"Danke, Gott" oder "Karma kriegt dich früher oder später" waren nur einige der Kommentare, die User auf Twitter kurz nach dem Bericht über die Festnahme Shkrelis veröffentlichten. Von einem "Schadenfreude fest" war ebenfalls in englischsprachigen Posts die Rede. Bei den Vorwürfen geht es nach Angaben der New Yorker Staatsanwaltschaft um Betrugsvorwürfe im Zusammenhang mit einem Hedge-Fonds, den der 32-Jährige im Jahr 2009 verwaltet hatte.
Er habe drei Millionen Dollar von Investoren bei Spekulationen verloren und versucht, das "durch ein Netz aus Lügen und Betrug" zu vertuschen. Die Investoren habe er über seine Geschäfte belogen, so die Staatsanwaltschaft. Nach Angaben von Shkrelis Anwälten weist der Pharma-Manager die Vorwürfe zurück und plädiert auf unschuldig. Er kam auf eine Kaution von fünf Millionen US-Dollar vorläufig wieder frei. Auf dem Weg aus dem Gericht gab er keinen Kommentar ab. Zurück zu Hause setzt er dann nur einen kurzen Tweet ab: "Froh, wieder zuhause zu sein. Danke für die Unterstützung."
Davon bekam der geschäftsführende Vorsitzende des US-Pharmakonzerns Turing auf Twitter allerdings nicht sehr viel, zumindest nicht im Verhältnis zu der Zahl der spottenden Kommentare. Es ist nicht das erste Mal, dass Shkreli sich einem "Shitstorm" ausgesetzt sieht. Man könnte auch sagen, er ist es gewohnt.
Im September erhöhte sein Konzern den Preis für das Medikament Daraprim von 13,50 US-Dollar auf 750 Dollar pro Pille, also um mehr als 5.000 Prozent. Daraprim wird bei einer durch Parasiten übertragenen Infektionskrankheit eingesetzt, die beispielsweise für Schwangere, Krebs- oder HIV-Positive gefährlich werden kann.
Shkreli verteidigte sich umgehend. Seine Begründung dafür, warum man eine Pille, die in der Herstellung etwa einen Dollar kostet, zu einem solch hohen Preis vertreibt: Man versuche lediglich, im Geschäft zu bleiben. Außerdem sollten die Einnahmen in die Forschung investiert werden. "Wir sind nicht das gierige Pharmaunternehmen, das Patienten ausnehmen wolle", sagte er. Mittlerweile hat das Unternehmen eigenen Angaben zufolge die Preise wieder etwas gesenkt.
Mediziner kritisieren Preissteigerung
In einem Interview mit dem Aktivisten Josh Robbins, der sich für die Belange von HIV-Position einsetzt, zeigte sich Shkreli überrascht von den negativen Reaktionen. Er und seine Kollegen hätten die Erhöhung eigentlich für eine gute Idee gehalten. Der Manager weist Vorwürfe zurück, das Medikament sei nun unbezahlbar geworden und gefährde Menschenleben.
Genau das aber befürchten Ärzte und Organisationen, wie etwa die Infectious Diseases Society of America in einem offenen Brief. Durch die Preissteigerung würde womöglich auf die Gabe von Daraprim, dem Mittel erster Wahl, verzichtet und Patienten damit schlechter behandelt. Außerdem könnten viele Patienten und das Gesundheitssystem die Kosten nicht tragen. Andere Mediziner bezweifeln zudem die Notwendigkeit, in diesem Gebiet weitere Forschungen anzustellen.
Turing ist nicht das erste Pharmaunternehmen, dass die Preise in den USA kräftig anzieht. Es sei ein verbreitetes Problem in den USA, berichtete die New York Times im September. Die US-Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton bezog im Zuge der Berichterstattung über Daraprim ebenfalls Stellung und forderte gesetzliche Schritte gegen solches Verhalten. Präsidentschaftsbewerber Donald Trump bezeichnete Shkreli als "verzogene Göre". Das Magazin "The Daily Beast" kührte Shkreli zum "meistgehassten Mann des Internets".
Wahrscheinlich ist auch Shkrelis Verhalten auf Twitter eine Erklärung, warum sein Unternehmen so viel Kritik abbekam. Er verteidigt sich dort gerne gegen Kritik und schießt zurück. Und er gibt auch dort zu: Er schüre gerne das Feuer.
Zum Beispiel auch mit Aktionen abseits des Pharma-Geschäfts. Im Mai hatte Shkreli die Platte der Hip-Hop-Gruppe Wu-Tang Clan "Once Upon a Time in Shaolin" bei einer Auktion ersteigert - für zwei Millionen Dollar. Es war das einzige Exemplar der Platte. Der Wu-Tang Clan hatte die ungewöhnliche Aktion im vergangenen Jahr angekündigt.
Gruppe distanziert sich von Shkreli
Der Besitzer des Albums mit 31 Songs darf damit alles machen, was er will - außer Geld mit der Aufnahme verdienen. Die Gruppe beteuert, sie habe zum Zeitpunkt des Verkaufs nichts über die Geschäfte Shkrelis gewusst und will nun einen erheblichen Teil des Geldes für einen guten Zweck spenden.
Shkrelis Hasstirade gegen den Wu-Tan Clan
Vielleicht hat der "Shitstorm" mit Shkreli auch mit Interviewaussagen des 32-Jährigen zu tun, wie sie auf dem Online-Portal "HipHopdDX" veröffentlicht sind. Er sagte dort mit Blick auf die Reaktion des Wu-Tan Clans: "Wenn ich dir zwei Millionen gebe, dann begegne mir verdammt noch mal mit Respekt." Während seiner Hasstirade gegen die Hip-Hopper benutzt er immer wieder das berühmte "f-word", spricht darüber, dass er Geld verdiene und damit am Ende machen könne, was er wolle. Nach dem Kauf des Albums betonte er dann, er wisse noch nicht, wann er Zeit finde, es zu hören. Nach der Festnahme Shkrelis nahm auch die Bundespolizei FBI die Debatte als Anlass für einen Scherz. Nein, man habe das Album nicht sichergestellt - ein Witz, der für viel Echo im Netz sorgte.
Vielleicht hat die Häme, die Shkreli auf Twitter entgegenschlägt, aber auch mit anderen bescheidenen Aussagen des Sohnes albanisch-kroatischer Einwanderer zu tun - wie etwa dieser: "Ich bin der erfolgreichste Albaner, der jemals auf dieser Erde gelebt hat."