Jasper Barenberg: Wir müssen uns keine Sorge machen, jedenfalls nicht, wenn es nach dem Ölkonzern Shell geht. Das größere Leck an seiner Plattform Gannet Alpha will das Unternehmen bereits seit einer Woche geschlossen haben. Aus einer zweiten undichten Stelle strömt nach Angaben des Konzerns gerade einmal ein Barrel Öl am Tag noch ins Meer – also kaum mehr als die Füllung einer größeren Badewanne. Alles in allem also kein Vergleich mit dem Ausmaß der Ölpest im Golf von Mexiko – ein Unfall, keine Katastrophe. Auf der anderen Seite ist Gannet Alpha nur eine von insgesamt rund 400 Anlagen in der Nordsee. Die Meisten wurden dort seit Anfang der 70er-Jahre errichtet. Ist die Havarie mit anderen Worten also ein Indiz, ein Fingerzeig für die Gefahr von weitaus größeren Katastrophen vor unseren Küsten? Darüber will ich in den nächsten Minuten mit Jörg Feddern sprechen, dem Fachmann der Umweltorganisation Greenpeace. Schönen guten Morgen!
Jörg Feddern: Schönen guten Morgen!
Barenberg: Herr Feddern, im Golf vom Mexiko ist tatsächlich ja ungleich mehr Öl ausgetreten. Verbietet sich von daher jeder Vergleich mit dem Leck in der Nordsee?
Feddern: Was die Ölmengen angehen, auf jeden Fall. Dort hatten wir es wirklich mit einer sehr, sehr schweren, vielleicht sogar der größten Ölkatastrophe zu tun im letzten Jahr. Dieses Mal ist der Unfall wesentlich kleiner, was die Mengen angeht, aber das Verhalten der Ölkonzerne, sprich: sowohl BP als auch jetzt Shell, ist doch sehr, sehr ähnlich. Wir haben gedacht, wir haben alle erwartet, dass sich zumindest nach dieser schweren Katastrophe im Golf von Mexico das Verhalten der Ölkonzerne verändert, soll heißen, wenn es zu Problemen kommt, dass sie umgehend sowohl Behörden als auch die Öffentlichkeit informieren und umfassend erläutern, wie sie mit einem solchen Unfall umzugehen haben und umzugehen gedenken. Das ist wieder nicht eingetreten, das hat eigentlich nur noch zur Konsequenz, dass den Ölkonzernen so was vorgeschrieben werden muss, weil es so ist. Man kann diese Konzerne da draußen auf dem Meer nicht alleine lassen.
Barenberg: Nun hat Shell ja Gründe vorgebracht, warum sie erst mit Verzögerung, sagen wir mal, die Öffentlichkeit informiert hatten. Sie wollten sich zuerst ein klares Bild davon machen, worin genau das Problem besteht. Kann man das nicht nachvollziehen?
Feddern: Das kann man vielleicht für 24 Stunden nachvollziehen, aber nicht für drei Tage, und dann eben auch, dass nach und nach scheibchenweise erst an die Öffentlichkeit gerät, dass es sich um ein Leck handelt; dann hieß es, es handelt sich um zwei, dann hieß es von Shell, es ist gar kein Leck, sondern das Öl sucht sich einen anderen Weg. Fakt bleibt, es tritt immer noch, nach über einer Woche, Öl, auch wenn in geringen Mengen, Öl aus der Leckage der Pipeline aus. Und das muss Shell jetzt umgehend reparieren, damit die Ausflüsse dieses Öls gestoppt werden.
Barenberg: Halten Sie das eigentlich für einen Einzelfall? Ich habe angedeutet, dass es Hunderte von Anlagen gibt in der Nordsee. Wie würden Sie sozusagen den technischen Zustand dieser Anlagen beschreiben?
Feddern: Zuerst einmal muss man wissen, dass in der Nordsee bis zu 450 Plattformen, im gesamten Nordostatlantik über 700 Plattformen, die nach Öl und Gas suchen oder Öl und Gas fördern, stehen, und diese Plattformen sind zum Teil schon sehr, sehr alt. Und es gibt Statistiken, die alle zwei Jahre veröffentlicht werden, dass pro Jahr im Schnitt 500 Unfälle im Bereich der Nordsee passieren, wo Öl austritt in kleineren Mengen, in mittleren Mengen, und jetzt in diesem Fall ist es ja als signifikant eingestuft worden. Wir haben dort draußen ein riesengroßes Industriegebiet mit relativ alten Anlagen, und da gilt es natürlich, genau wie wir es mit unseren Autos machen müssen, dass regelmäßig überprüft werden muss, ob diese Anlagen überhaupt noch dem technischen Standard entsprechen. Und sollte das nicht so sein – und das scheint ja der Fall zu sein –, dann müssen die Anlagen auf den neuesten Stand gebracht werden. Das ist mit Investitionen verbunden, und das scheuen natürlich die Unternehmen.
Barenberg: Und diese Art von TÜV oder sagen wir Regeln für die ständige Modernisierung der Technik gibt es nicht?
Feddern: Die gibt es; von Land zu Land ist das unterschiedlich. Die beiden größten Ölförderländer Norwegen und Großbritannien kontrollieren die Plattformen unregelmäßig, aber es gibt keine Vorschriften. Es gibt weder Vorschriften, dass die Ölkonzerne ihre Notfallpläne vorlegen müssen, es gibt keine Vorschriften, dass sie umgehend informieren müssen. Das basiert alles auf freiwilliger Basis. Und deswegen ist es eben so wichtig, dass diese Vorschriften umgesetzt werden, um dieses Risiko dieser Unfälle zu minimieren, und wenn es dann doch zu einem Unfall kommt, dass adäquat reagiert werden kann. Und wir sehen an diesem – ich sage es mal: im Verhältnis relativ kleinen – Unfall doch, wie viel Probleme dieses Unternehmen hat, diese Plattform beziehungsweise diesen Unfall in den Griff zu kriegen. Und das muss in Zukunft aufhören, weil wir 450 Plattformen haben, wo immer ein Risiko besteht, dass so was passiert. Und wenn man sich die Statistiken tatsächlich anguckt, dann ist es eben so: Bei 500 Unfällen im Jahr, wo mehr oder weniger Öl ausläuft, ist eben immer damit zu rechnen, dass so was auch mal in einem größeren Ausmaß passieren kann.
Barenberg: Würden Sie denn so weit gehen, dass wir uns durchaus einstellen müssen auf die Möglichkeit, dass es auch eine Katastrophe größeren Ausmaßes gibt angesichts der Dinge, die Sie erwähnt haben, die sie genannt haben, was die Technik angeht?
Feddern: Das kann ich mit einem eindeutigen Ja beantworten. Das Risiko einer größeren Ölkatastrophe ähnlich wie im Golf von Mexiko ist auch in der Nordsee gegeben. Wir müssen uns vorstellen, es gibt einmal die Förderplattformen, die wir in der Nordsee stehen haben, aber es gibt auch Plattformen, die immer weiter nach Norden hochdringen, in die Tiefsee in den nördlichen Bereichen, um nach Öl und Gas zu suchen, und die Technik, die angewendet wird, ist identisch mit der Technik, die im Golf von Mexiko angewendet wird. Und es hat sich nach dem Unfall der Deepwater Horizon vom vergangenen Jahr grundlegend nichts geändert. Es gibt keine neuen Vorschriften, es gibt keine neuen Technologien. Es wird alles diskutiert, es wird alles hingehalten, und die Gefahr, dass so was bei uns passieren kann, besteht durchaus, ja.
Barenberg:Die Europäische Union hat ja schärfere Sicherheitsauflagen angekündigt, und sie sagt, derzeit ist sie dabei, zu prüfen, was ein Rückmeldungen aus den einzelnen Ländern kommt, und will im Herbst dann diese neuen Sicherheitsauflagen beschließen. Sind sie zuversichtlich, dass es dann Verbesserungen gibt in der Hinsicht?
Feddern: Es muss Verbesserungen geben! Ich gehe auch fest davon aus, dass die Europäische Union das erkannt hat nach diesem Desaster im Golf von Mexiko, und auch der Europäischen Union ist klar, dass die Techniken hier genau die gleichen sind, von daher gehen wir davon aus, dass es Verbesserungen geben wird. Was wir bemängeln und kritisieren, ist, dass wir gefordert haben, dass es bis dahin zumindest für die Tiefseebohrungen ein Moratorium gibt, um genügend Zeit zu haben, diese Pläne zu entwickeln und zu verabschieden und eben dieses Risiko auszuschließen, dass es zu Unfällen kommen kann. Als Beispiel: Kurz nach dem Unfall der Deepwater Horizon hatte eine große Plattform vor der norwegischen Küste ebenfalls einen Beinahe-Blowout, und man hat Monate lang ganz, ganz hart gekämpft, diesen Blowout zu verhindern. Das ist im letzten Augenblick gelungen. Das zeigt uns, wie gefährlich dieses Geschäft ist, und das müssen wir uns immer wieder vor Augen führen.
Barenberg: Und dieses Geschäft wird in immer größeren Tiefen getätigt, man sagt ja allgemein, dass die Ölvorkommen in der Nordsee ihrem Ende entgegen gehen, und es wurde gerade bekannt gemacht, dass ein großes Ölfeld in Norwegen gefunden wurde. Ist das eine Tendenz, dass auch in der Nordsee in immer größeren Tiefen gebohrt wird?
Feddern: Diese Tendenz ist eindeutig festzustellen, dass in immer größeren Tiefen gebohrt wird, mit dem Risiko, dass es zu Unfällen kommen kann, das ist weltweit festzustellen auf jeden Fall, weil die alten Ölfelder, die dicht an der Küste liegen, die also relativ leicht erschlossen werden können, deutlich zu Ende gehen. Und es ist auch eine Frage des Ölpreises: Ist der Ölpreis hoch, dann werden auch die alten Felder in der Nordsee, in der zentralen Nordsee weiter ausgebeutet, weil es sich für diese Unternehmen lohnt. Was die Unternehmen eben nicht machen wollen, ist zu investieren in bestehende Strukturen, das ist ihnen einfach zu teuer. Sie stehen da unter einem großen Wettbewerbsdruck untereinander, und deswegen versuchen sie, die Kosten so gering wie möglich zu halten. Und deswegen brauchen wir eben genau Vorschriften, damit es nicht zu Unfällen kommt, wie wir sie jetzt gerade wieder erlebt haben.
Barenberg: Aber Bohrungen in Tiefen von ... sagen wir, 1.500 Metern, wie das im Golf von Mexiko der Fall war, das gibt es natürlich in der Nordsee nicht?
Feddern: Die gibt es in der nördlichen Nordsee und im Nordostatlantik, da reden wir von 500 bis 600, 700 Meter Wassertiefe, und ab 200 Meter Wassertiefe beginnt für uns die Tiefsee, weil spätestens da ist es unmöglich, mit Tauchern runterzugehen, falls es zu Unfällen oder Problemen kommt. Das muss man dann alles mit ferngesteuerten Robotern machen, was ungleich schwieriger ist. Und die Bedingungen, die Druckbedingungen, die Lichtverhältnisse sind natürlich ganz andere als in Flachwasserbereichen.
Barenberg: Jörg Feddern von der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Feddern!
Feddern: Vielen Dank und auf Wiederhören!
Barenberg: Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Jörg Feddern: Schönen guten Morgen!
Barenberg: Herr Feddern, im Golf vom Mexiko ist tatsächlich ja ungleich mehr Öl ausgetreten. Verbietet sich von daher jeder Vergleich mit dem Leck in der Nordsee?
Feddern: Was die Ölmengen angehen, auf jeden Fall. Dort hatten wir es wirklich mit einer sehr, sehr schweren, vielleicht sogar der größten Ölkatastrophe zu tun im letzten Jahr. Dieses Mal ist der Unfall wesentlich kleiner, was die Mengen angeht, aber das Verhalten der Ölkonzerne, sprich: sowohl BP als auch jetzt Shell, ist doch sehr, sehr ähnlich. Wir haben gedacht, wir haben alle erwartet, dass sich zumindest nach dieser schweren Katastrophe im Golf von Mexico das Verhalten der Ölkonzerne verändert, soll heißen, wenn es zu Problemen kommt, dass sie umgehend sowohl Behörden als auch die Öffentlichkeit informieren und umfassend erläutern, wie sie mit einem solchen Unfall umzugehen haben und umzugehen gedenken. Das ist wieder nicht eingetreten, das hat eigentlich nur noch zur Konsequenz, dass den Ölkonzernen so was vorgeschrieben werden muss, weil es so ist. Man kann diese Konzerne da draußen auf dem Meer nicht alleine lassen.
Barenberg: Nun hat Shell ja Gründe vorgebracht, warum sie erst mit Verzögerung, sagen wir mal, die Öffentlichkeit informiert hatten. Sie wollten sich zuerst ein klares Bild davon machen, worin genau das Problem besteht. Kann man das nicht nachvollziehen?
Feddern: Das kann man vielleicht für 24 Stunden nachvollziehen, aber nicht für drei Tage, und dann eben auch, dass nach und nach scheibchenweise erst an die Öffentlichkeit gerät, dass es sich um ein Leck handelt; dann hieß es, es handelt sich um zwei, dann hieß es von Shell, es ist gar kein Leck, sondern das Öl sucht sich einen anderen Weg. Fakt bleibt, es tritt immer noch, nach über einer Woche, Öl, auch wenn in geringen Mengen, Öl aus der Leckage der Pipeline aus. Und das muss Shell jetzt umgehend reparieren, damit die Ausflüsse dieses Öls gestoppt werden.
Barenberg: Halten Sie das eigentlich für einen Einzelfall? Ich habe angedeutet, dass es Hunderte von Anlagen gibt in der Nordsee. Wie würden Sie sozusagen den technischen Zustand dieser Anlagen beschreiben?
Feddern: Zuerst einmal muss man wissen, dass in der Nordsee bis zu 450 Plattformen, im gesamten Nordostatlantik über 700 Plattformen, die nach Öl und Gas suchen oder Öl und Gas fördern, stehen, und diese Plattformen sind zum Teil schon sehr, sehr alt. Und es gibt Statistiken, die alle zwei Jahre veröffentlicht werden, dass pro Jahr im Schnitt 500 Unfälle im Bereich der Nordsee passieren, wo Öl austritt in kleineren Mengen, in mittleren Mengen, und jetzt in diesem Fall ist es ja als signifikant eingestuft worden. Wir haben dort draußen ein riesengroßes Industriegebiet mit relativ alten Anlagen, und da gilt es natürlich, genau wie wir es mit unseren Autos machen müssen, dass regelmäßig überprüft werden muss, ob diese Anlagen überhaupt noch dem technischen Standard entsprechen. Und sollte das nicht so sein – und das scheint ja der Fall zu sein –, dann müssen die Anlagen auf den neuesten Stand gebracht werden. Das ist mit Investitionen verbunden, und das scheuen natürlich die Unternehmen.
Barenberg: Und diese Art von TÜV oder sagen wir Regeln für die ständige Modernisierung der Technik gibt es nicht?
Feddern: Die gibt es; von Land zu Land ist das unterschiedlich. Die beiden größten Ölförderländer Norwegen und Großbritannien kontrollieren die Plattformen unregelmäßig, aber es gibt keine Vorschriften. Es gibt weder Vorschriften, dass die Ölkonzerne ihre Notfallpläne vorlegen müssen, es gibt keine Vorschriften, dass sie umgehend informieren müssen. Das basiert alles auf freiwilliger Basis. Und deswegen ist es eben so wichtig, dass diese Vorschriften umgesetzt werden, um dieses Risiko dieser Unfälle zu minimieren, und wenn es dann doch zu einem Unfall kommt, dass adäquat reagiert werden kann. Und wir sehen an diesem – ich sage es mal: im Verhältnis relativ kleinen – Unfall doch, wie viel Probleme dieses Unternehmen hat, diese Plattform beziehungsweise diesen Unfall in den Griff zu kriegen. Und das muss in Zukunft aufhören, weil wir 450 Plattformen haben, wo immer ein Risiko besteht, dass so was passiert. Und wenn man sich die Statistiken tatsächlich anguckt, dann ist es eben so: Bei 500 Unfällen im Jahr, wo mehr oder weniger Öl ausläuft, ist eben immer damit zu rechnen, dass so was auch mal in einem größeren Ausmaß passieren kann.
Barenberg: Würden Sie denn so weit gehen, dass wir uns durchaus einstellen müssen auf die Möglichkeit, dass es auch eine Katastrophe größeren Ausmaßes gibt angesichts der Dinge, die Sie erwähnt haben, die sie genannt haben, was die Technik angeht?
Feddern: Das kann ich mit einem eindeutigen Ja beantworten. Das Risiko einer größeren Ölkatastrophe ähnlich wie im Golf von Mexiko ist auch in der Nordsee gegeben. Wir müssen uns vorstellen, es gibt einmal die Förderplattformen, die wir in der Nordsee stehen haben, aber es gibt auch Plattformen, die immer weiter nach Norden hochdringen, in die Tiefsee in den nördlichen Bereichen, um nach Öl und Gas zu suchen, und die Technik, die angewendet wird, ist identisch mit der Technik, die im Golf von Mexiko angewendet wird. Und es hat sich nach dem Unfall der Deepwater Horizon vom vergangenen Jahr grundlegend nichts geändert. Es gibt keine neuen Vorschriften, es gibt keine neuen Technologien. Es wird alles diskutiert, es wird alles hingehalten, und die Gefahr, dass so was bei uns passieren kann, besteht durchaus, ja.
Barenberg:Die Europäische Union hat ja schärfere Sicherheitsauflagen angekündigt, und sie sagt, derzeit ist sie dabei, zu prüfen, was ein Rückmeldungen aus den einzelnen Ländern kommt, und will im Herbst dann diese neuen Sicherheitsauflagen beschließen. Sind sie zuversichtlich, dass es dann Verbesserungen gibt in der Hinsicht?
Feddern: Es muss Verbesserungen geben! Ich gehe auch fest davon aus, dass die Europäische Union das erkannt hat nach diesem Desaster im Golf von Mexiko, und auch der Europäischen Union ist klar, dass die Techniken hier genau die gleichen sind, von daher gehen wir davon aus, dass es Verbesserungen geben wird. Was wir bemängeln und kritisieren, ist, dass wir gefordert haben, dass es bis dahin zumindest für die Tiefseebohrungen ein Moratorium gibt, um genügend Zeit zu haben, diese Pläne zu entwickeln und zu verabschieden und eben dieses Risiko auszuschließen, dass es zu Unfällen kommen kann. Als Beispiel: Kurz nach dem Unfall der Deepwater Horizon hatte eine große Plattform vor der norwegischen Küste ebenfalls einen Beinahe-Blowout, und man hat Monate lang ganz, ganz hart gekämpft, diesen Blowout zu verhindern. Das ist im letzten Augenblick gelungen. Das zeigt uns, wie gefährlich dieses Geschäft ist, und das müssen wir uns immer wieder vor Augen führen.
Barenberg: Und dieses Geschäft wird in immer größeren Tiefen getätigt, man sagt ja allgemein, dass die Ölvorkommen in der Nordsee ihrem Ende entgegen gehen, und es wurde gerade bekannt gemacht, dass ein großes Ölfeld in Norwegen gefunden wurde. Ist das eine Tendenz, dass auch in der Nordsee in immer größeren Tiefen gebohrt wird?
Feddern: Diese Tendenz ist eindeutig festzustellen, dass in immer größeren Tiefen gebohrt wird, mit dem Risiko, dass es zu Unfällen kommen kann, das ist weltweit festzustellen auf jeden Fall, weil die alten Ölfelder, die dicht an der Küste liegen, die also relativ leicht erschlossen werden können, deutlich zu Ende gehen. Und es ist auch eine Frage des Ölpreises: Ist der Ölpreis hoch, dann werden auch die alten Felder in der Nordsee, in der zentralen Nordsee weiter ausgebeutet, weil es sich für diese Unternehmen lohnt. Was die Unternehmen eben nicht machen wollen, ist zu investieren in bestehende Strukturen, das ist ihnen einfach zu teuer. Sie stehen da unter einem großen Wettbewerbsdruck untereinander, und deswegen versuchen sie, die Kosten so gering wie möglich zu halten. Und deswegen brauchen wir eben genau Vorschriften, damit es nicht zu Unfällen kommt, wie wir sie jetzt gerade wieder erlebt haben.
Barenberg: Aber Bohrungen in Tiefen von ... sagen wir, 1.500 Metern, wie das im Golf von Mexiko der Fall war, das gibt es natürlich in der Nordsee nicht?
Feddern: Die gibt es in der nördlichen Nordsee und im Nordostatlantik, da reden wir von 500 bis 600, 700 Meter Wassertiefe, und ab 200 Meter Wassertiefe beginnt für uns die Tiefsee, weil spätestens da ist es unmöglich, mit Tauchern runterzugehen, falls es zu Unfällen oder Problemen kommt. Das muss man dann alles mit ferngesteuerten Robotern machen, was ungleich schwieriger ist. Und die Bedingungen, die Druckbedingungen, die Lichtverhältnisse sind natürlich ganz andere als in Flachwasserbereichen.
Barenberg: Jörg Feddern von der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Feddern!
Feddern: Vielen Dank und auf Wiederhören!
Barenberg: Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.