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Medien im Umbruch
Das Ringen um Vertrauen und Glaubwürdigkeit

"Schöngefärbt", "umgedreht", "Lügenpresse": Journalisten sehen sich und ihre Arbeit infrage gestellt wie selten zuvor. Durch neue Informationskanäle im Internet schwindet die Deutungsmacht der klassischen Medien über gesellschaftliche Ereignisse. Aber die veränderten Rahmenbedingungen bieten auch Chancen.

Von Benjamin Dierks | 25.11.2015
    Pegida-Anhänger während einer Demonstration in Dresden am 25. Januar 2015.
    Der Vorwurf "Lügenpresse" stellt die Arbeit von Fernsehen, Radio und Zeitung in Frage (imago/Reiner Zensen)
    Lügenpresse – seit Monaten schallt dieser Ruf Journalisten entgegen, die über Demonstrationen der Partei Alternative für Deutschland und der Pegida-Bewegung berichten. Und nicht nur dort. In dem Schlagwort Lügenpresse spitzt sich zu, was in Foren, Zuschriften und in den sozialen Medien zu lesen steht: Menschen äußern - oft drastisch und pauschal - ihre Ablehnung gegen Tages- wie Wochenzeitungen, Magazine, Fernsehen und Hörfunk. Viele Redakteure und Reporter fragen sich: Wie noch kommunizieren mit Lesern, Zuschauern oder Hörern, die an einem Austausch offenbar immer weniger Interesse haben.
    "Er hat gesagt vorhin, das ist eine Karnevalsveranstaltung hier. Und das ist das ZDF. Der muss raus hier, weg hier."
    In dieser Szene hatten es die Kollegen der ZDF-Satiresendung "heute show" auf ihre Art versucht. ZDF-Mann Ralf Kabelka begleitete vergangene Woche eine AfD-Demonstration in Berlin als Clown verkleidet und tat so, als berichte er über eine misslungene Karnevalsveranstaltung. Das fand – wie zu hören ist – dort kaum jemand komisch. Eine besondere Situation also. Dass die Kommunikation zwischen Demonstranten und Journalist scheiterte, war kalkuliert. Doch auch der Versuch, Menschen ganz ohne Ironie nach ihren Motiven des Protests zu befragen, verläuft häufig nicht erfolgreicher. Das zeigt der Mitschnitt der Deutschlandfunk-Redakteurin Claudia van Laak, die bei dieser AfD-Demo in Berlin mit einem Teilnehmer ins Gespräch kommen wollte.
    "Kein Kommentar. Sie wissen doch, wie das ist mit der Presse." – "Ach so, wie ist denn das?" – "Wird doch alles umgedreht, was man sagt. Schöngefärbt, umgedreht. Darum: Einen Kommentar zu geben, hat keinen Sinn."
    Schöngefärbt, umgedreht, so sei das mit der Presse. Ob bei der Berichterstattung über die Krise in der Ukraine, über die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland oder die Terroranschläge von Paris, ein Vorwurf lautet immer wieder: Die Journalisten würden nicht das berichten, was wirklich geschehe, sie würden verzerren, sie seien von oben gelenkt.
    Viele haben wenig bis gar kein Vertrauen in die Medien
    "Also, wir hatten das schon immer, dass wir so wüst beschimpft wurden, dass es so einen Angriff auf uns gab, dass wir mit einem Meinungsmonopol in Verbindung gebracht wurden. Aber dass es von einer relativ breiter werden Schicht von Menschen kommt, das ist neu."
    Brigitte Fehrle ist die Chefredakteurin der Berliner Zeitung. Ihre Beobachtungen teilen Verantwortliche anderer Zeitungen, Online-Medien und Sender. Eine ganze Reihe an Umfragen haben Medienhäuser in letzter Zeit in Auftrag gegeben. Eine Umfrage von infratest-dimap im Auftrag der Wochenzeitung "Die Zeit" etwa kam im Juni zu dem Schluss, dass 53 Prozent der Bürger wenig und 7 Prozent gar kein Vertrauen in die Medien hätten. ZDF-Intendant Thomas Bellut stellte hingegen im Juli eine Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen vor, wonach zumindest das Vertrauen in die Qualitätszeitungen und öffentlich-rechtlichen Sender weiterhin hoch sei.
    "Man hört ja oft die Lautesten am stärksten und am direktesten. Aus meiner Sicht valide Umfragen zeigen, dass bis zu 20 Prozent der Menschen in diesem Land zumindest diesen Lügenpresse-Vorwürfen nicht fernstehen und glauben, dass Kampagnen geschmiedet werden und dass systematisch manipuliert wird. Weit höhere Zahlen sind nach meiner Kenntnis so nicht haltbar", sagt der Medienforscher Bernhard Pörksen von der Universität Tübingen. Er zitiert eine Umfrage von ARD und infratest- dimap vom Oktober. Nun wurde der Begriff Lügenpresse seit der Mitte des 19. Jahrhunderts immer wieder benutzt, um gegnerische oder unliebsame Medien zu diskreditieren. Im Ersten Weltkrieg war er gegen die Auslandspresse der Länder gerichtet, mit denen das Kaiserreich Krieg führte. Dann hetzten vor dem Zweiten Weltkrieg die Nationalsozialisten damit gegen angeblich von Juden kontrollierte Zeitungen. In der DDR galten die Medien des Westens als Lügenpresse.
    "Lügenpresse ist zweifellos ein ideologischer Holzhammer"
    "Das Schlagwort Lügenpresse ist ganz zweifellos ein ideologischer Holzhammer, der geschwungen wird, der uns nicht strukturell weiterbringt, um präziser zu identifizieren, was leistet Journalismus, und wo hat er auch Schwächen in der Leistung." Die Journalistik-Professorin Margreth Lünenborg von der Freien Universität Berlin glaubt aber sehr wohl, dass die deutsche Medienwelt allen Grund hat, sich mit den eigenen Leistungen und Fehlleistungen gründlich auseinanderzusetzen. "Das reflexhafte und auch legitime Zurückweisen des Lügenpresse-Vorwurfs entledigt nicht der selbstkritischen Reflexion von Lücken, Leerstellen und Bias, der in der Berichterstattung stattfindet."
    Was heißt es also, wenn weniger Menschen klassischen Medien ihr Vertrauen schenken? Und was ist daran selbst verschuldet? Auch der Deutschlandfunk denke intensiv darüber nach, sagt Stephan Detjen, Chefkorrespondent im Hauptstadtstudio des Senders.
    "Wir haben in den letzten Jahren im Dreiecksverhältnis Bürger, Politik, Medien wechselseitige Vertrauenskrisen wahrgenommen und beobachtet. Wir haben das als Medien abbekommen in Wogen von heftiger kritischer Hörerpost bei uns auch im Deutschlandfunk - etwa im Zusammenhang mit unserer Berichterstattung über die Ukraine-Krise, aber auch im Zusammenhang mit unserer Berichterstattungen über die Pegida-Demonstrationen in Dresden, scharfe Kritik, ein Vertrauensabriss, eine Spaltung zu Teilen auch unserer Hörerschaft, wie wir feststellen mussten."
    Das eigene Tun mehr reflektieren
    Presse, Hörfunk, Fernsehen und die digitalen Formate spielen eine unverzichtbare Rolle in einer Demokratie. Sie sollen informieren und dem Bürger dabei helfen, sich seine Meinung zu bilden. Sie sollen der Exekutive, der Legislative und Judikative auf die Finger schauen, sie kontrollieren und kritisieren. Sie sollen zur Bildung beitragen und nicht zuletzt auch unterhalten. Ihre Aufgaben und ihre Rechte sind im Grundgesetz verankert. Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt dabei eine besondere Rolle zu.
    "Und ich glaube, dass in dieser Situation es für Medien wichtig ist, sich auch selber in ihrem Tun mehr denn je selbst zu reflektieren. Wir beobachten politisches Geschehen, wir werden aber auch mehr denn je - auch durch technische Entwicklungen, auch durch die sozialen Medien - selbst beobachtet. Und wir wissen, dass auch wir in unserer Berichterstattung von den Beobachtungen anderer leben, also diese Selbstbeobachtung ist für Medien existenziell geworden."
    Viele Medienunternehmen setzten sich seit Monaten mit diesen Themen auseinander. Auch der Deutschlandfunk lädt an diesem Donnerstag und Freitag gemeinsam mit der Bundespressekonferenz und der Bundeszentrale für politische Bildung in Berlin ein zu einer Konferenz unter dem Titel "Formate des Politischen". Stephan Detjen ist einer der Gastgeber der Konferenz. "Der Begriff der Formate im Titel unserer Konferenz verweist auf die sich verändernden Formen, in denen sowohl im Bereich der Politik, des Parlaments, von Regierungen, aber auch im Bereich der Medien nach neuen Arten und Weisen gesucht wird, politische Prozesse zu gestalten, zu steuern und darüber zu berichten."
    Die Deutungsmacht schwindet
    Vertreter der Branche wollen gemeinsam mit Politikern, Bürgern und Wissenschaftlern wie Bernhard Pörksen und Margreth Lünenborg diskutieren, wie Politik und Journalismus sich verändern und wie Journalisten in einer sich wandelnden Medienwelt berichten und einordnen können.
    "Aus meiner Sicht können wir aktuell konstatieren, dass Journalismus bestimmte Autorität von Deutungsmacht über gesellschaftliche Ereignisse eingebüßt hat, dass diese Autorität schwindet, dass diese Autorität infrage gestellt wird. Das halte ich aber per se auch gar nicht für eine Tragödie, sondern durchaus auch für ein emanzipatorisches Moment von einem öffentlichen Diskurs." Es geht also um mehr als die Frage nach Vertrauen, sagt Margreth Lünenborg. Journalismus muss auch seine Rolle neu finden in einem Umfeld, in dem Menschen sich etwa in Internet-Foren viel einfacher eine eigene Öffentlichkeit schaffen können. In der die Gesellschaft nicht allein auf Journalisten als Vermittler angewiesen ist. Was das bedeutet, erlebt Stefan Plöchinger. Er ist Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung und leitet das digitale Angebot des Blatts.
    Ein neues Medien- und Informationsökosystem entsteht
    "Heute kann ich mich aus einer Vielzahl von Medien informieren, was die Konkurrenz zwischen den Medien, a. größer macht, b. treten neue Akteure hinzu, wie eben Privatpersonen, Blogger, jeder Einzelne kann letztlich auf Facebook eine Gruppe gründen und zu einem Medium für Tausend andere Leute werden. Entsprechend ändert sich Visibilität und ändert sich Diskurs in der Gesellschaft – nicht immer zum Besseren, aber auch sicher nicht immer zum Schlechteren, sondern wir haben es einfach mit einem neuen Medien- und Informationsökosystem zu tun."
    Dass Journalismus anders wahrgenommen wird, liegt somit auch daran, dass er zu einer Stimme unter vielen geworden ist. Viele können Informationen und Meinungen heutzutage in die Öffentlichkeit tragen. Das können Augenzeugenberichte sein, Kommentare, das kann Kommunikation sein, die von Interessen geleitet ist, zum Beispiel von Unternehmen, auch Propaganda und Fehlinformationen oder die direkte Meinung von Politikern, die sich ohne Umwege über die Presse per Kurznachricht auf Facebook oder Twitter melden. Früher war es Journalistinnen und Journalisten vorbehalten auszuwählen, was über ihre jeweiligen Vertriebskanäle einem größeren Publikum zugänglich wird.
    Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) vor der Bundespressekonferenz.
    Gehört zu den politischen Ritualen: die Bundespressekonferenz. (picture alliance / dpa/ Wolfgang Kumm)
    "Herzlich willkommen, liebe Kolleginnen und Kollegen zu dieser Regierungspressekonferenz, ich begrüße sehr herzlich unsere Gäste, die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien sowie den stellvertretenden Regierungssprecher Georg Streiter, der uns sicherlich gleich viele Fragen beantworten wird ..."
    Das Haus der Bundespressekonferenz in Berlin am vergangenen Montag. Der ZDF-Korrespondent Nick Leifert sitzt im Vorstand des Vereins und leitet die PK, in der die Pressesprecher des Bundeskanzleramts und der Bundesministerien den Journalisten Frage und Antwort stehen. Das ist eine Besonderheit in Deutschland: Nicht die Regierung lässt die Journalisten zu sich kommen, sondern die Presse lädt dreimal in der Woche die Regierung ein, sich zu erklären. Die Bundespressekonferenz, eine Institution des Hauptstadtjournalismus, die 1949 gegründet wurde und ihre Tradition in der Weimarer Republik hat. Hier treten Journalisten seither mit der Bundesregierung in Kontakt und verarbeiten die Informationen, die sie erhalten, zu Nachrichten.
    "Historisch hat Journalismus seine Autorität auch dadurch gewonnen, dass er Formen entwickelt hat, mit denen er Blicke auf die Wirklichkeit herstellt. Die Nachricht gilt als die Form objektiver Aussagen über Wirklichkeit. Damit hat Journalismus sozusagen Aussagemacht gewonnen."
    Lange hatten Journalisten einen relativ exklusiven Zugang zu Informationen. Brigitte Fehrle hat viele Jahre als Hauptstadtkorrespondentin gearbeitet, bevor sie die Chefredaktion der Berliner Zeitung übernahm.
    "Ich erinnere mich an sehr frühe Zeiten, als es noch möglich war, dass man zum Beispiel einen bestimmten rechtsradikalen Politiker, der eine Pressekonferenz gegeben hat, ignorieren konnte. Wenn man sich als drei bis fünf Medien einig gewesen ist, dann wurde dem sozusagen der Zugang zur Öffentlichkeit versperrt. Sowas ist heute vollkommen undenkbar." Wer heute nicht die gewünschte Resonanz der Medien erhält, kann sich selbst direkt zu Wort melden und Öffentlichkeit schaffen. "Diese Filterfunktion, die die Medien haben, die haben sie zwar immer noch und nehmen sie auch wahr, aber daneben bilden sich Neben-Öffentlichkeiten, auf die man überhaupt keinen Einfluss mehr hat."
    Eine Kränkung des Journalismus
    Dieses Nebeneinander von Informationen ist für Fehrle ein Grund dafür, dass der Zuspruch vieler Menschen für die etablierten Medien schwindet. Viele Nutzer der verschiedenen sozialen Medien setzten die zahlreichen Wortmeldungen dort gleich mit dem, was Rundfunk und Presse veröffentlichen. Letztere aber prüfen vor einer Veröffentlichung - das ist jedenfalls ihre Aufgabe – jede Information auf Wahrheitsgehalt und Relevanz.
    "Wenn diese Wertung dann nicht den Werten entspricht, die diese Leute haben, dann empfinden sie das als Bevormundung - in dieser scheinbaren Vielfalt von Informationen, die es in der Welt gibt. Und ich glaube, die wenigsten Menschen machen sich klar, dass wir ja nicht bevormundend auswählen, sondern überprüfend auswählen."
    Eine Kränkung des Journalismus nennt Medienforscherin Margreth Lünenborg diese Konkurrenz durch soziale Medien. "Das verschiebt Relevanzfaktoren, ja, damit wird Journalismus leben müssen. Das Arrangieren individueller Medienmenüs ist ein unglaublich dynamisches Moment, in dem die Autorität des Journalismus, der das Wichtigste zusammenstellt, nur ein Baustein ist und daneben andere – auch interessengeleitete – Kriterien auch mit hineinspielen."
    Neue Position in einem Meer von Kommunikation
    Dabei geht es nicht allein um die Eitelkeit von Journalisten. Die Auswahl, die Medien treffen, hat eine gesellschaftliche Funktion. Sie soll dazu beitragen, dass eine Debatte über die Themen stattfindet, die für das demokratische Zusammenleben nötig sind. Journalismus soll helfen, den Kern der Gesellschaft zu definieren. "Die große Gefahr, die im Kontext von Netzkommunikation diskutiert wird, ist die der Fragmentierung von Öffentlichkeit. Da haben wir irgendwann so viele mit sich selbst beschäftigte Teilöffentlichkeiten? Und eigentlich gar nichts mehr, was Gesellschaft insgesamt zusammenhält."
    Wie also soll Journalismus umgehen mit der neuen Position in diesem Meer von Kommunikation, ausgetauschten Informationen und Meinungen? Im Grunde muss er auch hier tun, was Journalismus auszeichnet: auswählen, gewichten, analysieren und einen Kontext herstellen, also seinen Lesern, Zuschauern und Hörern dabei helfen, das einzuordnen, was sie an mehr als je zuvor zugänglichen Informationen vorfinden. Eine große Chance, sagt Stefan Plöchinger von der "Süddeutschen Zeitung".
    "Wo ich auch sehe, dass klassische Medien durchaus eine sehr wertvolle Rolle spielen können, nämlich zu einem unparteiischen, unabhängigen Vermittler der verschiedenen Positionen und zu einem Überbrücker von Friktionen zu werden. Da sind wir sicher noch nicht, aber eigentlich ist klar, wie wir uns positionieren müssen: Nämlich gar nicht so unterschiedlich gegenüber dem, wie wir uns früher positioniert haben, nämlich als unabhängige Begleiter des Weltgeschehens."
    Alles infrage stellen und sorgfältig arbeiten
    Allerdings findet sich Journalismus nicht nur in einer veränderten Welt wieder, sondern er verändert sich in dieser auch selbst. Dabei gerät Journalismus auch unter Druck, finanziell und zeitlich, und lässt die gebotene Sorgfalt mitunter vermissen, sagt Julia Stein. Sie leitet stellvertretend das Investigativressort des NDR und ist die Vorsitzende von Netzwerk Recherche, einer Journalistenvereinigung, die sich für sorgfältigen Journalismus einsetzt.
    "Dinge, die wir abschreiben, die wir nicht infrage stellen. Sachen, die wir uns irgendwo aus dem Internet ziehen und so tun, als seien sie richtig. Gerüchte, die wir irgendwie zu Wahrheiten aufbauen – das sind Fehler und die kann man auch korrigieren. Raffinierter wird es bei allem, was mit unserer Zeit zu tun hat, also zum Beispiel dem immer höheren Tempo, das wir haben bei der Arbeit, das ist ein wahnsinniges Rattenrennen teilweise."
    Dabei würden sich die Medien häufig nicht die Zeit nehmen, Fehler zu korrigieren, weil schon das nächste große Thema ansteht. Die auch in der Öffentlichkeit heftig kritisierte Berichterstattung über den Absturz des Germanwings-Flugzeugs im Juni in Südfrankreich sei ein Beispiel dafür, dass auch Journalisten anspruchsvoller Medien über die Absturzursachen spekulierten, wo sie eigentlich hätten einen Schritt zurücktreten sollen.
    Einsatzkräfte am Absturzort suchen nach persönlichen Gegenständen der Opfer.
    Kritik gab es auch an der Berichterstattung über den Germanwings-Absturz. (Yves Malenfer/Dicom/Ministere In, dpa picture-alliance)
    "Man muss selber sehr darauf achten, – wie man es schon immer musste im Journalismus - die Geschichten infrage zu stellen, alles infrage zu stellen. Egal, woher es kommt, und dann sehr sorgfältig zu arbeiten. Und sich auch mal zu lösen von dem Zeitdruck, auch vielleicht mal eine Geschichte auszulassen und nicht an jedem Rattenrennen teilzunehmen."
    Die Kommunikation mit dem Leser suchen
    Fehler offen einzuräumen und die Gründe dafür zu erörtern, könne zudem wieder Vertrauen schaffen, sagt Julia Stein. Journalisten sollten die Leser, Hörer und Zuschauer generell stärker daran teilhaben lassen, wie sie arbeiten, fordert die Medienforscherin Margreth Lünenborg. Die Transparenz im Arbeitsprozess sei ein wichtiger Bestandteil der Kommunikation mit ihnen. Journalismus bilde nicht objektiv Wirklichkeit ab, sondern schaffe mit seinen professionellen Mitteln einen eigenen Blick auf sie. Und Nutzern helfe es zu verstehen, wie dieser Blick entsteht.
    "Welche Perspektive wird gewählt und welche wird damit ausgeblendet? Wo haben wir Gewissheit und wo bleibt Ungewissheit? Wo interpretieren wir etwas und müssen es unter Umständen auch wieder revidieren? Das finden wir in bestimmten krisenhaften Momenten immer mal wieder. Ich halte das für eine strukturelle Notwendigkeit, die systematisch mitgeliefert werden muss."
    Interesse an der eigenen Arbeitsweise beobachtet Stefan Plöchinger vor allem in Grenzsituationen. Warum die Süddeutsche Zeitung etwa das Foto des ertrunkenen Flüchtlingsjungen nicht gezeigt hat, der Anfang September am Strand von Bodrum gefunden wurde, habe viele Leser interessiert. Plöchingers Team sucht die Kommunikation mit Lesern, lässt sich sogar regelmäßig Rechercheaufträge von ihnen erteilen und geht einem von den Lesern gewünschten Thema nach. Er warnt aber bei aller nötigen Transparenz auch davor, die eigene Arbeit zu sehr in den Mittelpunkt zu rücken.
    "Unser Hauptjob ist schon ein anderer, nämlich diese ganz klassische Berichterstattung, diesen Kern unseres Berufs sehr gut und sehr akkurat zu machen, sodass wir gar nicht in die Not kommen, wahnsinnig tief begründen zu müssen, was wir da eigentlich tun."