Sprechchor: "Springer: Mörder!"
"Wir kennen zurzeit nur einen Terror: Und das ist der Terror gegen unmenschliche Maschinerie. Die Rotationsmaschinerie von Springer in die Luft zu jagen und dabei keine Menschen zu vernichten, scheint mir eine emanzipierende Tat zu sein."
Rudi Dutschke und ein Ausschnitt aus einer seiner vielen Reden. Die Studentenunruhen von 1968 beschäftigen Historiker und Journalisten noch heute – und in Deutschland auch den Axel-Springer-Verlag. Der Verlag, der damals im eingemauerten Berlin eine marktbeherrschende Stellung hatte, bekämpfte die linke Studentenbewegung publizistisch und hielt sich mit Kritik an den Protestierenden nicht zurück. Heute will der Verlag seine damalige Rolle aufarbeiten. Unter medienarchiv68.de ist nun erstmals eine Online-Dokumentation mit fast 6000 Beiträgen aus der Zeit von 1966 bis 1968 für jedermann einsehbar.
Vor allem das Berliner Lokalblatt "BZ", das bis in die achtziger Jahre hinein die schrillsten Schlagzeilen innerhalb des Springer-Verlags produziert, drischt oft mit überzogener Härte auf die Studentenbewegung ein. Das Blatt der sogenannten kleinen Leute, stets zuständig für die Lufthoheit über Berliner Stammtischen, hämt im Juni 1967 nach dem Tod des Studenten Benno Ohnesorg zynisch:
"Wer Terror produziert, muss Härte in Kauf nehmen!"
In den Jahren 1966 bis Mitte 1968 lauten einige der Schlagzeilen in der "Bildzeitung" und der "BZ":
Stoppt den Terror der Jung-Roten!
Polit-Gammler Dutschke dreht an einem dollen Ding!
Studenten drohen: Wir schießen zurück!
Unruhestifter unter Studenten ausmerzen!
Kein Geld für langbehaarte Affen!
Wer es wohlmeint mit Berlin, der jage endlich die Krawall-Radikalen zum Tempel hinaus!
Doch spiegeln diese Schlagzeilen wirklich den Tenor in der geteilten Stadt Berlin wieder? Durchaus, meint der Berliner Politologe Tilmann Fichter, damals Mitglied im SDS, dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund. Es habe teilweise, so Fichter, eine regelrecht hasserfüllte Hetze gegen die Studenten gegeben:
"Das war eine spezifische Situation in Berlin, die dann natürlich von der 'Bildzeitung' teilweise auch nach Westdeutschland transportiert wurde. Nur in Westdeutschland hat diese Hetze des Springer-Konzerns nicht diese Unterstützung gefunden wie in West-Berlin. Es hatte etwas zu tun mit der Perspektivlosigkeit dieser Stadt. Die Industrie war kaputt, die Leute hatten doch keine wirkliche Arbeit mehr. Und in dieser Konstellation waren die Studenten die Ersatzkommunisten für einen Teil der Bevölkerung und der Springerpresse, weil mit den historisch Verantwortlichen konnten sie die Auseinandersetzung nicht führen. Das soll der Springer-Konzern endlich mal zur Kenntnis nehmen, dass er da schuldig geworden ist. Er hat in einer bestimmten historischen Situation versagt."
Gerd Langguth, Politikwissenschaftler an der Universität Bonn, war damals Mitglied im Ring christlich-demokratischer Studenten, einem eher konservativen studentischen Zusammenschluss. In Westdeutschland sei die Situation deutlich entspannter gewesen als im nervösen, aufgeregten Berlin, so Langguth.
"Also, insgesamt hat sich im Zusammenhang mit der Studentenrevolte eine große Skepsis gegenüber insbesondere der 'Bildzeitung' dargestellt. Es war ja zum Beispiel Dutschke, der darauf hingewiesen hatte, dass ja die Arbeiterschaft nicht in der Lage wäre, ihre eigenen objektiven Interessen zu erkennen. Sie sei zur 'Funktionsweise von Lurchen' regrediert, und da wurde eben der 'Bildzeitung' in besonderer Weise ein wichtiges Moment in der Manipulation der Arbeiterschaft vorgeworfen, und das durchzog natürlich die Studentenrevolte insgesamt. Man muss sehen, in der Bevölkerung selber wurde die Studentenrevolte ja teilweise sehr, sehr stark abgelehnt, während dessen aber in der Studentenschaft selbst eine ganz große Mehrheit die Studentenrevolte und die Ziele, jedenfalls kurzzeitig, befürwortete."
Im vergangenen Jahr hatte der Verlag versucht, ein sogenanntes "Axel-Springer-Tribunal" ins Leben zu rufen. Das Haus wollte mit den Gegnern von einst sprechen. Ein erstes Tribunal war von den Studenten für das Frühjahr 1968 geplant gewesen, kam aber nicht zustande. Als im Februar 1968 mehrere Filialen der "Berliner Morgenpost" angegriffen und die Demonstrationen zunehmend gewalttätiger wurden, zogen sich viele Springergegner von diesem Vorhaben zurück.
Aber auch die für den Herbst letzten Jahres angesetzte Runde fand nicht statt. Die meisten Studenten von damals sagten wieder ab. Schade, findet der Chefredakteur der "Welt", Thomas Schmid, selbst ehemals protestierender Frankfurter Student.
"Ich hätte das gerne gemacht. Ich glaube, es wäre gut gewesen, wenn die Akteure von damals, und zwar von beiden Seiten, bereit gewesen wären, zu gucken, einfach mit dem zweiten Blick auf ein Ereignis, man sieht ja vierzig Jahre später ganz anders. Und auch da wiederum ohne die Erregung von damals, nüchtern darauf zu gucken, was hat man möglicherweise falsch gemacht auf beiden Seiten. Und da war ich natürlich enttäuscht, dass das Tribunal nicht zustande gekommen ist und offensichtlich auch sozusagen an einer Front gegen dieses Tribunal geschmiedet worden ist, was ich ein bisschen kläglich fand."
Die Einladung sei abwegig gewesen, meint hingegen Tillmann Fichter. Zwar verweigere er sich nicht grundsätzlich einem Gespräch über die bewegte Zeit Ende der 60er-Jahre, doch die Grundkonstellation habe einfach nicht gestimmt.
"Ein Gespräch mit den damals Verantwortlichen im Springer-Verlag ist ja gar nicht mehr möglich, die sind tot oder pensioniert. Also das heißt, das sind ja diese Nachgeborenen, die da im Springer-Konzern sind. Von mir aus kann man sich auch mit denen unterhalten, aber bitte schön auf neutralem Boden. Wir gehen nicht ins Springer-Hochhaus zu einem Tribunal, das die Springer-Leute vorbereiten und die Springer-Leute entscheiden, wer dazu eingeladen wird, das können sie alleine machen. Also: Wir sind ja nicht blöd. Wir sind zwar liberal, wenn man so will, aber blöd sind wir nicht."
Seit gestern können interessierte Leser, Wissenschaftler und Journalisten die Berichterstattung von damals ganz genau recherchieren. Die Originalseiten der Zeitungen sind komplett ins Internet gestellt worden. Nutzer des Archivs bekommen so auch einen Eindruck davon, wie der jeweilige Artikel in der Zeitung optisch aufgemacht war. Rainer Laabs, Archivleiter beim Springer-Verlag:
"Wir haben uns bemüht, im Zweifel eher eine weitere, als eine zu enge Auswahl zu treffen. Wir haben die Zeitungen schlicht und einfach durchgeblättert: alle Berliner Zeitungen des Hauses plus zwei fremde Titel zu bestimmten Schwerpunkten, zu bestimmten Ereignissen, und wir haben auf Artikel geachtet, die im weitesten Sinne mit Studenten, hier in Berlin oder in Deutschland und Studentenunruhen, Demonstrationen, aber auch mit sonstigen Hochschulfragen zu tun hatten. Da immer die Grenze zu ziehen, war zwar nicht immer ganz einfach, aber im Normalfall haben wir gesagt, den nehmen wir lieber auch noch mit. Nur, dass auf jeden Fall klar ist: Wie hat Springer damals über diesen Komplex im weitesten Sinne berichtet?"
Der Aufwand für diese Website ist beachtlich – und sie ist ein Fundus an interessanten Texten zu den Studentenprotesten. Viele Artikel wirken auch vierzig Jahre danach noch genauso hetzerisch und erlauben keinerlei Verklärung.
Andere Texte stellen sich bei genauerem Lesen deutlich differenzierter dar als vermutet. So stellt die "BZ" am 4.Juni nach dem gewaltsamen Tod von Benno Ohnesorg die Frage, warum Polizisten überhaupt Waffen tragen müssten. An anderer Stelle, nach dem Attentat auf Rudi Dutschke, titelt die "Bildzeitung":
Millionen bangen mit.
Ein durchaus positiv gestimmter Artikel, der das Attentat eindeutig verurteilt. Thomas Schmid, Chefredakteur der WELT:
"Man kann Unterschiede in den Blättern wahrnehmen, gar keine Frage. Die 'Welt' hat eher vorsichtig darüber berichtet, die 'BZ' übrigens teilweise auch. Es gab viele Artikel, die von großem Interesse geprägt waren, herauszubekommen: Was bewegt eigentlich die Studenten, die auf die Straße gehen, die da draußen Demonstrationen machen, Teach-Ins machen. Da gab es schon ein Erkenntnisinteresse. Es gab auf der anderen Seite auch ein paar schlimme Karikaturen, es gab sicher auch Leitartikel, auch Gastbeiträge, die nicht so gut waren. Man muss auf der anderen Seite natürlich auch sagen, und das haben wir festgestellt, dass der Korpus der Texte und Karikaturen, von dem man eindeutig sagen muss: Da ist eine gewisse Linie überschritten, das geht nicht, das ist Hetze. Die gibt es, aber dieser Korpus ist viel, viel kleiner, als selbst ich vor einem Jahr geglaubt hätte. Es ist immer nicht so einfach, wie es viele sich machen."
Die Aufarbeitung der Berichterstattung sei sehr positiv zu bewerten, meint der Publizist Manfred Bissinger. Er hatte in den 60ern für den "Stern" aus Berlin berichtet. Bissinger meint, die mediale Öffentlichkeit sei gespalten gewesen: Auf der einen Seite die Liberale mit "Zeit", "Stern", "Spiegel" und anderen. In diesen Blättern wollten Verleger und Journalisten die Adenauer-Zeit kritisch hinterfragen. Konservative, wie die Blätter des Axel-Springer-Verlags oder die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", hätten kein Interesse daran gehabt, so Bissinger.
"Die haben miteinander Krieg geführt, und in diesem Krieg oder Kampf, wie immer Sie das bezeichnen mögen, sind natürlich auch Übertretungen passiert, die man heute hinterher eigentlich gar nicht mehr gerne wahrhaben möchte, und insofern ist es schon richtig, wenn die ihre Vergangenheit aufarbeiten und endgültig einmal einen Schlussstrich ziehen."
Doch bei einer solchen Schlussstrichdebatte wollen nicht alle mitmachen: Der Schriftsteller Peter Schneider, einer der Mitinitiatoren der damaligen "Anti-Springer-Kampagne", hatte sich im letzten Jahr lautstark einer Teilnahme an dem zweiten Versuch eines Springer-Tribunals verweigert. Zwar beschäftige ihn das Thema nicht mehr, aber, so Schneider, festzuhalten bleibe, dass das schlechte Image des Verlags für ihn nicht nur in der Berichterstattung von damals begründet liege.
"Ich glaube, die Theorie ist, dass damals der Ruf des Springerkonzerns nachhaltig geschädigt worden ist und sogar über die Generationen hinweg habe sich das gehalten. Ich halte das ehrlich gestanden für eine etwas zu kurz geratene Analyse, weil man braucht ja nur jeden vierten Tag in die 'Bildzeitung' zu gucken und hat das Gefühl, es ist ja nicht verboten, aber: also anständig ist das nicht, anständiger Journalismus. Und ich glaube, da unterschätzen sie die Wirkung, die aktuelle Wirkung ihres großen Flaggschiffs. Aber gut, sie sind davon überzeugt, dass man den Schaden, der ihnen entstanden ist aus der Springer-Kampagne, und der ist ja unbestreitbar, also der Rufschaden, dass man den beseitigen kann indem alle ihre Fehler zugeben, und hinterher schüttelt man sich die Hand. Das wird aber nicht geschehen. So viele Fehler ich gemacht habe, die Springer-Kampagne gehört nicht zu meinen Fehlern."
Als 2009 ein Buch und eine Fernsehdokumentation über die Aktivitäten der DDR-Staatssicherheit im Hause Springer erscheint, da kocht das Thema noch einmal so richtig hoch. Denn noch eine weitere Veröffentlichung beschäftigt Historiker und Journalisten gleichermaßen: Der Berliner Polizist Heinz Kurras, der den Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 auf einer Demonstration in Berlin erschossen hat, war lange Jahre Mitarbeiter der Stasi, wie aus einer Akte der Birthler-Behörde hervorgeht. Diese Enthüllung, so der Springer-Vorstandsvorsitzende Matthias Döpfner, rücke die 68er in ein ganz neues Licht. Nun sei es allmählich an der Zeit, sich beim Verlag zu entschuldigen, meint Döpfner in einem Interview.
Doch das sei wohl etwas übertrieben, meint Peter Schneider. Schließlich habe die Stasi selbst in ihren Unterlagen festgehalten, dass die Studentenbewegung zu 85 Prozent eine Eigendynamik entwickelt hatte. Folglich sei es nur zu 15 Prozent möglich gewesen, durch geheimdienstliche Tätigkeiten Einfluss auszuüben. Dennoch, sagt Peter Schneider, sei die DDR für manche Studenten durchaus ein Vorbild gewesen.
"Ich zum Beispiel habe in den ganzen Jahren, in denen ich in die DDR ging, immer nur Dissidenten besucht. Das andere hat mich gar nicht interessiert, war also von denen beeinflusst, negativ, was die DDR anging. Und trotzdem hat man ja gesagt, haben die Dissidenten gesagt, auch ein Wolf Biermann, auch ein Heiner Müller und wie sie alle heißen: Im Prinzip ist die DDR das bessere Deutschland. Im Prinzip. Dass es im Prinzip dann doch das schlechtere Deutschland war, gar nicht überlebensfähig aus der Diktatur, das wurde erst 1989 richtig klar."
Der ostdeutsche Geheimdienst hatte sowohl eine Agentin im Vorzimmer von Axel Springer installiert als auch einige Zuträger unter den Studenten. Die Agenten waren im damaligen West-Berlin überall. Den ideologischen Konflikt zwischen dem Verlag und den Studenten beeinflusste die Stasi somit kaum. Es blieb wie es war. Mehr als einmal notieren ostdeutsche Agenten enttäuscht, dass Rudi Dutschke vom "Scheiß-Sozialismus in der DDR" spricht und im Arbeiter- und Bauern-Staat mangelnde Freiheitsrechte beklagt.
Ein viel wichtigerer Aspekt ist die "Enteignet Springer!" - Kampagne durch liberale Verleger der damaligen Zeit, namentlich den SPIEGEL-Verleger Rudolf Augstein und Gerd Bucerius, den "Zeit"-Herausgeber. Bucerius und Augstein planten zeitweise gar eine eigene neue Tageszeitung für Berlin. Eine bis heute nicht ganz aufgeklärte Frage lautet: Haben Gerd Bucerius und Rudolf Augstein 1967/68 die "Enteignet Springer!"-Kampagne der radikalen Studenten um Rudi Dutschke finanziert?
Die "Bildzeitung" greift die Theorie mehrmals auf. Das Hamburger Abendblatt, ebenfalls eine Springer-Zeitung, vermeldet, Bucerius und Augstein "zahlten an die Macher der Anti-Springer-Kampagne". Doch ist an dieser Meldung tatsächlich etwas dran? Manfred Bissinger, Publizist und damals STERN-Reporter in Berlin, erinnert sich, dass die Hamburger Verleger durchaus Geldbeträge zur Verfügung gestellt hätten.
"Da saßen eben auf der einen Seite die Gräfin Dönhoff, Theo Sommer, Hans Gressmann, der war damals auch in der Chefredaktion der 'Zeit', Henri Nannen und ich und Bucerius, und auf der anderen Seite saßen Lefevre, Dutschke, Hameister – also die Protagonisten des Protests damals, und da wurde heftig diskutiert, und am Ende bekamen die dafür jeder 5000 Mark an der Garderobe in einem geschlossenen Umschlag überreicht – das war natürlich eine gewisse Art der Unterstützung für sie, und Bucerius und Augstein haben auch die Vorbereitung des sogenannten Springer-Tribunals mit Geld gestützt, weil ihnen daran lag, dass untersucht wird, ob tatsächlich der Springer-Verlag ein Meinungsmonopol hat und ob er dieses Monopol missbraucht. Und da versprach man sich davon, dass die Studenten in der Lage wären, Gutachten zu machen, die diese öffentliche Erörterung unterstützen könnten."
Neben gewissen Sympathien für die politischen Ziele der Studenten war Axel Springers Expansionsstrategie ein entscheidender Antrieb für Gerd Bucerius und die anderen Hamburger Publizisten. Der Zukauf von kleineren Verlagen und Magazinen wie die damals beliebten "Jasmin" oder "twen" ließ die Angst vor einem Meinungsmonopol wachsen. Manfred Bissinger:
"Die wollten ja alle gute Geschäfte machen, hohe Auflagen haben, gute Anzeigen bekommen, also mit anderen Worten: Sie wollten alle auch Geld verdienen. Und da war ihnen Springer ein Dorn im Auge, und deswegen haben die sich so bekämpft. Und als die Frage anstand, ob das so weitergehen könnte, und Bucerius war ja in dieser Monopolkommission, die den Einfluss der Verlage auf die öffentliche Meinung untersuchte, und hatte da immer dafür plädiert, dass man Springer die WELT wegnehmen müsse, weil der sonst ein Meinungsmonopol haben könnte. Da kam ihnen natürlich die studentische Revolution und die Fragen, die da aufgeworfen wurden, sehr zupass."
In der Folge verkauft Springer eine Reihe von Titeln wieder, die "Zeit" nimmt Axel Springer dennoch unter Dauerfeuer. Sie wirft den Redakteuren von "Bild" und der Berliner Springer-Presse "eine permanente Verhetzung der Studenten" und "marktbeherrschenden Aufwiegeljournalismus" vor. Im August 1967 schreibt der "Zeit"-Chefredakteur Josef Müller-Marein unter der Überschrift "Axel Springers Fall":
Es kann keinem politisch denkenden Menschen im Sinn liegen, dass ein einziger Verleger übermächtig wird. Wenn Axel Springer ein Demokrat ist, sollte er sich über die Existenz eines jeden Blattes freuen, das er nicht besitzt. Wenn nicht, stoppt Springer!
Die Rolle des Springer-Verlags zur Zeit der bundesdeutschen Studentenrevolte harrt noch immer einer wissenschaftlich fundierten Analyse. Die jetzt erschienene Online-Dokumentation wird da nicht reichen. Allerdings hofft der Verlag auf einen, Zitat, neuen Impuls für die weitere Debatte und eine wissenschaftliche Aufarbeitung.
So schreibt es Springer-Vorstandsvorsitzender Matthias Döpfner in seinem Grußwort der Online-Dokumentation auf medienarchiv 68.de. Politikwissenschaftler Gerd Langguth:
"Die Tatsache, dass insgesamt die Forschungslage zur Studentenrevolte gerade in Berlin sehr dünn ist, hängt damit zusammen, dass zu einem großen Teil die Auseinandersetzung eine Bekenntnisauseinandersetzung zwischen damaligen Vertretern der Studentenrevolte war, die inzwischen sehr viele Bücher geschrieben haben über ihre Welt, über ihr Denken, auch manche über ihre Konversion ihres Denkens zu überzeugten Demokraten, aber dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung, die findet jetzt erst meines Erachtens statt, durch die Nachgeboren, denen man nicht den Vorwurf machen kann, dass sie subjektiv damals in dem Prozess eine Rolle spielten, ich glaube eher die Nachgeborenen sind jetzt aufgerufen, mehr Licht in das noch immer vorhandene Dunkel der Studentenrevolte zu bringen."
Sprechchor: "Bild hat mitgeschossen."
"Wir kennen zurzeit nur einen Terror: Und das ist der Terror gegen unmenschliche Maschinerie. Die Rotationsmaschinerie von Springer in die Luft zu jagen und dabei keine Menschen zu vernichten, scheint mir eine emanzipierende Tat zu sein."
Rudi Dutschke und ein Ausschnitt aus einer seiner vielen Reden. Die Studentenunruhen von 1968 beschäftigen Historiker und Journalisten noch heute – und in Deutschland auch den Axel-Springer-Verlag. Der Verlag, der damals im eingemauerten Berlin eine marktbeherrschende Stellung hatte, bekämpfte die linke Studentenbewegung publizistisch und hielt sich mit Kritik an den Protestierenden nicht zurück. Heute will der Verlag seine damalige Rolle aufarbeiten. Unter medienarchiv68.de ist nun erstmals eine Online-Dokumentation mit fast 6000 Beiträgen aus der Zeit von 1966 bis 1968 für jedermann einsehbar.
Vor allem das Berliner Lokalblatt "BZ", das bis in die achtziger Jahre hinein die schrillsten Schlagzeilen innerhalb des Springer-Verlags produziert, drischt oft mit überzogener Härte auf die Studentenbewegung ein. Das Blatt der sogenannten kleinen Leute, stets zuständig für die Lufthoheit über Berliner Stammtischen, hämt im Juni 1967 nach dem Tod des Studenten Benno Ohnesorg zynisch:
"Wer Terror produziert, muss Härte in Kauf nehmen!"
In den Jahren 1966 bis Mitte 1968 lauten einige der Schlagzeilen in der "Bildzeitung" und der "BZ":
Stoppt den Terror der Jung-Roten!
Polit-Gammler Dutschke dreht an einem dollen Ding!
Studenten drohen: Wir schießen zurück!
Unruhestifter unter Studenten ausmerzen!
Kein Geld für langbehaarte Affen!
Wer es wohlmeint mit Berlin, der jage endlich die Krawall-Radikalen zum Tempel hinaus!
Doch spiegeln diese Schlagzeilen wirklich den Tenor in der geteilten Stadt Berlin wieder? Durchaus, meint der Berliner Politologe Tilmann Fichter, damals Mitglied im SDS, dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund. Es habe teilweise, so Fichter, eine regelrecht hasserfüllte Hetze gegen die Studenten gegeben:
"Das war eine spezifische Situation in Berlin, die dann natürlich von der 'Bildzeitung' teilweise auch nach Westdeutschland transportiert wurde. Nur in Westdeutschland hat diese Hetze des Springer-Konzerns nicht diese Unterstützung gefunden wie in West-Berlin. Es hatte etwas zu tun mit der Perspektivlosigkeit dieser Stadt. Die Industrie war kaputt, die Leute hatten doch keine wirkliche Arbeit mehr. Und in dieser Konstellation waren die Studenten die Ersatzkommunisten für einen Teil der Bevölkerung und der Springerpresse, weil mit den historisch Verantwortlichen konnten sie die Auseinandersetzung nicht führen. Das soll der Springer-Konzern endlich mal zur Kenntnis nehmen, dass er da schuldig geworden ist. Er hat in einer bestimmten historischen Situation versagt."
Gerd Langguth, Politikwissenschaftler an der Universität Bonn, war damals Mitglied im Ring christlich-demokratischer Studenten, einem eher konservativen studentischen Zusammenschluss. In Westdeutschland sei die Situation deutlich entspannter gewesen als im nervösen, aufgeregten Berlin, so Langguth.
"Also, insgesamt hat sich im Zusammenhang mit der Studentenrevolte eine große Skepsis gegenüber insbesondere der 'Bildzeitung' dargestellt. Es war ja zum Beispiel Dutschke, der darauf hingewiesen hatte, dass ja die Arbeiterschaft nicht in der Lage wäre, ihre eigenen objektiven Interessen zu erkennen. Sie sei zur 'Funktionsweise von Lurchen' regrediert, und da wurde eben der 'Bildzeitung' in besonderer Weise ein wichtiges Moment in der Manipulation der Arbeiterschaft vorgeworfen, und das durchzog natürlich die Studentenrevolte insgesamt. Man muss sehen, in der Bevölkerung selber wurde die Studentenrevolte ja teilweise sehr, sehr stark abgelehnt, während dessen aber in der Studentenschaft selbst eine ganz große Mehrheit die Studentenrevolte und die Ziele, jedenfalls kurzzeitig, befürwortete."
Im vergangenen Jahr hatte der Verlag versucht, ein sogenanntes "Axel-Springer-Tribunal" ins Leben zu rufen. Das Haus wollte mit den Gegnern von einst sprechen. Ein erstes Tribunal war von den Studenten für das Frühjahr 1968 geplant gewesen, kam aber nicht zustande. Als im Februar 1968 mehrere Filialen der "Berliner Morgenpost" angegriffen und die Demonstrationen zunehmend gewalttätiger wurden, zogen sich viele Springergegner von diesem Vorhaben zurück.
Aber auch die für den Herbst letzten Jahres angesetzte Runde fand nicht statt. Die meisten Studenten von damals sagten wieder ab. Schade, findet der Chefredakteur der "Welt", Thomas Schmid, selbst ehemals protestierender Frankfurter Student.
"Ich hätte das gerne gemacht. Ich glaube, es wäre gut gewesen, wenn die Akteure von damals, und zwar von beiden Seiten, bereit gewesen wären, zu gucken, einfach mit dem zweiten Blick auf ein Ereignis, man sieht ja vierzig Jahre später ganz anders. Und auch da wiederum ohne die Erregung von damals, nüchtern darauf zu gucken, was hat man möglicherweise falsch gemacht auf beiden Seiten. Und da war ich natürlich enttäuscht, dass das Tribunal nicht zustande gekommen ist und offensichtlich auch sozusagen an einer Front gegen dieses Tribunal geschmiedet worden ist, was ich ein bisschen kläglich fand."
Die Einladung sei abwegig gewesen, meint hingegen Tillmann Fichter. Zwar verweigere er sich nicht grundsätzlich einem Gespräch über die bewegte Zeit Ende der 60er-Jahre, doch die Grundkonstellation habe einfach nicht gestimmt.
"Ein Gespräch mit den damals Verantwortlichen im Springer-Verlag ist ja gar nicht mehr möglich, die sind tot oder pensioniert. Also das heißt, das sind ja diese Nachgeborenen, die da im Springer-Konzern sind. Von mir aus kann man sich auch mit denen unterhalten, aber bitte schön auf neutralem Boden. Wir gehen nicht ins Springer-Hochhaus zu einem Tribunal, das die Springer-Leute vorbereiten und die Springer-Leute entscheiden, wer dazu eingeladen wird, das können sie alleine machen. Also: Wir sind ja nicht blöd. Wir sind zwar liberal, wenn man so will, aber blöd sind wir nicht."
Seit gestern können interessierte Leser, Wissenschaftler und Journalisten die Berichterstattung von damals ganz genau recherchieren. Die Originalseiten der Zeitungen sind komplett ins Internet gestellt worden. Nutzer des Archivs bekommen so auch einen Eindruck davon, wie der jeweilige Artikel in der Zeitung optisch aufgemacht war. Rainer Laabs, Archivleiter beim Springer-Verlag:
"Wir haben uns bemüht, im Zweifel eher eine weitere, als eine zu enge Auswahl zu treffen. Wir haben die Zeitungen schlicht und einfach durchgeblättert: alle Berliner Zeitungen des Hauses plus zwei fremde Titel zu bestimmten Schwerpunkten, zu bestimmten Ereignissen, und wir haben auf Artikel geachtet, die im weitesten Sinne mit Studenten, hier in Berlin oder in Deutschland und Studentenunruhen, Demonstrationen, aber auch mit sonstigen Hochschulfragen zu tun hatten. Da immer die Grenze zu ziehen, war zwar nicht immer ganz einfach, aber im Normalfall haben wir gesagt, den nehmen wir lieber auch noch mit. Nur, dass auf jeden Fall klar ist: Wie hat Springer damals über diesen Komplex im weitesten Sinne berichtet?"
Der Aufwand für diese Website ist beachtlich – und sie ist ein Fundus an interessanten Texten zu den Studentenprotesten. Viele Artikel wirken auch vierzig Jahre danach noch genauso hetzerisch und erlauben keinerlei Verklärung.
Andere Texte stellen sich bei genauerem Lesen deutlich differenzierter dar als vermutet. So stellt die "BZ" am 4.Juni nach dem gewaltsamen Tod von Benno Ohnesorg die Frage, warum Polizisten überhaupt Waffen tragen müssten. An anderer Stelle, nach dem Attentat auf Rudi Dutschke, titelt die "Bildzeitung":
Millionen bangen mit.
Ein durchaus positiv gestimmter Artikel, der das Attentat eindeutig verurteilt. Thomas Schmid, Chefredakteur der WELT:
"Man kann Unterschiede in den Blättern wahrnehmen, gar keine Frage. Die 'Welt' hat eher vorsichtig darüber berichtet, die 'BZ' übrigens teilweise auch. Es gab viele Artikel, die von großem Interesse geprägt waren, herauszubekommen: Was bewegt eigentlich die Studenten, die auf die Straße gehen, die da draußen Demonstrationen machen, Teach-Ins machen. Da gab es schon ein Erkenntnisinteresse. Es gab auf der anderen Seite auch ein paar schlimme Karikaturen, es gab sicher auch Leitartikel, auch Gastbeiträge, die nicht so gut waren. Man muss auf der anderen Seite natürlich auch sagen, und das haben wir festgestellt, dass der Korpus der Texte und Karikaturen, von dem man eindeutig sagen muss: Da ist eine gewisse Linie überschritten, das geht nicht, das ist Hetze. Die gibt es, aber dieser Korpus ist viel, viel kleiner, als selbst ich vor einem Jahr geglaubt hätte. Es ist immer nicht so einfach, wie es viele sich machen."
Die Aufarbeitung der Berichterstattung sei sehr positiv zu bewerten, meint der Publizist Manfred Bissinger. Er hatte in den 60ern für den "Stern" aus Berlin berichtet. Bissinger meint, die mediale Öffentlichkeit sei gespalten gewesen: Auf der einen Seite die Liberale mit "Zeit", "Stern", "Spiegel" und anderen. In diesen Blättern wollten Verleger und Journalisten die Adenauer-Zeit kritisch hinterfragen. Konservative, wie die Blätter des Axel-Springer-Verlags oder die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", hätten kein Interesse daran gehabt, so Bissinger.
"Die haben miteinander Krieg geführt, und in diesem Krieg oder Kampf, wie immer Sie das bezeichnen mögen, sind natürlich auch Übertretungen passiert, die man heute hinterher eigentlich gar nicht mehr gerne wahrhaben möchte, und insofern ist es schon richtig, wenn die ihre Vergangenheit aufarbeiten und endgültig einmal einen Schlussstrich ziehen."
Doch bei einer solchen Schlussstrichdebatte wollen nicht alle mitmachen: Der Schriftsteller Peter Schneider, einer der Mitinitiatoren der damaligen "Anti-Springer-Kampagne", hatte sich im letzten Jahr lautstark einer Teilnahme an dem zweiten Versuch eines Springer-Tribunals verweigert. Zwar beschäftige ihn das Thema nicht mehr, aber, so Schneider, festzuhalten bleibe, dass das schlechte Image des Verlags für ihn nicht nur in der Berichterstattung von damals begründet liege.
"Ich glaube, die Theorie ist, dass damals der Ruf des Springerkonzerns nachhaltig geschädigt worden ist und sogar über die Generationen hinweg habe sich das gehalten. Ich halte das ehrlich gestanden für eine etwas zu kurz geratene Analyse, weil man braucht ja nur jeden vierten Tag in die 'Bildzeitung' zu gucken und hat das Gefühl, es ist ja nicht verboten, aber: also anständig ist das nicht, anständiger Journalismus. Und ich glaube, da unterschätzen sie die Wirkung, die aktuelle Wirkung ihres großen Flaggschiffs. Aber gut, sie sind davon überzeugt, dass man den Schaden, der ihnen entstanden ist aus der Springer-Kampagne, und der ist ja unbestreitbar, also der Rufschaden, dass man den beseitigen kann indem alle ihre Fehler zugeben, und hinterher schüttelt man sich die Hand. Das wird aber nicht geschehen. So viele Fehler ich gemacht habe, die Springer-Kampagne gehört nicht zu meinen Fehlern."
Als 2009 ein Buch und eine Fernsehdokumentation über die Aktivitäten der DDR-Staatssicherheit im Hause Springer erscheint, da kocht das Thema noch einmal so richtig hoch. Denn noch eine weitere Veröffentlichung beschäftigt Historiker und Journalisten gleichermaßen: Der Berliner Polizist Heinz Kurras, der den Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 auf einer Demonstration in Berlin erschossen hat, war lange Jahre Mitarbeiter der Stasi, wie aus einer Akte der Birthler-Behörde hervorgeht. Diese Enthüllung, so der Springer-Vorstandsvorsitzende Matthias Döpfner, rücke die 68er in ein ganz neues Licht. Nun sei es allmählich an der Zeit, sich beim Verlag zu entschuldigen, meint Döpfner in einem Interview.
Doch das sei wohl etwas übertrieben, meint Peter Schneider. Schließlich habe die Stasi selbst in ihren Unterlagen festgehalten, dass die Studentenbewegung zu 85 Prozent eine Eigendynamik entwickelt hatte. Folglich sei es nur zu 15 Prozent möglich gewesen, durch geheimdienstliche Tätigkeiten Einfluss auszuüben. Dennoch, sagt Peter Schneider, sei die DDR für manche Studenten durchaus ein Vorbild gewesen.
"Ich zum Beispiel habe in den ganzen Jahren, in denen ich in die DDR ging, immer nur Dissidenten besucht. Das andere hat mich gar nicht interessiert, war also von denen beeinflusst, negativ, was die DDR anging. Und trotzdem hat man ja gesagt, haben die Dissidenten gesagt, auch ein Wolf Biermann, auch ein Heiner Müller und wie sie alle heißen: Im Prinzip ist die DDR das bessere Deutschland. Im Prinzip. Dass es im Prinzip dann doch das schlechtere Deutschland war, gar nicht überlebensfähig aus der Diktatur, das wurde erst 1989 richtig klar."
Der ostdeutsche Geheimdienst hatte sowohl eine Agentin im Vorzimmer von Axel Springer installiert als auch einige Zuträger unter den Studenten. Die Agenten waren im damaligen West-Berlin überall. Den ideologischen Konflikt zwischen dem Verlag und den Studenten beeinflusste die Stasi somit kaum. Es blieb wie es war. Mehr als einmal notieren ostdeutsche Agenten enttäuscht, dass Rudi Dutschke vom "Scheiß-Sozialismus in der DDR" spricht und im Arbeiter- und Bauern-Staat mangelnde Freiheitsrechte beklagt.
Ein viel wichtigerer Aspekt ist die "Enteignet Springer!" - Kampagne durch liberale Verleger der damaligen Zeit, namentlich den SPIEGEL-Verleger Rudolf Augstein und Gerd Bucerius, den "Zeit"-Herausgeber. Bucerius und Augstein planten zeitweise gar eine eigene neue Tageszeitung für Berlin. Eine bis heute nicht ganz aufgeklärte Frage lautet: Haben Gerd Bucerius und Rudolf Augstein 1967/68 die "Enteignet Springer!"-Kampagne der radikalen Studenten um Rudi Dutschke finanziert?
Die "Bildzeitung" greift die Theorie mehrmals auf. Das Hamburger Abendblatt, ebenfalls eine Springer-Zeitung, vermeldet, Bucerius und Augstein "zahlten an die Macher der Anti-Springer-Kampagne". Doch ist an dieser Meldung tatsächlich etwas dran? Manfred Bissinger, Publizist und damals STERN-Reporter in Berlin, erinnert sich, dass die Hamburger Verleger durchaus Geldbeträge zur Verfügung gestellt hätten.
"Da saßen eben auf der einen Seite die Gräfin Dönhoff, Theo Sommer, Hans Gressmann, der war damals auch in der Chefredaktion der 'Zeit', Henri Nannen und ich und Bucerius, und auf der anderen Seite saßen Lefevre, Dutschke, Hameister – also die Protagonisten des Protests damals, und da wurde heftig diskutiert, und am Ende bekamen die dafür jeder 5000 Mark an der Garderobe in einem geschlossenen Umschlag überreicht – das war natürlich eine gewisse Art der Unterstützung für sie, und Bucerius und Augstein haben auch die Vorbereitung des sogenannten Springer-Tribunals mit Geld gestützt, weil ihnen daran lag, dass untersucht wird, ob tatsächlich der Springer-Verlag ein Meinungsmonopol hat und ob er dieses Monopol missbraucht. Und da versprach man sich davon, dass die Studenten in der Lage wären, Gutachten zu machen, die diese öffentliche Erörterung unterstützen könnten."
Neben gewissen Sympathien für die politischen Ziele der Studenten war Axel Springers Expansionsstrategie ein entscheidender Antrieb für Gerd Bucerius und die anderen Hamburger Publizisten. Der Zukauf von kleineren Verlagen und Magazinen wie die damals beliebten "Jasmin" oder "twen" ließ die Angst vor einem Meinungsmonopol wachsen. Manfred Bissinger:
"Die wollten ja alle gute Geschäfte machen, hohe Auflagen haben, gute Anzeigen bekommen, also mit anderen Worten: Sie wollten alle auch Geld verdienen. Und da war ihnen Springer ein Dorn im Auge, und deswegen haben die sich so bekämpft. Und als die Frage anstand, ob das so weitergehen könnte, und Bucerius war ja in dieser Monopolkommission, die den Einfluss der Verlage auf die öffentliche Meinung untersuchte, und hatte da immer dafür plädiert, dass man Springer die WELT wegnehmen müsse, weil der sonst ein Meinungsmonopol haben könnte. Da kam ihnen natürlich die studentische Revolution und die Fragen, die da aufgeworfen wurden, sehr zupass."
In der Folge verkauft Springer eine Reihe von Titeln wieder, die "Zeit" nimmt Axel Springer dennoch unter Dauerfeuer. Sie wirft den Redakteuren von "Bild" und der Berliner Springer-Presse "eine permanente Verhetzung der Studenten" und "marktbeherrschenden Aufwiegeljournalismus" vor. Im August 1967 schreibt der "Zeit"-Chefredakteur Josef Müller-Marein unter der Überschrift "Axel Springers Fall":
Es kann keinem politisch denkenden Menschen im Sinn liegen, dass ein einziger Verleger übermächtig wird. Wenn Axel Springer ein Demokrat ist, sollte er sich über die Existenz eines jeden Blattes freuen, das er nicht besitzt. Wenn nicht, stoppt Springer!
Die Rolle des Springer-Verlags zur Zeit der bundesdeutschen Studentenrevolte harrt noch immer einer wissenschaftlich fundierten Analyse. Die jetzt erschienene Online-Dokumentation wird da nicht reichen. Allerdings hofft der Verlag auf einen, Zitat, neuen Impuls für die weitere Debatte und eine wissenschaftliche Aufarbeitung.
So schreibt es Springer-Vorstandsvorsitzender Matthias Döpfner in seinem Grußwort der Online-Dokumentation auf medienarchiv 68.de. Politikwissenschaftler Gerd Langguth:
"Die Tatsache, dass insgesamt die Forschungslage zur Studentenrevolte gerade in Berlin sehr dünn ist, hängt damit zusammen, dass zu einem großen Teil die Auseinandersetzung eine Bekenntnisauseinandersetzung zwischen damaligen Vertretern der Studentenrevolte war, die inzwischen sehr viele Bücher geschrieben haben über ihre Welt, über ihr Denken, auch manche über ihre Konversion ihres Denkens zu überzeugten Demokraten, aber dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung, die findet jetzt erst meines Erachtens statt, durch die Nachgeboren, denen man nicht den Vorwurf machen kann, dass sie subjektiv damals in dem Prozess eine Rolle spielten, ich glaube eher die Nachgeborenen sind jetzt aufgerufen, mehr Licht in das noch immer vorhandene Dunkel der Studentenrevolte zu bringen."
Sprechchor: "Bild hat mitgeschossen."