Archiv

Mathias Döpfner
"Keiner will den Öffentlich-Rechtlichen Textelemente verbieten"

Für Mathias Döpfner sind Texte auf den Online-Plattformen der Öffentlichen-Rechtlichen kein grundsätzliches Problem. Der Axel-Springer-Chef und BDZV-Präsident plädiert jedoch für weniger Worte: ARD und ZDF sollten vor allem Videoplattformen wie Netflix und Youtube Konkurrenz machen, sagte Döpfner im Dlf.

Mathias Döpfner im Gespräch mit Stefan Koldehoff |
    Mathias Döpfner, spricht am 09.06.2015 auf der Gründerkonferenz NOAH im Tempodrom in Berlin.
    Mathias Döpfner, der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer SE und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (dpa / Gregor Fischer)
    Stefan Koldehoff: Was dürfen ARD, ZDF und das Deutschlandradio im Internet ihren Beitragszahlern anbieten? Was dürfen sie online stellen? Nur ihre Fernsehbeiträge und Hörfunk-Reportagen? Oder auch Texte? Das wollen die Verlegerverbände gern durchsetzen, wenn die Politik im Januar über den neuen Rundfunkänderungsstaatsvertrag und über den Telemedienauftrag beschließen. Öffentlich-rechtlich sei im Netz nicht nur zur - vermeintlich kostenlosen - Konkurrenz, sondern zur wirtschaftlichen Bedrohung für Zeitungen und Zeitschriften geworden, so lautet ihr Argument. Und darüber wird seit Monaten heftig gestritten - auf offener Bühne und hinter den Kulissen. Nach Klagen gegen Rundfunkanstalten haben zwei große Sender - ZDF und WDR - schon reagiert und das Textangebot auf ihren Websites spürbar reduziert.
    Einer, der in der Debatte besonders laut zu hören ist, ist Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender des Axel-Springer-Verlags und Präsident des BDZV, des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger. Ihn habe ich heute Vormittag gefragt, ob die Trennung zwischen Bild, Text, Audios und Videos nicht "ziemlich Eighties" sei und das Netz diese Grenzen längst aufgehoben habe.
    Döpfner: Das ist schon richtig, dass genau diese Trennung nicht mehr zeitgemäß ist, und nur deshalb ist überhaupt ein Problem entstanden. Denn würden sich öffentlich-rechtliche Radio- und Fernsehsender auf ihre angestammte Kernkompetenz, nämlich bewegtes Bild und Radiosendungen konzentrieren, würde es ja gar kein Problem geben.
    Heute ist es so, dass für den Nutzer die Alternative besteht, sozusagen gefühlt kostenlose Leseangebote der Öffentlich-Rechtlichen Sender zu lesen und damit im Grunde auf Angebote, die von Zeitungsverlagen stammen, zu verzichten. Jetzt kann man sagen, schadet doch nicht, aber vielleicht ist es nicht ganz im Sinne der Medienvielfalt und der Meinungsvielfalt, wenn es eines Tages fast nur noch oder wirklich nur noch Öffentlich-Rechtliche oder öffentlich-rechtliche Angebote gibt. Der private Wettbewerb hat schon einen großen Beitrag auch zur journalistischen Qualität, zu vielen Investigativ-Geschichten geleistet in Deutschland, und es wäre doch schön, wenn das in unserem wunderbaren dualen System auch in der digitalen Gegenwart so bleiben könnte.
    "Ein Drittel Text, zwei Drittel bewegte Bilder"
    Koldehoff: Nun sind ja im dualen System die meisten Ihrer Leserinnen und Leser auch Beitragszahler. Haben die nicht auch ein Recht darauf, wenn sie gern umfangreiche hintergründige Radiobeiträge nachlesen möchten, das zu tun?
    Döpfner: Ich glaube, kein Verleger hat ein Problem, wenn gewisse Zusammenfassungen oder hinführende Texte publiziert werden. Vorschlag wäre, ungefähr ein Drittel des Angebots könnte textdominiert sein, aber zwei Drittel sollten mit bewegten Bildern …
    Koldehoff: Wie kann man das quantifizieren, dieses Drittel? Wenn man es vorliest, oder die Menge, die dann auf einer Webseite zu sehen ist? Lässt sich das überhaupt sagen, was ein Drittel ist?
    Döpfner: Es fängt schon im Layout an, dass eben man nicht - wenn Sie heute die Webangebote vieler öffentlich-rechtlicher Sender – es sind ja nicht mehr alle, ZDF und WDR haben da bereits gezeigt, dass es auch anders geht -, aber wenn Sie die Angebote vieler angucken, dann sind die auf den ersten Blick komplett verwechselbar mit dem, was die "FAZ" oder die "Süddeutsche" oder "Die Zeit" oder "Die Welt" anbieten. Und das ist ja so ein bisschen so, jetzt stellen wir uns mal vor, in der analogen Welt hätte man mit dem Argument auch sagen können, warum sollen die Öffentlich-Rechtlichen dann nicht Gratiszeitungen vor die Haustüren legen? Die können ja Millionen von Gratiszeitungen drucken und kostenlos vor die Haustüren legen, der Gebührenzahler hat ja schon bezahlt, also soll es auch Zeitungsangebote geben. Das war ganz ausdrücklich nicht der Auftrag, sondern der Auftrag war ein anderer. Und ich finde, darauf muss man jetzt ein bisschen auch in der digitalen Gegenwart achten.
    Keiner will den Öffentlich-Rechtlichen verbieten, ihre Angebote zu digitalisieren, das müssen sie. Online ist nicht die Zukunft, sondern ist die Gegenwart, und jeder muss da wettbewerbsfähig sein. Deswegen müssen Öffentlich-Rechtliche vor allen Dingen auch Netflix und Youtube und anderen Kurzformvideoangeboten, die vor allen Dingen für junge Zielgruppen attraktiv sind, Konkurrenz machen. Das ist eine Priorität, aber vielleicht eine wichtigere Priorität, als jetzt zu versuchen, den Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen Konkurrenz zu machen. Das war nie so, und ich finde, das muss auch in der digitalen Gegenwart so nicht sein.
    Mathias Döpfner, Vorsitzender der Axel Springer SE und Präsident des Zeitungsverlegerverbandes BDZV, fordert seit längerem, dass es beim Online-Angebot der Öffentlich-Rechtlichen nur kurze Texte geben solle, die das Audio- und Videoangebot nur unterstützen. Bisher seien die Online-Texte, so Döpfner, größtenteils zu lang. Dadurch bestünde der Verdacht der Presseähnlichkeit. Mehr über den Verlegerstreit über das Netz.

    Im September 2017 rückte Matthias Döpfner die öffentlich-rechtlichen Internetangebote in die Nähe einer "gebührenfinanzierten Staatspresse" nach dem "Geschmack von Nordkorea". Damit entfachte er eine öffentliche Diskussion. Mehr zur Debatte.
    Öffentlich-rechtliche Angebote erschweren Finanzierung
    Koldehoff: Bild.de knapp über 400 Millionen Visits, Spiegel online um die 250 Millionen, tagesschau.de knapp 70 Millionen - selbst das sind noch Zahlen, von denen wir hier beim Deutschlandradio kurz vor Weihnachten wahrscheinlich träumen. Sind wir wirklich eine Gefahr?
    Döpfner: Ja, vor allen Dingen, weil es ja gar nicht so sehr jetzt nur um die Reichweitenzahlen geht. Da könnte man ja sagen, es gibt private Angebote, die höhere Reichweiten erzielen. Es geht aber darum, dass die Angebote der Öffentlich-Rechtlichen es den Privaten unmöglich machen, Geld für ihre Angebote zu nehmen. Und dieses Geld ist wichtig, um Qualitätsjournalismus zu finanzieren. Die öffentlich-rechlichen Sender sind ja auch nicht kostenlos, die haben ja ein sehr hohes Gebührenvolumen von mehr als acht Milliarden Euro pro Jahr, die der Gebührenzahler bezahlt.
    Ich denke, es muss irgendwo ein System geben - das sind ungefähr schon 42 Prozent der Ausgaben, die ein durchschnittlicher Privathaushalt in Deutschland für Medien ausgibt. Wenn jetzt die Öffentlich-Rechtlichen ihren Auftrag immer weiter definieren und immer mehr machen, dann wird der Raum für andere Ausgaben für Medienkonsum immer geringer und damit natürlich der Lebensraum für die Vielfalt der privaten Verlage geringer. Und ich glaube, das ist nicht gut für unser duales System und auch nicht gut für die Meinungsvielfalt in der Demokratie.
    "Keiner will Schlagworte verbieten"
    Koldehoff: Aber wie lange, Herr Döpfner, wird denn das duale System dann überhaupt noch ein duales bleiben können? Suchmaschinen orientieren sich an Text. Wenn bestimmte Schlagworte nicht mehr da sind, werden Radio und Fernsehen irgendwann im Netz wahrscheinlich gar nicht mehr zu finden sein.
    Döpfner: Keiner will Schlagworte und solche Textelemente verbieten, ganz im Gegenteil. Wenn Sie konkret schauen, wie es beispielsweise das ZDF macht: Das ZDF hat auch Textelemente, aber es ist wesentlich dominiert vom Aspekt Video. Und damit lebt das ZDF gut, und das ist aus meiner Sicht ein ganz konkretes Vorbild, wie es gehen könnte. Und der WDR ist jetzt auch in eine ähnliche Richtung unterwegs und zeigt auch hier konstruktiv, dass es gehen kann. Es gibt aber eben einige, insbesondere Landessender, die sehr minutiöse, wirklich regionalisierte Angebote haben, bis auf die einzelne Gemeinde runtergebrochen mit ausführlichsten Textangeboten. Und da entsteht das Problem insbesondere für die Regionalzeitungsverlage.
    "Wir hatten einfach den Eindruck, wir kommen nicht weiter"
    Koldehoff: Über den Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen wird ja im Moment neben dem sogenannten Telemedienauftrag auch diskutiert. Sie haben im September beim Kongress der Zeitschriften- und Zeitungsverleger in Stuttgart gesagt, dass die öffentlich-rechtlichen Onlineangebote, Zitat, "nichts anderes als eine gebührenfinanzierte digitale Staatspresse" seien. Von Nordkorea war auch die Rede, gar nicht unbedingt so im Konjunktiv, wie es hinterher dargestellt wurde. Was meinen Sie mit "Staatspresse"?
    Döpfner: Zum einen, wir haben wirklich seit vielen Jahren versucht, mit der ARD hier vernünftige Kompromisse zu finden und Einigungen zu finden, und wir hatten einfach den Eindruck, wir kommen nicht weiter, wir sind seit vielen Jahren immer wieder auf der Stelle getreten, und deswegen war sozusagen diese polemische Zuspitzung auch so ein bisschen der Versuch, Gehör zu finden. Und das hat ja auch eine positive Wirkung gehabt, weil es jetzt eine breitere Debatte gibt. Und die Debatte ist gut.
    Zum ernsthaften Kern. Wenn das, was ich vorhin beschrieben habe, so ungebremst weitergeht, dass also in der digitalen Medienrealität der Raum für die Öffentlich-Rechtlichen mit diesen Gebühren, die sie ja nicht am Markt erwirtschaften müssen, sondern die ihnen quasi vom Gesetzgeber zugesprochen werden, das ist ja so ähnlich wie eine Steuer, wenn mit diesen Gebühren immer mehr möglich ist, und auf der anderen Seite den privaten Verlagen die Luft ausgeht, dann schränkt das die Medienvielfalt ein. Und wenn dann am Ende diese wenigen Akteure, die es dann noch gibt, sozusagen nur unter politischer Aufsicht und von den Aufsichtsgremien verschiedener Parteien, die dort vertreten sind, kontrolliert werden, dann ist das schon ein sehr starker Einfluss des Staates in unser Mediensystem.
    Staatspresse? - "Nie auf die Journalisten bezogen"
    Koldehoff: Aber dann wäre es doch tatsächlich in diesem System, in dem wir beide, private wie öffentlich-rechtliche Medien, im Moment tatsächlich einen Vertrauensverlust wahrnehmen, und in dem ein Wort wie "Staatspresse" doch auch immer mitschwingen lässt, die werden von oben gesteuert, die kriegen ihre Ansagen, was da passieren soll, anders als in den privaten Medien. Wenn man das nicht mehr wiederholen würde, sondern tatsächlich auch auf die Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien hinweisen könnte.
    Döpfner: Ja. Und vor allen Dingen hat sich das ja nie und zu keinem Zeitpunkt auf die Journalisten bezogen. Ich glaube, die Journalisten …
    Koldehoff: Ich habe es auch noch nicht erlebt, und ich arbeite hier inzwischen seit 18 Jahren.
    Döpfner: Überhaupt nicht. Nein. Das ist auch niemals wirklich gemeint gewesen, sondern es geht eigentlich hier nur – das ist vielleicht überhaupt ein Missverständnis. Ich danke Ihnen, dass Sie das noch mal nachfragen, weil sich das nie auf die Journalisten und die journalistischen Leistungen bezogen hat. Keiner unterstellt, dass da Einfluss genommen wird oder sich irgendeiner diesem Einfluss beugt. Aber das System an sich ist natürlich durch seine Gebührenstruktur und durch seine Aufsichtsstruktur eines, das stärker mit der Institution des Staates verbunden ist als das der sehr unabhängige sich ja am Markt nur durch die freiwillige Entscheidung der Leserinnen und Leser, für ein solches Angebot zu bezahlen, refinanzierende private Sektor ist. Und diese Balance, die müssen wir aufrechterhalten, und da ist jede Differenzierung nötig, und ich finde auch, dass wir versuchen sollten, das Ganze zu versachlichen. Absolut.
    "Ich finde jeden Gesprächsimpuls gut"
    Koldehoff: Sie haben vorhin gesagt, Herr Döpfner, es sind Gespräche geführt worden zwischen den Öffentlich-Rechtlichen und Ihnen auch als Vorsitzendem, als Präsidenten des Bundesverbandes der Zeitungsverleger. Die haben zu nichts geführt, so Ihre Bewertung. Das heißt, wenn jetzt am 12. Januar die Rundfunkkommission der Länder politisch entscheiden wird, wie geht es weiter mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, mit dem Telemedien-Auftrag, dann würden Sie vorher auch keine Einladung der Intendanten zu einem weiteren Gespräch mehr annehmen?
    Döpfner: Doch. Ich finde jeden Gesprächsimpuls gut und würde immer jede Einladung annehmen. So habe ich es auch in den vergangenen Jahren gehalten. Und ich habe ohnehin das Gefühl, dass sich jetzt hier doch etwas bewegt. Und es gibt überhaupt auch in der ARD, das ist ja Gott sei Dank eine sehr vielfältige Organisation mit vielfältigen Meinungen, doch viele, die sagen, lasst uns lieber hier vernünftige Kompromisse finden. Wir müssen nicht in erster Priorität jetzt digitale Zeitungsverleger werden. Wir haben so viele Hausaufgaben im Bewegtbildbereich und im Hörfunkbereich zu bewältigen. Ich glaube, dass es hier Bewegung gibt und stehe natürlich jederzeit für jedes Gespräch zur Verfügung.
    Aber was wir auch nicht machen dürfen - es geht jetzt, Sie haben es konkret angesprochen, Rundfunkstaatsvertrag. Da ging es ja darum, dass anstatt sozusagen vielleicht noch die Aktivitäten etwas einzuschränken auf diesem Gebiet, sie sogar noch ausgeweitet werden sollten, indem der Aspekt des Sendungsbezugs, der bisher eine Einschränkung bedeutete, dieser Aspekt sollte wegverhandelt werden. Der sollte entfallen, und damit wäre sozusagen noch mehr Spielraum für die ARD entstanden. Und ich finde es jetzt schon wichtig, dass wir neben Gesprächen dann auch wirklich verbindliche Regelungen treffen, die dann auch den privaten Verlagen eine wirklich sichere Perspektive bieten, in der sie dann mit hoffentlich guter Qualität entweder erfolgreich sein können, oder, wenn sie nicht gut genug sind, eben nicht erfolgreich. Das ist ja der freie Wettbewerb sozusagen, der im Wesentlichen durch das journalistische Angebot und seine Qualität auch gewonnen oder verloren wird.
    Koldehoff: Und wenn unser Interview gleich beendet ist und gesendet dann auch, dann nicht abtippen, nicht zusammenfassen, sondern einfach nur ein Bild von Ihnen, eine Überschrift und einen Audiobutton?
    Döpfner: Vielleicht ein kleiner hinführender Text, der so ein bisschen zusammenfasst, was wir besprochen haben, und dann der Hinweis auf unsere Sendung, genau, ja.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.