"Wenn wir hier jetzt einmal reinschauen – wir haben eine Produktionslinie um linke Scheinwerfer, eine Produktionslinie um rechte Scheinwerfer herzustellen. Dabei gibt es verschiedene Arbeitsstationen, die im Prinzip immer auf so eine hoch automatisierte Klebefügezelle hinarbeiten."
Carsten Schwarzenberg steht in der Montagehalle des Automobilzulieferers Hella im westfälischen Lippstadt. In den Gängen fahren Gabelstapler containerweise Teile zu den Arbeitsplätzen von Menschen, Maschinen und Robotern. Das Familienunternehmen mit weltweit 29.000 Beschäftigten hat einen guten Ruf als Hersteller von Autoleuchten. Schwarzenberg erklärt die Neuheiten in einem Vorraum. Der Ingenieur zeigt auf eine Vitrine.
"Die Scheinwerfer, das sehen sie an den Geräten, werden immer komplexer. Heutzutage sprechen wir einmal über Reflexionssysteme. Das sind dann hier beispielsweise die Reflektoren, die sie hier sehen, oder Projektionssysteme, wo die Lichtverteilung über Linsen abgebildet wird."
Es gibt viele Hellas in Deutschland, ob Automobilzulieferer, Maschinenbauer oder sonstige Spezialisten. Sie stehen für Qualität "Made in Germany", die auf den Weltmärkten gefragt ist. Viele Deutsche sind stolz auf die wirtschaftliche Stärke ihres Landes. Doch neuerdings muss sich die stärkste Volkswirtschaft Europas gehörige Kritik gefallen lassen. Das US-Finanzministerium schalt Deutschland 2013 erstmals als Hauptverantwortlichen für die Ungleichgewichte in der globalen Wirtschaft. Der US-Ökonom und Nobelpreisträger Paul Krugman bezeichnete das Land sogar als "Schmarotzer", weil es angeblich seine Exportüberschüsse auf Kosten der Krisenstaaten in Europa erziele. Und die EU-Kommission nimmt derzeit den Überschuss Deutschlands unter die Lupe – es droht ein Bußgeld.
Denn nach den EU-Regeln ist es problematisch, wenn ein Land einen Leistungsbilanzüberschuss von sechs Prozent oder mehr aufweist, also entsprechend Waren für einen höheren Wert exportiert als einführt. In Deutschland betrug der Überschuss 2012 sogar sieben Prozent, und im ersten Halbjahr 2013 waren es 7,1 Prozent. Womöglich setzt ein neuer internationaler Proteststurm ein, wenn das Statistische Bundesamt am 7. Februar die Außenhandelszahlen für das Jahr 2013 veröffentlichen wird.
Fast könnte man meinen, die ganze Welt habe sich verschworen und wolle verhindern, dass deutsche Firmen weiter so viele Autos, Maschinen oder Chemieerzeugnisse exportieren. Niemand sollte die Debatte auf die leichte Schulter nehmen. Denn Fakt ist: Wirtschaftliche Ungleichgewichte haben immer wieder schwere Krisen ausgelöst. Beginnen wir mit den Ursachen der deutschen Stärke: Das Land profitiert vor allem von seiner starken industriellen Basis. Zudem hat es bei der Wettbewerbsfähigkeit enorm zugelegt. Das beschreibt Hella-Chef Rolf Breidenbach:
"Für uns ist ja immer das Verhältnis zwischen Lohnentwicklung und Produktivitätsentwicklung entscheidend. Und da haben wir über einen langen Zeitraum in Deutschland eine sehr positive Entwicklung gesehen, also, unsere Möglichkeiten Wertschöpfung in Deutschland darzustellen, hat sich sehr positiv entwickelt, in einem Zeitraum von zehn Jahren."
In der aussagekräftigen Rangliste über die Wettbewerbsfähigkeit des "World Economic Forum" arbeitete sich Deutschland seit dem Jahr 2005 von Rang 15 auf Rang vier vor. Vor Deutschland liegen jetzt nur noch die Schweiz, Singapur und Finnland.
Vorbild für andere Staaten?
Können andere Länder – insbesondere in Europa – den deutschen Weg einschlagen? Skeptisch ist der Ökonom Michael Hüther, Leiter des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln.
"Man kann volkswirtschaftlichen Strukturwandel nicht wirklich einfach kopieren, denn es gibt Pfadabhängigkeiten. Irgendwann machen sie mal eine Wegbiegung anders als die anderen. Oder sie haben nie so begonnen. Frankreich war nie stark industrialisiert. 1970, als Deutschland 40 Prozent Industrieanteil hatte, war der in Frankreich bei 25. Das holt man dann irgendwie nicht auf, vor allem, wenn es nicht in der Fläche unterlegt ist, wenn es nicht mit regionalen Clustern und Netzwerken unterlegt ist. Deswegen ist das sehr, sehr schwierig."
Idealerweise sollte eine Volkswirtschaft ihre Wettbewerbsposition durch Innovationen verteidigen, also ganz im Sinne des Ökonomen Joseph Schumpeter, der diesen Prozess der "schöpferischen Zerstörung" durch innovative Unternehmer Anfang des 20. Jahrhunderts als konstitutives Element des Kapitalismus bezeichnet hat. Immer wieder verdrängten Unternehmer mit Erfindungen bisherige Produktionen. So ersetzte das Auto die Pferdekutsche, der Computer die Schreibmaschine, das MP-3-Format die CD und jetzt eben der LED-Scheinwerfer bisherige Leuchten. Wie schätzt der Ökonom Klaus Fichter, der sich an der Universität Oldenburg mit Innovationen beschäftigt, die Lage ein?
"Ich sehe Deutschland als sehr innovativ an. Es gibt viele tolle Beispiele, die gar nicht so sichtbar sind, gerade im deutschen Mittelstand, ob es dann im Maschinenbau ist, im Bereich der Umwelttechnik, wo es tatsächlich auch gelingt, Neues erfolgreich umzusetzen und am Markt zu platzieren."
Die deutschen Exportschlager stammen jedoch zum größten Teil aus den gleichen Branchen wie vor 40 Jahren. Nach Ansicht von Kritikern hat Deutschlands gestiegene Wettbewerbsfähigkeit nämlich weniger mit Innovationen als mit anderen Faktoren wie der Einführung des Euro oder langjähriger Lohnzurückhaltung zu tun. Tatsächlich stagnierten die Reallöhne – also die Löhne nach Abzug der Inflation – zwischen 2001 und 2011 in Deutschland. Weil jedoch gleichzeitig Beschäftigte in anderen Ländern der Eurozone höhere Löhne durchsetzten, ergab sich nach Ansicht des Ökonomen Heiner Flassbeck ein erheblicher Wettbewerbsvorteil für Deutschland innerhalb der Eurozone.
"Der liegt in der Größenordnung zwischen 20 und 40 Prozent, selbst gegenüber Frankreich sind es 20 Prozent. Und das ist in einer Währungsunion absolut tödlich, weil die anderen Länder praktisch keine Möglichkeit haben, ihre Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen, was sie tun müssen, weil sie sonst permanent Marktanteile verlieren und permanent noch mehr Schulden machen würden."
Schließlich ist seit der Einführung des Euros ein zentraler Anpassungsmechanismus zwischen den beteiligten 18 Ländern weggefallen. Früher konnten Frankreich, Spanien oder Italien regelmäßig Franc, Pesete oder Lira gegenüber der D-Mark abwerten. Dadurch stieg automatisch die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Firmen gegenüber der deutschen Konkurrenz. Weil dieser Anpassungsmechanismus fehlt, haben sich Ungleichgewichte in der Eurozone aufgestaut. Der kürzlich verstorbene Ökonom und Eurokritiker Wilhelm Hankel hat sich auf Zahlen des französischen Pomone-Instituts berufen, als er darüber sprach, wie sich der Wert des Euros in den verschiedenen Mitgliedstaaten im Verhältnis zur jeweiligen Wirtschaftsleistung entwickelt hat. Kurz vor seinem Tod sagte er:
"Danach ist der griechische Euro um 45 Prozent gegenüber dem deutschen überbewertet, und das erklärt ja viele Schwierigkeiten: Einerseits können die Griechen 45 Prozent billiger in den stabilen Euroländern einkaufen, das muss ja in einem Leistungsbilanzdefizit enden, hat es ja auch. Also, nicht nur die nationalen Differenzen und nicht nur die innereuropäischen Differenzen erklären sich aus dieser Starrheit der Wechselkurse sondern auch zum Teil die deutschen Exporterfolge."
Fakt ist: Seit der Gründung der Währungsunion hat Deutschland seine Exporte auf mehr als eine Billionen Euro verdoppelt. Sicher profitieren davon auch ausländische Lieferanten, weil deutsche Exportgüter laut Bundeswirtschaftsministerium im Schnitt rund 40 Prozent importierte Teile enthalten. Trotzdem haben sich die wirtschaftlichen Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone vergrößert.
Fragwürdiger "Wettkampf der Nationen"
Unternehmen müssen sich im Wettbewerb beweisen. Idealtypisch machen die besten und günstigsten Unternehmen das Rennen. Aber taugt diese Idee auch für den Umgang von Staaten? Schließlich sprechen Unternehmer, Politiker und Wissenschaftler häufig vom Standortwettbewerb und vergleichen Steuern, Löhne, Sozialabgaben und Produktivität. Die Rede ist dann vom "Wettkampf der Nationen". Es geht um Weltmeister, Mittelmaß und rote Laternen. Doch die Idee vom Wettbewerb der Nationen ist höchst fragwürdig. Denn der Austausch zwischen Volkswirtschaften funktioniert eben nicht wie ein sportlicher Wettkampf. Darauf verweist Flassbeck.
"Wettbewerbsfähigkeit ist ein relatives Konzept und man kann es immer nur gegen jemand werden. Alle können nicht wettbewerbsfähiger werden. Alle können produktiver werden, also ihre Lebensverhältnisse verbessern. Aber gegen jemand wettbewerbsfähig werden, muss man immer einen Partner haben. Nicht alle können Leistungsbilanzüberschüsse haben, weil es muss einen Schuldner in der Welt geben.
Was eine Volkswirtschaft als Haben verbucht, ist für den Handelspartner ein Soll. Auf die Folgen verweist der britische Wirtschaftshistoriker Richard Skidelsky.
"Am Ende muss man bezahlen. Denn bei allen Geschäften gibt es zwei Seiten. Man kann auf Dauer nicht erfolgreich sein, wenn der Handelspartner keinen Erfolg hat. Denn er muss weiter deine Waren kaufen. Deswegen ist die Idee eines einzelnen erfolgreichen Landes in einer Union von Ländern das, was wir ein Oxymoron nennen."
Unter einem Oxymoron versteht man einen Widerspruch in sich.
Welche fatalen Folgen Handelsungleichgewichte haben können, kennen wir zur Genüge aus der Wirtschaftsgeschichte. Ein besonders unrühmliches Kapitel gab es Anfang der 1930er Jahre, nach der Weltwirtschaftskrise. Damals konkurrierten Nationen in großem Ausmaß mit unfairen Methoden wie Zöllen um Absatzmärkte für ihre Produkte. Vor allem kam es jedoch zu Abwertungswettläufen. Sprich: Die Länder unterboten sich bei der Abwertung ihrer eigenen Währung, um den Export heimischer Waren anzukurbeln. Die Rechnung konnte nicht aufgehen, weil fast alle sich gleich verhielten. Es kam zu einer Abwärtsspirale – sie begünstigte auch das Aufkommen des Nationalsozialismus in Deutschland und trug so mit zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges bei.
Nach dem Krieg wollten die Alliierten Regeln entwerfen, die einen fairen Wettbewerb garantierten. Allerdings verfolgten die ehemalige Weltmacht England und die neue Weltmacht USA bei der entscheidenden Konferenz in Bretton Woods 1944 unterschiedliche Konzepte.
Der Brite John Maynard Keynes, einer der wichtigsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts, schlug die Schaffung einer Clearingstelle vor. Über diese neue Institution sollten künftig alle Mitgliedsländer ihre Exporte und Importe abrechnen. Bei Ungleichgewichten sollten Defizit- und Überschussländer eine Strafgebühr zahlen. Damit hätte es für alle Länder einen Anreiz gegeben, Ungleichgewichte im Welthandel zu reduzieren.
In Bretton Woods setzte sich US-Verhandlungsführer Dexter White mit seinem Konzept durch. Die Regierungsvertreter entschieden sich für feste Wechselkurse, den Dollar als Leitwährung und die Möglichkeit des Eintauschs von Dollar in Gold. Zu den größten Profiteuren zählte schon damals Deutschland, zumal die Alliierten entgegenkommend waren bei den Konditionen, zu denen der Kriegsverursacher seine Schulden zurückzahlen musste, die er vor und nach dem Krieg im Ausland angesammelt hatte. Die Regeln wurden bei der Londoner 1953 in London festgelegt. Die deutsche Delegation leitete der Bankier Hermann Josef Abs.
"Auf eine ganz wichtige Bestimmung möchte ich aber noch hinweisen, dass Deutschland den Transfer nur aus echten Außenhandelsüberschüssen decken kann und dass es nicht angeht, den Schuldendienst laufend aus der Inanspruchnahme von Währungsreserven zu decken."
Die Alliierten gestatteten dem Verlierer Deutschland, Reparationen in Sach- statt Geldleistungen zu zahlen. Gleichzeitig erlaubten sie dem Land eine Politik der unterbewerteten D-Mark, beides waren Katalysatoren für den Export. Die Ausfuhren trieben das deutsche Wirtschaftswunder voran. Die Fabriken produzierten VW Käfer, Aspirin, Persil oder Maschinen für die Welt und konnten sie dank der neuen Welthandelsregeln ziemlich problemlos exportieren.
Die Amerikaner gerieten Anfang der sechziger Jahre in Schwierigkeiten. Für sie rächte sich ein Widerspruch im Währungssystem: Denn der Welthandel konnte nur wachsen, wenn zusätzliche Dollar in Umlauf kamen. Das setzte jedoch voraus, dass die Leistungsbilanz der USA negativ war. Die damaligen Überschussländer wie Deutschland, Frankreich oder Japan konnten entsprechend der Regeln des Bretton-Woods-Systems immer höhere Goldansprüche bei den USA geltend machen. Am 15. August 1971 gaben die USA deswegen die Umtauschpflicht von Gold auf. Zwei Jahre später war das System von Bretton Woods am Ende.
Seitdem bilden sich die Wechselkurse der großen Währungen frei auf den Devisenmärkten. Allerdings lösten sich die Handelsungleichgewichte unter dem neuen Regime freier Wechselkurse keinesfalls auf. Mit dem Anstieg des Welthandels vergrößerten sich sogar die Ungleichgewichte. Und diese können heute schnell in eine Krise umschlagen. Das liegt an den rasanten Bewegungen von Kapital.
Kapitalexporteur mit Risiken
Wenn ein Land Waren in einem höheren Wert importiert als exportiert, muss es sich Geld leihen, um die Rechnungen zu bezahlen. Entweder borgen sich Regierungen, Unternehmen oder Konsumenten das Geld bei heimischen Sparern oder im Ausland. Das läuft gewöhnlich geräuschlos über die Kapitalmärkte. Krisen gibt es, wenn die ausländischen Geldgeber die Mittel plötzlich zurückfordern. Dann geraten Staaten schnell in einen wirtschaftlichen Abwärtsstrudel. Ein Teufelskreis aus Ausgabenkürzungen, einbrechenden Investitionen und steigender Arbeitslosigkeit setzt sich in Gang. In den neunziger Jahren traf es in Asien Länder wie Thailand, Korea, Indonesien oder Malaysia.
Um einem solchem Schicksal zu entgehen, hat China riesige Währungsreserven aufgebaut. Möglich ist dies, weil die Regierung den Wechselkurs der eigenen Währung künstlich niedrig hält. Das verschafft den heimischen Firmen einen Preisvorteil auf den Weltmärkten und führt regelmäßig zu Handels- und entsprechenden Devisenüberschüssen, insbesondere mit den USA.
Anders als China manipuliert Deutschland seine Währung nicht. Das ist in der Eurozone auch gar nicht möglich. Trotzdem haben sich hier hohe Überschüsse aufgebaut, insbesondere auch gegenüber anderen Eurostaaten. Die Finanzierung erledigt Deutschland teilweise selbst; indem es Unternehmern, Banken, Privatleuten und Regierungen der Defizitländer Kredite gibt, dort investiert oder Geld anlegt. Überhaupt ist Deutschland mit rund 15 Prozent größter Kapitalexporteur der Welt, noch vor China oder den Saudis mit ihren Öleinnahmen.
Teile unseres Vermögens sind also entsprechend die Schulden von Amerikanern, Briten, Franzosen oder Italienern. Deutschland steckt in einer Zwickmühle: Wenn es die Geldtransfers ins Ausland stoppt, könnte ein Schuldner pleite gehen. Dann müsste Deutschland seine Forderungen abschreiben. Mit dem hohen Exportüberschuss und dem damit einhergehenden Kapitalexport sind also durchaus gehörige Risiken für Deutschland verbunden.
Das zeigte sich in der jüngsten Wirtschaftskrise. So brach die deutsche Volkswirtschaft 2009 stärker ein als andere. Und Deutschland musste viel Geld aufwenden, um deutsche Banken vor der Pleite zu retten, deren Kredite im Ausland ausgefallen waren. Die jetzige Situation hat aber noch einen weiteren gravierenden Nachteil: Es fehlt Kapital für Investitionen. Darauf verweist Ulrike Hermann, Wirtschaftskorrespondentin bei der alternativen Tageszeitung taz.
"Wir haben, und man muss ja verstehen, dass der Reichtum nicht das Geld ist, das man irgendwie auf dem Konto hat, sondern der Reichtum sind die Investitionen, die wir heute tätigen in Maschinen oder in die Infrastruktur, denn nur diese Investitionen ermöglichen es ja morgen Wohlstand zu produzieren. Insofern ist es eine total schlechte und eigentlich alarmierende Nachricht, dass in Deutschland die Investitionen eben so stark lahmen."
Offensichtlich sind die Auswirkungen im Verkehr. Die Lage schildert Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie.
"Wir investieren rund zehn Milliarden in die Verkehrsinfrastruktur, wir bräuchten mindestens 14, unsere industrielle Wettbewerbsfähigkeit hängt eben davon ab, dass wir die tollen Güter, die wir produzieren können, auch transportieren können. Wenn das nicht mehr klappt, wenn alleine in Nordrhein-Westfalen rund 300 Brücken marode sind, dann haben wir ein Problem international, unsere Produkte eben sozusagen an den Mann zu bringen.
Die Bruttoanlageinvestitionen, also der Anteil am Bruttoinlandsprodukt, der wieder investiert wird, ist im vergangenen Jahrzehnt hierzulande gesunken, von 21,5 auf 17,4 Prozent. Damit liegt Deutschland unter dem Durchschnitt der Eurozone von 18 Prozent. Höhere Investitionen wären eine Möglichkeit, um die wirtschaftlichen Ungleichgewichte ein wenig zu verringern, die Deutschland verursacht. Eine andere Möglichkeit wären höhere Lohnabschlüsse für die Beschäftigten in Deutschland. Es muss etwas geschehen. Das mahnte Altkanzler Helmut Schmidt bereits im Sommer vergangenen Jahres im Handelsblatt an.
Schmidt erinnerte an das 1967 von der damaligen Bundesregierung verfasste Stabilitätsgesetz. Als gleichberechtigte Ziele zählt es neben Preisniveaustabilität, hohem Beschäftigungsstand ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei angemessenem und stetigem Wirtschaftswachstum auf. Vom außenwirtschaftlichen Gleichgewicht ist Deutschland weit entfernt. Einiges wäre schon gewonnen, wenn hierzulande nüchterner über die Exporterfolge und ihren Preis gesprochen würde. Einfach ist dies nicht, denn es berührt deutsche Empfindlichkeiten. Darauf hat der Ökonom Wilhelm Hankel hingewiesen:
"Da ist der Exportweltmeister ein Pflaster auf der nationalen Wunde, er hat den deutschen Nationalismus abgelöst. Aber ich räume gerne ein, dass das eine subjektive Wahrnehmung ist."