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Meeres Stille und Glückliche Fahrt

Es gibt hektische Bilderbücher, geizige Bilderbücher, wilde Bilderbücher gibt es auch und es gibt Bilderbücher, die die Zeit anhalten,

Von Jochanan Shelliem |
    Ich bin 1953 in Hamburg geboren, habe gewohnt in einer Nebenstraße der Reeperbahn ,

    Die wie Michael Ende in der Unendlichen Geschichte träumte, ihre Leser beim Aufklappen in andere Räume ziehen.

    Ja, das war der Kiez ... zum Zeichnen dadurch, dass bei meinen Eltern was zum Zeichnen, Tüfteln, Malen herum lag

    Und Peter Schössow ist einer, der solche Bilderbücher malt.

    Mein Vater kam aus Pommern, meine Mutter aus Mainz. In Hamburg haben sie sich kennengelernt.. Mein Vater war mehr fürs Malen zuständig meine Mutter mehr für Basteleien und so.

    Sein Strich ist eigen, wie der Herr Popinga, den er mit hohem Zylinder, langem Mantel und ziemlich weiter Hose ausstaffiert,

    Ja, so würde ich ihn beschreiben. Also er würde sicherlich auffallen, wenn er durch die Straßen geht.

    Und der in den vier Pappbildbänden auf den ersten Blick ganz unverwechselbar an der Bushaltestelle steht, an den Strand oder durch das Kaufhaus geht.

    Ich hab mich immer gewundert, dass andere Leute immer ein Küchenmesser holen mussten, um einen Bleistift anzuspitzen, bei uns gab es eben einen Anspitzer und eben die Stifte und dann war es eben ganz normal, dass man anfing zu zeichnen.

    Klamm ist der Text, rar machen sich die Worte. Macht aber nix, weil die Bilder selber alles kommentieren. Und nicht nur bei den vier Popinga Bänden, wenn Popinga wartet, einkauft, baden geht oder mal muss.

    Ich arbeite sehr viel nachts. Das hat sich einfach irgendwann so ergeben, ich habe nachts mehr Ruhe. Fange irgendwann an, Nachtmittags zu arbeiten und gehe zu Bett, wenn die Sonne aufgeht.

    Er ist ein unsichtbarer Zeichner, wenn es so etwas gibt, ein Handwerker, der sich so weit zurücknimmt, bis sein Standpunkt und der Strich, sein Blickwinkel und die Buntstiftfarben selbst die Geschichte wie ohne Absicht kommentieren.

    Nachdem ich die mittlere Reife gemacht habe, sollte ich erst mal was Vernünftiges lernen, einen Brotberuf, eine kaufmännische Lehre machen. Nach elf Monaten brach ich ab. Heimlich habe ich mich dann an der Fachhochschule zur Prüfung gemeldet und bin dann genommen worden. Mit achtzehn fing ich an zu studieren, und die Fachhochschule Hamburg, Fachbereich Gestaltung, bildet ja eben Designer aus.

    Peter Schössow ist ein Illustrator, dessen Titelbilder sich in Stern und Spiegel finden, ein Handwerker, der seine Absichten nicht verrät und auch nicht seine Höhenangst in der Geschichte Meehr, in der ein Schlacks am Strand dem Hut nachjagt, bis er vom Wind erfasst selbst über Äcker fliegt, die Möwen überholt und dann sanft auf der Düne abgesetzt mit Hut und Hund sich freut, bevor er auf eine angeschwemmte Kiste steigt, die Arme ausbreitet und lachend "Meehr" ruft. Schössow ist so einer, der seine Bilder fliegen lässt und seine Leser ernst nimmt - ob groß und intellektuell oder auch klein.

    Die Popinga Bücher waren so geplant, es gibt ja auch Pappbilderbücher, die Kindern Gegenstände, Farben und Formen eben näher bringen sollen und meine Überlegung war, ob man eben auch so eine kleine Geschichte dazu erzählen kann. Ich wollte das sehr reduziert machen und lediglich die Gegenstände, um die es auf den Doppelseite geht, das alles stilisieren. Und trotzdem auch eine Atmosphäre herstellen. Also findet ein Buch im Kaufhaus statt Ein anderes an der Bushaltestelle, ein anderes am Strand.

    Und wie kommt einer, der gerne lakonisch karge Texte illustriert, zu Goethe?

    Ja, ich mache seit Ende der Siebziger Bildergeschichten für die Sendung mit der Maus.

    Ja, ja, aber was hat "Tiefe Stille herrscht im Wasser, ohne Regung ruht das Meer" was hat die Skippergedichte von Johann Wolfgang Goethe mit der Sendung mit der Maus zu tun?

    "Meeres Stille und Glückliche Fahrt" wurde mir von der Sendung mit der Maus vorgeschlagen. Und dann habe ich mich hingesetzt und versucht das zu inszenieren, wenn man für Kinder einen Film macht. Man kann nicht zurückspulen. Das muss ja auch alles ziemlich klar sein. Die Figur zu finden. Ein Boot zu finden. Die Art des Bootes. Die Schräglagen. Man eben auch Stimmungen unterstützen kann, die im Schiffer da auch vorkommen.

    77 Worte zählen die zwei Gedichte, 16 Doppelseiten ziehen den Blick auf Skipper, Boot und Meer. Dazwischen spielt sich ab, was sich abspielen kann, wenn einer nicht mehr weiter weiß und denkt er sei am Ende. Ein Drama fast als Aquarell, eine Fahrt durch diesige Wasserfarben, wobei sich der Verdacht auftürmt, da habe einer mit Bleistift und Photoshop gezeichnet, aquarelliert und am Rechner schattiert.

    Ja, das stimmt.. vor zweieinhalb Jahren habe ich angefangen am Rechner zu arbeiten und ja, ich mache meine Skizzen per Hand, mit Bleistift, scanne sie mir ein und bearbeitete die dann am Rechner. Dann fange ich an zu Malen, das was ich früher mit Spritzpistole Verwaschpinsel mit Folien gemacht habe, das mache ich jetzt immer am Rechner.

    Verblüffend ist die Präzision, mit der Schössow die Mutlosigkeit seines Skippers hinter dem schlappen Segel in einfache Striche fasst. Punkt, Punkt, Komma, Strich fertig ist der Kopf des Schiffers mit der Pudelmütze. Von oben, aus der Vogelperspektive, aber nah sieht man die Aussichtslosigkeit des Seglers "Und bekümmert sieht der Schiffer / Glatte Fläche rings umher."

    An "Meeres Stille und Glückliche Fahrt" habe ich fünf, sechs Monate gearbeitet und in dem Buch sind von den hundert Zeichnungen 20-25 Zeichnungen abgedruckt

    Still sitzt der Skipper, als dann Wind aufkommt, die schmale Wimpel flattern lässt - "Und Äolus löset das ängstliche Band."

    Beim Arbeiten ist es eigentlich überraschend, wie oft man sich selbst überraschen kann. Etwa, das man plötzlich feststellt, Mensch, das gelingt ja, toll, kriegt rote Ohren.. Herzklopfen. Und überrascht sich selbst dabei.

    "Es säuseln die Winde, es rührt sich der Schiffer", schreibt Goethe. Peter Schössows Skipper hält das Ruder ganz fest und segelt dem Leser entgegen. Er grinst.

    Mir wird immer gesagt, meine Figuren haben eine gewisse Ähnlichkeit mit mir, ob es ein Hund ist oder eine Ratte oder eine Katze, irgendwo sind da meine Mundwinkel auch mit drin.

    Hinter dem Grinsen aber steht viel Arbeit, stricheln, skizzieren und ein verschobener Tag.

    Ich arbeite sehr viel nachts. Das hat sich einfach irgendwann so ergeben, ich habe nachts mehr Ruhe. Fange irgendwann an nachmittags zu arbeiten und gehe zu Bett, wenn die Sonne aufgeht.

    Wobei die Tätigkeiten Schössows, der noch immer Storyboards und Filme für die Sendung mit der Maus zeichnet, neben Buchprojekten Titelblätter illustriert, sich gegenseitig befruchten, wie an dem Reichtum der Langsamkeit in seinen Bildern zu den Goethe Gedichten zu sehen ist.

    Es gibt reduzierte Formen, die mich immer wieder reizen. Also ich versuche auch, jedes Mal etwas zu reduzieren. Aber ich hoffe, dass wenn ich achtzig dahin komme, dass mir das dann irgendwann mal gelingt.

    Schnell arbeitet der Hamburger Illustrator dabei aber nicht, dazu ist ihm das Vergnügen an der eigenen Nachtarbeit zu wertvoll.

    Also zunächst mal mache ich das für mich und denke an das Publikum Sendung mit der Maus. Ich lege die Bilder schon so an, dass man sie schnell erfassen kann und möglichst auch die Kleinsten, die drei bis vierjährigen. Alles, was im Bild nicht gezeigt wird, wird nicht begriffen. Für mich ist das so eine Maxime. Man muss etwas mehr machen, damit es klar wird in dem Medium, beim Buch kann man eben vor und zurückblättern.

    Kein Wunder, dass er gluckst, was hat der ausgezeichnete denn nun gedacht, als Peter Schössow sein Buch unter den besten Sieben dieses Senders sah?

    Ich war aufgeregt und habe rote Ohren gekriegt.