starke sicherheitspolitische Einwände gegen das Dienstleistungsmodell gegeben habe:
"Hier würde ja die Flugsicherung total aus der öffentlichen Verwaltung herausgelöst. Das hätte sicherlich Probleme, wie: Wir haben eine integrierte Flugsicherung, eine zivile und militärisch integrierte Flugsicherung. Und das ist auch sehr vorteilhaft. Und ich glaube, dass da der Verteidiger oder die davon Betroffenen aus diesem Bereich sicherlich ihr Veto bringen würden. Und das möchte ich vermeiden, dass das auseinanderfällt."
Es ist also auch der Weg des geringsten Widerstandes, den die Koalition hier gehen will. Demnach dürfte in Artikel 87d des Grundgesetzes der Begriff "bundeseigene Verwaltung" durch "Bundesverwaltung" ersetzt werden. Diese Änderung hätte zur Folge, dass die Flugsicherung weiterhin Teil der öffentlichen Verwaltung bleibt.
Für die Ausübung des operativen Geschäfts könnte dann allerdings die Deutsche Flugsicherung über die notwendige Hoheitsgewalt verfügen, über die wiederum der Staat mit weitreichenden Kontroll- und Eingriffsrechten wachen würde, betont der Verkehrsexperte der Union, Hans-Peter Friedrich:
"Das heißt ganz konkret, dass wir soweit gehen können, die DFS zu 100 Prozent zu privatisieren. Dass wir aber gleichzeitig jede Flugsicherungsgesellschaft, die in Deutschland tätig wird, von Deutschland beauftragt wird, Flugsicherung wahrzunehmen, sehr eng und sehr streng kontrolliere, was die Sicherheitsstandards angeht, was die zivil-militärische Zusammenarbeit angeht, was die Qualität der Flugsicherung angeht. Das alles muss jetzt in diesem Gesetzgebungsverfahren geregelt werden."
So müssen die privaten Flugsicherungsorganisationen, die künftig mit Dienstleistungen beauftragt werden, im Gegensatz zum ursprünglichen Gesetz ihren Sitz und die Betriebsstätten in Deutschland haben. Auf diesem Weg soll die Kontrolle des neuen Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung sichergestellt werden.
Ohnehin soll die künftige Kontrollbehörde mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet werden. Das zumindest schreibt der bisherige Gesetzentwurf aus dem Verkehrsministerium fest: Der Geschäftsführer der Flugsicherung kann im Zweifel abberufen werden, und im Krisenfall darf der Verteidigungsminister Anweisungen erlassen. Marek Kluzniak, der Sprecher der Fluglotsengewerkschaft, traut der neuen Kontrollbehörde dennoch nicht allzu viel zu:
"Erstens, sie wird finanziell, personell und auch materiell vollkommen unterdimensioniert sein. Dafür hat die DFS schon im Vorfeld durch ihr Lobbying gesorgt. Nur zum Vergleich: Die britische Flugsicherung Nats, die ebenfalls als einzige in Europa privatisiert ist, hat dort mit einem Aufsichtsamt zu tun, das 200 Personen umfasst. In Deutschland will man gerade einmal 60 Stellen schaffen, also gerade mal weniger als ein Drittel dieser Aufsichtsbehörde."
Die Politik sieht dies freilich anders. Sicherheit und strenge Vorgaben durch das Aufsichtsamt, so das Credo bei Union und SPD, hätten absolute Priorität. Und dennoch ist ein Interessenkonflikt zwischen Investoren auf der einen und der Flugsicherung auf der anderen Seite unverkennbar. Kapitalgeber hoffen auf eine möglichst hohe Rendite, die Flugsicherung sieht sich vorrangig der Sicherheit verpflichtet.
Ursprünglich wollte die Große Koalition 74,9 Prozent der Flugsicherung verkaufen bei einem geschätzten Erlös von rund 1 Milliarde Euro. Wie hoch der Anteil beim zweiten Anlauf zur Kapitalprivatisierung sein wird, ist derzeit noch unklar.
Die möglichen Investoren sind dagegen schon ausgemacht. Ein Konsortium von deutschen Fluggesellschaften soll bei der Flugsicherung einsteigen - ein Konzept, das bereits bei der Privatisierung der britischen Flugsicherung erfolgreich angewendet worden ist. Trotz des gescheiterten Anlaufs im letzten Jahr steht die Lufthansa weiterhin für eine Beteiligung bereit, bekräftigt der zuständige Leiter für die Konzernpolitik, Thomas Kropp:
"Wir haben uns auch mit zehn Prozent an der Fraport beteiligt. Das heißt, das, was wir in der Initiative Luftverkehr für Deutschland schon mit Lufthansa, mit mehreren Airports, vor allem Frankfurt und München, mit der deutschen Flugsicherung vorleben, das heißt, uns als Luftverkehrsindustrie zu sehen, die im Wettbewerb ist auch mit einer französischen und englischen Luftverkehrsindustrie, da können wir hier Effizienzsteigerungen viel besser durchsetzen mit den Erfahrungen, die wir in der Privatisierung selbst gewonnen haben."
Doch Tatsache ist: Lufthansa möchte wie andere Airlines auch bei für sie wichtigen Entscheidungen mitreden oder besser noch mit gestalten können. So klagen die Fluggesellschaften über die hohen Gebühren der DFS. Auch Verkehrsexperte Fricke von der Universität Dresden sieht hier noch erhebliche Verbesserungspotenziale:
"Wir können feststellen, dass eben ein Kilometer kontrollierter Flugweg in Europa etwa 76 Cent kostet. Und diese Summe ist etwa doppelt so hoch als jene, die in den USA erforderlich ist. Deswegen können wir also jetzt schon feststellen, dass es offenkundig Effizienzpotenzial gibt. Und von daher ist es berechtigt zu fordern, dass die Produktivität des Flugsicherungssystems steigen muss im Kostenbewusstsein."
Hier dürften die neuen Eigner der DFS also sicherlich Druck ausüben, auch wenn Kropp das Thema bei der anstehenden Privatisierung und dem damit verbundenen Einstieg des Konzerns hinten an stellt:
"Wir hoffen vielleicht auf sinkende Gebühren durch eben diese Effizienzsteigerung. Aber wir sehen das jetzt sozusagen als eine Schrittfolge. Wir glauben, wenn man Effizienzsteigerungen durchsetzt, dann kann man sich wettbewerbsfähiger machen. Das hat natürlich auch zur Folge, dass die Gebühren dann durch diese Effizienzsteigerungen sinken können. Aber das ist natürlich ein Prozess in mehreren Schritten."
Ohnehin hätten die Wirtschaftsverbände, auch die DFS, die Flugsicherung gerne vollständig aus der öffentlichen Verwaltung herausgelöst. Denn nur so kann die Flugsicherung bei der geplanten Bildung von länderübergreifenden Luftraumblöcken eine tragende Rolle spielen. Dies werde mit dem anvisierten Verwaltungsmodell nicht möglich sein, kritisiert der Verkehrsexperte der Liberalen, Horst Friedrich:
"Ich kriege ja, und das ist auch Teil von Single European Sky, die Schaffung funktionaler Luftraumblöcke, die die nationalen Grenzen abschafft. Und auch aus dem Grund heraus muss ich mir Gedanken machen, was will ich mit einer Deutschen Flugsicherung. Wenn ich sie weiter als bundeseigene Verwaltung führen möchte, dann darf sie auch Flugsicherung nur innerhalb unserer Grenzen, und zwar ausschließlich, vornehmen. Ich ändere aber nicht das Grundgesetz, um am Ende des Verfahrens zunächst ein Verwaltungsmodell zu haben, um dann vielleicht irgendwann noch mal ändern zu müssen, unter Umständen, um dann das Dienstleistungsmodell zu kriegen. Also wenn ich das Grundgesetz schon ändere, dann richtig."
Deshalb werde die FDP der anstehenden Grundgesetzänderung auch nicht zustimmen. Tatsächlich könnte die Bundesregierung in den nächsten Jahren durchaus unter Zugzwang kommen, das Grundgesetz erneut zu ändern. In Brüssel hat die Kommission aufmerksam registriert, dass die EU-Staaten die Umsetzung von Single European Sky nur schleppend vorantreiben. Deshalb gibt es Überlegungen, den Druck weiter zu verstärken.
Die Erfahrung zeigt - das wird dauern. Für Union und SPD heißt die Devise nach dem Einspruch des Bundespräsidenten "nichts überstürzen", zumal sich das favorisierte Verwaltungsmodell auch zeitlich schneller umsetzen lässt. Noch in diesem Sommer soll die Kabinettsvorlage stehen, spätestens im kommenden Jahr das Gesetz zur Privatisierung der Deutschen Flugsicherung verabschiedet sein. Auf dem langen Weg hin zur Verwirklichung eines Einheitlichen Europäischen Luftraumes wäre dies dennoch nur ein Etappenerfolg.