Der Gestank und die Fliegenschwärme sind kaum auszuhalten. Baggerschaufeln verteilen die nächste Müllladung. Wenn die Malediven eine eigene Hölle haben, dann sieht sie so aus. Hier, auf Thilafushi, landet seit 1992 der Großteil des Mülls, der im Inselreich produziert wird. Zwischen 300 und 500 Tonnen werden jeden Tag mit Booten Tag angeliefert. Und je mehr Touristen kommen, desto mehr Müll müssen die kleinen Malediven verkraften.
Auf Thilafushi gehen Sonnencremeflaschen, Ölfässer, Batterien, Lackeimer, alte Medikamente und Essensreste in Flammen auf. Die künstliche Insel ist aus einer Lagune entstanden. Ahmed, der nicht wirklich so heißt, wendet sich entsetzt ab. Er ist der einzige Student, der bereit ist, mit einer ausländischen Journalistin zu reden. Er lebt auf der benachbarten Hauptinsel Malé.
"Ich bin erstaunt und wirklich schockiert. Wir können in Malé immer die Rauchwolken sehen. Ich bin zum ersten Mal hier. Das erinnert mich an den Zeichentrickfilm Wall-E. Darin ist die Erde eine giftige Müllhalde und alle Menschen leben längst auf Raumstationen im All. Sie können sich nicht mehr an die Erde erinnern. Wall-E ist ein kleiner Roboter, der versucht die Erde zu retten und den Müll zu beseitigt."
Im Land tobt ein Machtkampf
Auf Thilafushi sorgen Gastarbeiter aus Bangladesch gegen einen Hungerlohn dafür, dass der Müll brennt. Beißende Rauchschwaden steigen in den Himmel, während im Land ein Machtkampf tobt, der die Malediven politisch und gesellschaftlich lähmt. Die Familie des langjährigen Alleinherrschers Maumoon Gayoom ist dabei, die Oberhand zu gewinnen. Die Anführer der Demokratiebewegung von 2008 sitzen im Gefängnis, auf der Anklagebank oder sie sind im Exil.
Die nächste Müllladung erreicht Thilafushi. Auf der benachbarten Flughafeninsel landet das nächste Flugzeug mit Touristen, die in einem der rund 100 abgeschotteten Resorts verschwinden. Die mehr als eine Million Gäste pro Jahr sind die wichtigste Einnahmequelle. Doch Umweltaktivist Ali Rilwan sieht den wachsenden Tourismus mit Sorge.
"Der Müll zerstört unsere Korallenriffe und Mangrovenwälder, die uns vor den Folgen des Klimawandels schützen sollen. Die Expansion des Tourismus auf die unbewohnten Inseln hat auch für die Bevölkerung Folgen. Die Menschen verlieren ihre Freizeiträume. Und die Inseln, auf denen sie Holz sammeln können."
Die Regierung hat keine Grenzen für den Tourismus definiert
Es geht um ein milliardenschweres Geschäft. Noch hat die Regierung keine Grenzen für den Tourismus definiert. Die Müll- und Abwasserbeseitigung spielt politisch keine Rolle, klagt Umweltaktivist Ali Rilwan.
"Unsere Gesellschaft ist sehr stark polarisiert. Es geht nur noch um Machtpolitik, und die spaltet die Menschen in Lager auf. Ohne politische Stabilität können wir keinen Gemeinschaftssinn für die Umwelt entwickeln. Ohne einen politischen Konsens können wir keine nationale Umweltschutzpolitik entwickeln. Wir verkaufen doch unsere Schönheit an die Touristen. Wir wollen mit unserer Natur Geld verdienen. Aber wenn wir sie zerstören, verlieren wir unsere Einnahmen."