Sie ist 18 Jahre alt, Schülerin der Marjory Stoneman Douglas High School und Überlebende des Amoklaufs von Parkland
Als Emma Gonzalez am Wochenende vor Mitschülern, Lehrern, trauernden Angehörigen ihre Rede begann, bat sie um eine Schweigeminute – auch wenn das Repräsentantenhaus in Washington bereits geschwiegen hätte.
Emma Gonzalez engagiert sich für Menschenrechte, für Schwule, für Lesben. Sie hat Politik und Regierungslehre als Hauptfächer belegt. Und sie hat die Nase voll. Nach diesem Massaker mit 17 Toten haben sie und ihre Mitschüler aus der 12. Jahrgangsstufe eine Wahnsinnssut im Bauch: auf die laxen Waffengesetze; auf die Waffenlobby, auf die Politiker, die sich von der NRA schmieren lassen, der mächtigen National Rifle Association. Schämt Euch, ruft Emma Gonzalez in die Menge und Hunderte von Mitschülern, Lehrern, Eltern, Angehörigen skandieren: schämt Euch. Als würden sich zugeschnürte Kehlen lösen.
Wut und Trauer
Emma trägt die Haare stoppelkurz und sie wischt sich mit kurzen kindlich-trotzigen Bewegungen die Tränen aus dem ungeschminkten Gesicht – es wird in diesen Minuten zum Gesicht einer Protestbewegung gegen Waffengewalt und Waffenlobby. Emma verkörpert die Wut und die Trauer, die diese Generation Columbine plötzlich mit Wucht artikuliert – sie findet eine sprachliche Formel für diese Wuttrauer, die sie auf das Kürzel BS bringt: Für Bullshit. Für Nonsens. Oder Schwachsinn.
"Sie erzählen uns doch tatsächlich, dass strengere Waffengesetze die Gewalt nicht reduzieren könnten. Wir rufen: BS. Sie machen uns weis, das nur ein good guy mit einer Waffe einen bad guy mit einer Waffe stoppen könnte. Bullshit.!
"Sie machen uns vor, Waffen seien so gefährlich wie Messer oder Autos. Bullshit!"
"Und sie wollen uns glauben machen, dass wir nicht verstehen, wie Politik funktioniert. Bullshit."
Das Fass zum Überlaufen gebracht
Auf einmal ist "Genug ist genug" keine leere Parole mehr – sondern der buchstäbliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Einige Republikaner haben schon erkannt, welche Ansteckungskraft in dem bebenden Mädchen und ihren Mitschülern steckt. Paul Ryan etwa, der Mehrheitsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, der nach Las Vegas noch behauptete, es sei jetzt nicht an der Zeit, über schärfere Waffengesetze zu diskutieren – Paul Ryan sagt plötzlich: Man sollte es vielleicht doch tun. Andere haben es noch immer nicht begriffen: Erziehungsministerin Betsy de Voss etwa forderte im rechten Talk-Radio, man solle alle Lehrer bewaffnen, damit sie zurückschießen könnten. Emma Gonzalez hält Interviews tapfer dagegen: Schärfere Waffenkontrollen seien das mindeste – aber erst der Anfang.
Ist die Botschaft auch beim Präsidenten angekommen?
Plötzlich ist auch Donald Trump hellhörig geworden – der Präsident, der seiner Wählerschaft versprochen hatte, niemals an den Waffengesetzen zu rütteln, will jetzt doch über schärfere Kontrollen mit sich reden lassen. Er hat angekündigt, am Mittwoch mit Schülern und Lehrern zu diskutieren. Womöglich möchte er dem "March for our Lives" den Wind aus den Segeln nehmen - dem "Marsch für unser Leben", der von den Überlebenden von Parkland organisiert wird und am 24. März in die Hauptstadt führen soll. Er könnte vielleicht zu einer allzu machtvollen Demonstration werden. Emma und ihre Mitschüler haben nicht nur gute Argumente auf ihrer Seite, sondern auch die Moral. Wir werden den Politikern in Washington sagen, dass sie sich an uns Kindern schuldig machen, wenn sie weiterhin das Blutgeld der NRA annehmen, meint Emma. Wir werden sie vor die Entscheidung stellen: Entweder Ihr unterstützt uns Kinder. Oder die Killer.
Emma und die Schüler der Marjory Stoneman Douglas High School in Parkland, Florida, sind gerade dabei, ihre Wut und Verzweiflung in Hoffnung umzuwandeln: auf einen Rest an Anstand und Moral auf dem Capitol Hill.