"Hier sollen später Workshops rund um unser Kunsthandwerk stattfinden" sagt Giuseppe Mitarotonda von der Casa Ortega, einem kürzlich eröffneten Museum in Matera. Der spanische Maler Josè Garcia Ortega war in den 70er-Jahren nach Matera gekommen, und fasziniert von der Tradition handbemalten Kacheln, der Farben und der archaischen Lebensweise, die er in seinen Werken abbildete.
"Dieses Projekt sieht noch mehr vor, als nur das Restaurieren seines Hauses und das Ausstellen seiner Gemälde. Es geht darum, das traditionelle lokale Kunsthandwerk wieder aufzuwerten, ihm seinen Platz zu geben."
Das älteste Viertel in Matera
Die Rückbesinnung auf alte Werte geschieht in Matera an jeder Ecke. Die Sassi, wie der älteste Teil Materas genannt wird, sind vom Schandfleck zum Aushängeschild der Stadt geworden und werden dementsprechend restauriert und in Szene gesetzt. Schweres Gerät kann man hier vergessen. Spitzhacke statt Bagger, Presslufthammer statt Abrissbirne.
Niedrige Hauseingänge, windschiefe Anbauten, winzige Fenster – was heute pittoresk wirkt, war früher das Viertel der Ärmsten. Die Menschen lebten hier ohne Strom und fließend Wasser, Seite an Seite mit Esel, Schwein und Hühnern. Die hygienischen Umstände waren katastrophal und so wurden die Bewohner vom italienischen Staat in den 60er-Jahren zwangsumgesiedelt. Danach verfielen die Behausungen, niemanden kümmerte es. Die Wende kam mit der Ernennung der Sassi zum UNESCO Weltkulturerbe 1992. Damals erkannte der Stadtrat den Wert und das touristische Potenzial der Sassi. Und auch jetzt ist es wieder ein Titel, der der Europäischen Kulturhauptstadt 2019, der in Matera für Auftrieb sorgt. Noch mehr Besucher brauchen noch mehr Hotels und noch mehr Restaurants. Oder? Der Ingenieur Giuseppe Enrico Demetrio lächelt.
"Es gibt immer mehr Unterkünfte für Touristen, das ist richtig, aber das ist eben die Öffnung nach außen, die diese Stadt erlebt."
Lange vergessen vom Rest der Welt
Jahrhundertelang führte Matera ein Schattendasein. Es lag abgeschnitten von den wichtigen Verkehrsadern im Landesinnern der Region Basilikata, vergessen vom Rest der Welt. Die Basilikata gilt in Italien auch heute noch als rückständig, weil sie hauptsächlich von Landwirtschaft lebt. Der Boden ist fruchtbar und das Klima weniger trocken als in weiten Teilen Süditaliens. Gemüse, Obst und Weizen gedeihen prächtig und sind inzwischen auf dem Weltmarkt begehrt. Bauern wie Benito Sofferto verkaufen ihre Produkte vor allem nach Nordeuropa.
"Wir bauen hier Zwiebeln, Lauch, Knoblauch an, außerdem Blumenkohl, Erbsen, Bohnen. Hinter dem Hügel dort beginnt die grüne Lunge Materas mit Oliven-, Mandel- und Feigenbäumen."
Europäischen Kulturhauptstadt 2019
Sofferto sieht dem emsigen Treiben in Matera mit Skepsis zu. Dass in drei Jahren Besuchermassen aus aller Welt herbeiströmen, um die Sassi zu besichtigen ist für ihn pure Theorie. Überzeugt sind dagegen Stadtrat und Handelskammer, die eine Agentur gegründet haben, um Matera auf das Großereignis 2019 vorzubereiten. Wettbewerbe für Kulturschaffende sind ausgeschrieben, Fördergelder versprochen. Matera hat die typische Lethargie, die Patina des Südens, abgelegt. Das stellt auch die Amerikanerin Elisabeth Jennings fest, die vor mehr als 30 Jahren der Liebe wegen nach Matera kam. Geändert habe sich so einiges, sagt sie belustigt.
"Als ich nach Matera kam, gab es hier nicht ein Café, in das Frauen einen Fuß setzten. Es gab nur schmuddelige Bars, in denen die Männer nach der Feldarbeit zum rauchen und Grappa trinken gingen. Heute ist das ganz anders."
Heute gibt es eine ganze Reihe schicker Cafés, vor allem in den Sassi. Und es gibt ein Literaturfestival, das Schriftstellerinnen vorbehalten ist, gegründet von Elizabeth Jennings. Matera ist ein Entwicklungsmodell für den ganzen Süden geworden. Wenn es jetzt gelingt, die Fördergelder für 2019 umsichtig einzusetzen und Infiltrationen der Organisierten Kriminalität zu verhindern, dann setzt Matera in Italien neue Maßstäbe.