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Mecklenburg-Vorpommern
Lehramtsstudierende übernehmen Unterricht an einer Schule

150 Studierende übernahmen in einer Regionalschule bei Greifswald den Unterricht. Sie boten den Fünft- bis Zehntklässlern einen Mix aus freien Angeboten, halbselbstständigem Arbeiten und Aufgabenpaketen an. Das Projekt sollte mehr Praxisnähe ins Lehramtsstudium bringen. Erfolgreich, denn im Wintersemester geht es weiter.

Von Silvana Mundt |
    Ein Junge wirft in einem Klassenzimmer mit einem Gegenstand. Im Hintergrund ist ein Tafelbild mit einer Hexe.
    Viel Spaß für die Schüler und eine enge Verbundenheit mit den Lehramtsstudierenden - die Pädagogik der Vielfalt will weg vom Frontalunterricht (dpa / picture alliance / Felix Kästle)
    Alle Tische und Bänke stehen anders als sonst, die Tafel ist nicht mehr Mittelpunkt im Raum und überall stehen die Türen einladend offen, wie hier in der vierten Klasse:
    Schnell lassen sich die Kinder auf die neue Methode ein, wollen Tanzforscher, Fußball- oder Mückenforscher sein. Während in der vierten Klasse völlig frei geforscht wird, arbeiten die Schüler der fünften Klasse nach dem Prinzip des kooperativen Lernens. Von Klassenstufe sechs bis neun wird in vorgegebenen Feldern geforscht, dort mithilfe moderner Medien, für die zehnte Klasse steht das Selbstkonzept im Mittelpunkt und die Frage: Wer bin ich, was kann ich?
    Pädagogik der Vielfalt
    Erziehungswissenschaftlerin Sabine Schweder leitet das Projekt. Sie nennt das, was die Studierenden hier ausprobieren dürfen, die Pädagogik der Vielfalt:
    "Die ideale Mixtur ist, dass wir zu einem Drittel forschend Lernen, frei Lernen, selbstständig Lernen lassen, damit die Kinder lernen, ihre Lernen selbst in die Hand zu nehmen, dann braucht es Phasen, wo sie angeleitet werden, um Wissensbestände zu erschließen, die sich so selbstständig nicht erschließen lassen und wir brauchen drittens ein Angebot, wo sie halbselbstständig arbeiten. Das heißt, sie bekommen Aufgabenpakete, die sind definiert, aber sie können entscheiden, welche Aufgaben sie wählen und, in welcher Reihefolge und wie viel sie schaffen möchten. Und diese Mixtur wäre die ideale Schule."
    Sabine Schweder hält diesen Mix auch für den Weg in eine erfolgreiche Inklusion und während die Kinder inzwischen über Teilfragen nachdenken, die sie zu ihrer Lösung führen sollen, müssen die 150 Studierenden des Projektes "Schule machen" alle Aufgaben lösen, die im Schulalltag anfallen:
    Mehr Praxisnähe
    Aufsicht in den Pausen, Angebote für den Nachmittag erarbeiten, auch mal einen Streit schlichten. Dabei und auch mit den Schülern wirken die angehenden Lehrerinnen und Lehrer sehr souverän, jeder hat seine Rolle gefunden. Am Ende ist die Projektidee von "Schule machen", also das Lehramtsstudium praxisorientierter zu gestalten, aufgegangen, resümiert Johannes Köpke aus dem studentischen Schulleitungsteam:
    "Ich glaube, dass viele ... also man merkt ja, wie die mit den Kindern umgehen, wie sie mit den Schülern auf dem Hof agieren, wie da wirklich die Schüler auf die Studenten zugehen und wie nach drei Tagen so eine enge Verbundenheit da ist, dass man sagt: Hoffentlich kommen die nächste Woche – so sieht es aus ... teilweise – nächste Woche wieder. Und ich denk‘, dass viele gute Praxiserfahrungen gesammelt haben und weiter darin bestärkt sind, was sie studieren."
    Auch die Dozenten haben sich gut vernetzt, meint Sabine Schweder. Erstmalig haben sich an der Universität Greifswald für das praxisnahe Studium die beteiligten Institute: also Didaktik, Pädagogik und auch die fachlichen Institute zusammengetan:
    "Diese Art von Vernetzung hat uns gegenseitig inspiriert, wir sind zusammengewachsen, wir reflektieren und wir haben eigentlich mehr oder weniger beschlossen, das zu wiederholen, können jetzt nur hoffen, dass die Schule dazu bereit ist."
    Das ist sie! - hat Schulleiter Bernd Leu schon signalisiert. Er versteht sein Haus mittlerweile als eine Art Laborschule für die nahe gelegene Hochschule. Dort hat inzwischen die Aufarbeitung des Projektes begonnen, anhand von Videos, Fotos und der einzelnen Portfolios – der Forschertagebücher:
    Zwei Jungen, Karl und Hagen, haben ein Radio auseinandergenommen. Beide Kinder sitzen tief vornübergebeugt über den Einzelteilen, ihre Köpfe dicht beieinander, die Nasen berühren fast den Tisch. Beide Viertklässler sind völlig in ihr Gespräch über Batteriesäure und die Gefahr von Strom vertieft.
    Folgeprojekt fürs Wintersemester geplant
    Sie greifen immer wieder zu ihrem Portfolio ... Es dokumentiert, wie sie ihre Forscherfrage: "Wozu braucht man Technik" lösen wollen ... die Herangehensweise wollen die Projektteilnehmer mit Sabine Schweder gemeinsam bewerten und erforschen. Nach dem ersten Seminar im Anschluss an das Projekt ist klar: Keines der Kinder wird für sein Portfolio benotet, sondern eine individuelle Rückmeldung von den Studierenden erhalten:
    "... ich lass das dann auf farbige Zettel schreiben, dieses Feedback und dann geben wir das den Kindern so zurück. Wollen wir so machen? // Ja!"
    Bereits für das Wintersemester ist ein weiteres schulpraktisches Experiment geplant – dieses Mal in der zehnten Klasse einer Greifswalder Schule. Interessierte gibt es nach diesen drei Tagen "Schule machen" vermutlich genügend.