Nur einen schmalen Streifen Himmel sieht man in den engen Altstadtgassen rund um die Plaza Nueva in Bilbao. In den kaum zwei Meter breiten spätmittelalterlichen Sträßchen drängen sich zur Mittagszeit Einwohner und Touristen. Sie stöbern in kleinen Modegeschäften, kaufen Lebensmittel ein, treffen sich auf einen Kaffee und genießen in den zahlreichen Bars die lokale Spezialität der Pintxos. So heißen auf Baskisch die berühmten Tapas der Stadt.
Für seine Pintxos ist Bilbao berühmt - aber nicht nur dafür. Eine weitere Besonderheit der Hafenstadt sind die Txikiteros. Diese Männergesangsvereine bestehen seit mehr als zwei Jahrhunderten. Früher waren es Fischer und Industriearbeiter aus Bilbao und den umliegenden Gemeinden, die sich zum Singen rund um die Plaza Nueva verabredeten. Heute sind es Angestellte, Beamte und Dienstleister.
Ein kleiner Wein zwischen den Liedern
Allerdings treffen sich die Herren nicht ausschließlich zum Singen. Nach dem Gesang müssen schließlich die Stimmbänder geölt werden. Deshalb geht es nach jedem Lied in die Kneipe.
"Das Wort Txikiteros stammt vom Baskischen txiki, für klein. Wenn der Gesangsverein in eine Kneipe geht, bestellt jeder einen kleinen Wein. Txikito. Daher der Name Txikiteros. Sie trinken nur einen kleinen Schluck, weil sie zum Singen so viele Kneipen anlaufen. Da kann man nicht jedes Mal ein volles Glas trinken. Unsere Gläser sind groß, aber mit kleinem Inhalt. Wir trinken meistens Rotwein, Landwein, aus der Baskischen Rioja. Und so ziehen wir von Bar zu Bar. Und trinken große Mengen kleiner Schlucke."
Aitor Aginako ist ein Bild von einem Mann. Die dichten schwarzen Haare gelt er modisch nach hinten, Hemd und Hose trägt er figurbetont. Seit seiner Jugend ist der Kellner Txikitero.
"Hier in Bilbao sind die meisten Txikiteros. Die Männer. Wir treffen uns, trinken, und singen typische Lieder von hier. Die Gruppen bestehen aus Männern, die sich oft schon seit der Schule kennen. Oder von der Arbeit. Ich zum Beispiel bin Kellner. Wenn Schichtende ist, gehen wir los. Ein paar Weine, ein paar Lieder, bevor man zum Essen nach Hause geht. Die Chöre heißen bei uns Cuadrillas. Unsere Lieder lernen wir von den Eltern und Großeltern. Da es etwas aus der Mode gekommen ist, besonders bei den Jüngeren, gibt es inzwischen sogar Kurse. Ein Lehrer bringt die Liedtexte mit, drei gute Sänger geben die Melodie vor, und los geht es. Man trifft sich Samstag auf der Plaza. Aber meistens kennen wir die Lieder von den aitas, von den Eltern."
Lieder über die Arbeit
"Das ist ein Lied von der Küste. Sie singen von der harten Arbeit beim Fischfang. Sie beschreiben den weiten Horizont, den blauen Himmel, die Wolken. Und dass sie alleine sind, besonders nachts, und sehnsüchtig die Sterne betrachten. Letztlich ist es ein Lied über ihr Leben und die Arbeit auf dem Meer."
Pedro Iturbe gehört mit zwei Dutzend anderen Männern zum Chor Bodegón aus einem Dorf fünf Kilometer westlich von Bilbao. Die meisten von ihnen sind Rentner und fahren alle zwei Wochen einen halben Tag zum kollektiven Singen und Trinken in die Altstadt.
Am meisten freuen sich die Wirte über die Txikiteros. Denn Sänger vor den Bars und Kneipen sorgen für Aufmerksamkeit, viele Touristen bestellen ebenfalls ein Glas. Die Kneipe Urbieta in der Calle Perro ist bereits die zehnte Anlaufstelle für die singenden alten Herren. Wirt Carlos Rodriguez ist stolz auf diese Tradition Bilbaos.
"Die Txikiteros haben hier eine lange Tradition. Heute trinkt man aus hohen Gläsern, früher waren sie niedriger, aber viel dickbauchiger. Wir nannten sie baskische Gläser. Das hat sich geändert. Gleich geblieben ist, dass sie von Bar zu Bar ziehen, singen und trinken. Natürlich gibt es überall im Baskenland Txikiteros, aber am schönsten singen sie in Bilbao. Klar, es gibt auch Txikiteros in Santander und San Sebastian. Aber hier ist es einzigartig. Die Leute hier sind freundlich. Und wenn sie trinken, zahlt auch jeder. Das ist eben die Tradition von Bilbao, ich finde es enorm."