Der Medebar-Markt in Asmara: Neben den dicht gedrängten Marktständen stapeln sich alte Reifen und ausrangierte Elektrogeräte. Davor hocken die Handwerker. Sie hämmern Metallteile zurecht und schweißen daraus neue Geräte zusammen
"Aus dem ganzen Metall hier stellen wir unterschiedliche Sachen her. Gerade arbeite ich an einem Sieb und benutze dafür eine alte Salatöl-Dose. Zum Schluss lackiere ich es."
Vom Vorzeigestaat zur bitterarmen Diktatur
Abdelwase Beshir schneidet die platt gewalzte Dose mit einer Schere klein. Die fertigen Siebe kosten umgerechnet nicht einmal einen Euro – wie fast alles in seinem kleinen Laden.
"Ich kann nicht sagen, dass die Geschäfte schlecht laufen. Aber wir verdienen eben nur wenig Geld."
Es reicht gerade so für seine vierköpfige Familie. So wie Abdelwase Beshir geht es den meisten in Eritrea. Das Land ist eines der ärmsten der Welt. Aber das ist nur einer der Gründe, warum jedes Jahr Tausende die gefährliche Flucht über die Grenze wagen
"In Eritrea fühlt man sich nie sicher. Tag oder Nacht. Sie können jederzeit kommen und Dich zum Militär schleppen. Oder sie stecken Dich ins Gefängnis. Du weißt nie, was als nächstes auf Dich zukommt. Und das gilt für jeden in Eritrea."
Kritiker verschwinden oft spurlos - in geheimen Gefängnissen
Abraham hat es aus Eritrea heraus geschafft, bis nach Deutschland. Seinen vollen Namen will der Arzt nicht nennen, aus Angst um seine Verwandten zu Hause. Eine begründete Angst. Seit der Unabhängigkeit des Landes 1993 hat die Regierung laut Amnesty International mindestens 10.000 Menschen festgenommen. Die meisten aus politischen Gründen, sagt Claire Beston von der Menschenrechtsorganisation:
"Um die Verhaftungen wird in Eritrea ein großes Geheimnis gemacht. Viele Gefängnisse sind unbekannt. Amnesty hat eine Vielzahl von Berichten bekommen, dass Menschen gestorben sind. Wegen der Hitze oder an den Folgen von Folter und anderen Formen der Misshandlung."
Wer an der falschen Stelle den Mund aufmacht, verschwindet oft spurlos. Meron Estephanos, die Gründerin der Internationalen Kommission von Flüchtlingen aus Eritrea, gegenüber der BBC:
"Wir haben eins der repressivsten Regime der Welt. Die Menschen haben einfach alle Hoffnung verloren."
Das Nordkorea Afrikas
Eritrea galt einmal als der beste Staat Afrikas, mit einer vorbildlichen Verfassung. Das war kurz nach Ende des 30-jährigen Unabhängigkeitskrieges gegen Äthiopien. Heute wird Eritrea das Nordkorea Afrikas genannt. Isoliert von seinen Nachbarn, abgeschottet und mit eiserner Hand regiert. Präsidentenberater Yemane Ghebreab entschuldigt das:
"20 Jahre sind eine kurze Zeit, um eine Nation aufzubauen. Wir haben durch den Krieg zwei Generationen verloren, die keine richtige Ausbildung bekommen konnten. Aber der Krieg hatte auch eine positive Seite: Er hat die Menschen zusammengebracht, weil wir gemeinsam für die Unabhängigkeit gekämpft haben."
Der misstrauische Präsident verlangt Kadavergehorsam
Für den Präsidenten ist das allerdings noch lange kein Grund, der Bevölkerung zu vertrauen, vor allem nicht seit einem Putschversuch im Januar 2013. Issaias Afewerki verlangt vor allem Kadavergehorsam und begründet das mit der immer noch schwelenden Feindschaft mit Äthiopien. 1998 hat es einen zweiten Krieg mit dem Nachbarland gegeben, der zwei Jahre gedauert und geschätzt 80.000 Todesopfer gefordert hat. Bis heute sind Grenzkonflikte an der Tagesordnung.
"Es hat Schwierigkeiten gegeben. Wegen dieses Krieges haben wir diesen nationalen Dienst, der 18 Monate lang geht. Aber einige junge Menschen müssen auch länger im Dienst bleiben."
Jeder Eritreer kann von der Schulbank bis zum Greisenalter jederzeit zum Militärdienst verpflichtet werden. Wer sich weigert, wird streng bestraft. So wie Kidane:
"Ich war in einem Gefängnis in Mai Edaga. Ein fruchtbarer Ort. Wir wurden in zwei Löchern gehalten, die mit einem dünnen Deckel verschlossen wurden. Es war völlig überfüllt, sehr dreckig, überall Fliegen, ohne sanitäre Anlagen. Ein wirklich schrecklicher Ort."
Flüchtlinge gelten als Deserteure
Wer über die Grenze fliehen will, gilt als Deserteur und kann sofort erschossen werden. Trotzdem nehmen Tausende jedes Jahr das Wagnis auf sich. Auch wenn junge und privilegierte Eritreer das offen anzweifeln. So wie die 28-jährige Salam Teklemariam, die Karriere bei der Regierungspartei macht und von Flüchtlingen nichts wissen will:
"Hast Du das gesehen? Ich weiß nicht, gibt es dafür Beweise? Natürlich wollen viele Afrikaner gerne im Ausland leben. Der Grund ist meist die schlechte wirtschaftliche Lage. Deshalb wollen sie weg, gut verdienen und ihren Familien helfen. Aber wir haben hier keine politische oder sonst irgendeine Krise."
Fakt ist: Rund eine Million Eritreer lebt mittlerweile im Ausland, ein Fünftel der Bevölkerung des kleinen Landes. Das Schizophrene daran: Das Land ist auf sie und auf das Geld, das sie ihren zurück gebliebenen Verwandten schicken, angewiesen. Geschätzt ein Drittel der Wirtschaftsleistung Eritreas wird von Flüchtlingen erbracht, die in ihrem eigenen Land als Verbrecher betrachtet werden.