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Medienkonferenz in Leipzig
Whistleblower fordern EU-Gesetz

Whistleblower brauchen mehr rechtlichen Schutz. Sie riskieren viel in ihrem Leben um die Öffentlichkeit über Ungerechtigkeiten zu informieren. Deshalb fordern Experten mehr Schutz für Whistleblower. In Leipzig haben sie über das angestrebte Gesetz der EU-Kommission diskutiert.

Von Jennifer Stange |
    Logo European Media Freedom Conference
    Die European Media Freedom Conference findet seit 2015 in Leipzig statt. (dpa / Peter Endig)
    Auf dem Titelbild der bekanntesten slowakischen Wochenzeitung tüdjenje týždeň hält Zuzana Hlavkova den abgeschnittenen Kopf des Außenministers in der Hand. Es ist eine Karikatur. Sie steht symbolisch für das, was Hlavoka vor knapp einem Jahr in der Slowakei auslöste, als sie als Whistleblowerin an die Öffentlichkeit ging.
    Zuzana Hlavkova: "Es fühlte sich wirklich so an, als hätte ich die Öffentlichkeit an meiner Seite. Insbesondere junge Studierende wurden aktiv und starteten Petitionen, offene Briefe und Initiativen."
    Zuzana Hlavkova ist Ende zwanzig und die berühmteste Whistleblowerin der Slowakei. Ihre Geschichte erzählte sie auf einer Konferenz des European Centre for Press and Media Freedom vergangene Woche in Leipzig - unter anderem mit Hilfe dieses Bildes. Die damalige Mitarbeiterin des slowakischen Außenministeriums hatte wegen der fragwürdigen Verwendung und Abrechnung öffentlicher Gelder ihren Job gekündigt. Bevor sie damit an die Öffentlichkeit ging, hatte sie sogar mit dem Außenminister persönlich darüber gesprochen.
    Zuzana Hlavkova: "Das Treffen war sehr seltsam, weil eigentlich sagte er mir nur, so läuft es nun mal und ich sollte das besser akzeptieren."
    Das angeblich normale Gemauschel kam in der slowakischen Öffentlichkeit nicht gut an. Der Außenminister musste sich rechtfertigen und Zuzana Hlavkova war die Heldin. Mittlerweile arbeitet sie für die Antikorruptionsorganisation Transparency International in der Slowakei.
    Forderung für Schutz von Whistleblowern
    Eine Geschichte wie aus dem Bilderbuch. Doch nicht alle Whistleblower-Geschichten gehen so gut aus. Edward Snowden zum Beispiel droht in seinem Heimatland USA ein Prozess wegen Verrat.
    Whistleblower riskieren oft einiges, um die Öffentlichkeit über Missstände, Ungerechtigkeiten oder sogar Verbrechen zu informieren. Deshalb brauchen Whistleblower rechtlichen Schutz, sagt Anna Myers vom Whistleblower Network:
    "Whistleblowing im öffentlichen Interesse möglich zu machen, heißt, dafür zu sorgen, dass Menschen im Zweifelsfall die richtigen Kanäle vorfinden, um ihr Anliegen zu kommunizieren und sicherzustellen, dass es eine Alternative zum Schweigen gibt. Und selbstverständlich sollten diese Menschen auch die Möglichkeit haben, zu ihrem eigenen Schutz anonym zu bleiben."
    Das internationale Whistleblower Network setzt sich seit Jahren für die weitreichendsten Regelungen zum Schutz von Whistleblowern ein: 1. Für sie soll Rechtsschutz gelten, wenn sich ihre Hinweise auf rechtswidrige Handlungen oder Fehlverhalten beziehen. Sie sollen 2. verlässlich Zugang zu Rechtsberatung, finanzieller und psychologischer Unterstützung erhalten. Und 3: entscheidendes Kriterium für die Schutzwürdigkeit soll sein, das die gelieferten Informationen im "öffentlichen Interesse" sind.
    EU-Kommission verschiebt Termin für Anhörung
    Georgia Georgiadou von der EU-Kommission signalisierte Entgegenkommen: "Die Kommission unterstützt das Anliegen zum Schutz von Whistleblowern vor Verfolgung voll und ganz. Der Schutz von Whistleblowern ist essentiell für die Bewahrung öffentlicher Interessen."
    Allerdings hakt es bei Schaffung der nötigen Rahmenbedingungen. Nach Korruptionsskandalen in europäischen Institutionen und nachdem die Grünen im EU-Parlament schon 2014 einen Gesetzesvorschlag vorlegten, beschloss die EU-Kommission, eine öffentliche Anhörung durchzuführen.
    Man wollte rausfinden, ob ein Whistleblower-Schutz überhaupt notwendig ist. Ein mehr oder weniger formaler Vorgang.
    Die Ergebnisse sollten noch in diesem Jahr vorgestellt werden, von Georgia Georgiadou von der EU-Kommission war allerdings zu hören, der Termin werde ins nächste Jahr verschoben.
    Kein gutes Zeichen, meint Benedek Jávor, ungarisches Mitglieder der grünen Fraktion im EU-Parlament und ebenfalls Redner auf der Konferenz in Leipzig. Er warnte davor, die Chance, nicht verstreichen zu lassen, den Schutz von Whistleblowern rechtlich abzusichern.
    Benedek Jávor: "Der Shift nach rechts, nicht nur nach den Wahlen in Deutschland, sondern auf dem gesamten Kontinent, ist alles andere als förderlich, wenn es darum geht, die Kommission davon zu überzeugen, dass wir Regeln zum Schutz von Whistleblowern brauchen. Dasselbe, wenn wir dafür Unterstützung beim Europäischen Rat brauchen. Auch im Europa-Parlament wird es mit dem steigenden Widerstand von Rechts schwieriger, progressive Initiativen auf den Weg zu bringen."
    Der Europaabgeordnete rechnet frühestens Ende 2021 mit einem Gesetz zum Schutz von Whistleblowern in der Europäischen Union.