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Martina Zöllner: Bleibtreu

"Wir lieben uns, wie sich noch nie zwei Menschen geliebt haben", schreibt Antonia über ihre einzigartige Beziehung. Ihr geliebter Christian ist allerdings etwas älter, er heiratete in dem Jahr, als sie geboren wurde, – und er ist noch immer verheiratet. Antonia ist also eine Geliebte, die des "semi-prominenten" Schriftstellers und Philosophen Christian Bleibtreu. Aber obwohl ihre Liebe einzigartig ist, wird ihr Unglück im Verlauf des heimlichen Verhältnisses immer gewöhnlicher. Es besteht in langen Wartezeiten zwischen kurzen Begegnungen, in sehnsüchtigen Telefongesprächen und im Lauern auf Zeichen von Veränderung: Trennt er sich doch noch von seiner Frau? Hat er auch wirklich nichts mehr mit ihr? Hat er vielleicht noch andere Verhältnisse?

Rezension von Eva Pfister |
    Das Unglück einer heimlichen Geliebten ist banal und außerdem entwürdigend. Das wird in Martina Zöllners ersten Roman "Bleibtreu" deutlich gezeichnet. Ihre Antonia ist wie die Autorin Fernsehredakteurin und zu Beginn der Handlung 36 Jahre alt. Sie macht sich allerdings weniger Sorgen um ihre Arbeit als um ihre schwindende Schönheit. Drei Jahre später beendet sie das Experiment der großen Liebe und begräbt die Hoffnung auf wirkliche Nähe und auf Familie. "Nähe" ist nämlich das Zauberwort zwischen Christian und ihr, denn so nahe, redet er ihr ein, waren sich zwei Menschen noch nie. Also deklariert er die Beziehung zum "Nähe-Projekt", fordert die totale Ehrlichkeit und lässt damit "Nähe" zur totalitären Kontrolle verkommen. Aus der Klemme zwischen befohlener Nähe und erzwungener Distanz rettet sich Antonia ins Schreiben. Das "Nähe-Projekt" wird zu Papier gebracht, und entgegen der Absicht der Schreiberin sieht da die große Liebe ganz schön alt aus.

    Natürlich ist Martina Zöllner nicht so naiv wie ihre Heldin. Sie versetzt Antonias Bericht mit erzählenden Passagen und unterfüttert die Geschichte mit reichlich Ironie. Freundin Waltraud hängt seit 25 Jahren in der Geliebtenexistenz und vertreibt mit ihren Erfahrungen die Illusion der Einzigartigkeit brutal. Und wenn Antonia ein zweites Angebot als Geliebte erhält, befinden wir uns schon im Satyrspiel zur Tragödie. Die Gefühle sind aufgebraucht: Als Sigi die Bedingungen der Beziehung klarmacht, also, wie es im Text heißt, den "Standardtext eines Ehemannes absonderte, der sich selbst und seiner Demnächst-Geliebten vormachen will, von Anfang an mit offenen Karten gespielt zu haben", hätte Antonia beinahe geantwortet:
    "Wenns weiter nichts ist".

    Es ist die Stärke von "Bleibtreu", dass der Roman die grausamen Mechanismen einer Geliebten-Haltung vorführt, wie sie manche Männer offenbar routiniert ausüben. Martina Zöllner bringt das bissig auf den Punkt und beschreibt zugleich einfühlsam die Leiden der einsam Wartenden. Wo es jedoch darum geht, eine Sprache für die Leidenschaft zu finden, wird die Autorin beinahe so unbeholfen wie ihre Heldin, da hilft auch die Ironie nicht weiter. Darum lässt sich schwer nachvollziehen, was Herrn Bleibtreu für die 25 Jahre jüngere Frau so anziehend macht. Ein Kuss, bei dem "seine energische Zunge ihren Mund erkundete", überzeugt nicht gerade von der einzigartigen Erotik der Beziehung.

    Martina Zöllner: "Bleibtreu", Roman, DuMont Literatur und Kunst Verlag Köln 2003, 374 S., geb., 19, 90 Euro