Armin Laschet: "Sie haben sich zu entschuldigen, Herr Minister! Treten Sie an dieses Pult!"
Monika Düker: "Herr Laschet, bleiben Sie redlich!"
Hannelore Kraft: "Diese Menschen machen eine verdammt gute Arbeit, und die lass ich von niemanden in den Dreck ziehen, um das in aller Deutlichkeit zu sagen."
Monika Düker: "Sie missbrauchen hier das Thema für eine, für Ihre parteipolitischen Zwecke, und ich sag Ihnen, es ist schäbig, denn dieses Thema eignet sich dafür nicht!"
Es wird gebrüllt, geschimpft, und ausgeteilt - streckenweise liegen die Nerven quer durch alle Fraktionen wieder einmal blank im Düsseldorfer Landtag. Heute Vormittag hat sich das Plenum versammelt, um über die Flüchtlingsmisshandlungen in Nordrhein-Westfalen zu sprechen. Akribisch listet der Innenminister noch einmal Fehler der Vergangenheit und Maßnahmenpakete für die Zukunft auf. Doch wie steht es um die politische Verantwortung? Dazu gewohnt markige Worte von Ralf Jäger:
"Das ist meine Philosophie von Verantwortung: Noch einmal - ich übernehme sie nicht, ich habe sie! Immer und für alle meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter."
"Bedauern ersetzt keine politische Verantwortung"
Auffällig ist: Niemand aus der Opposition erhebt in dieser Woche Rücktrittsforderungen gegen die rot-grüne Landesregierung. Im Plenarsaal flitzen zwar ein paar verbale Giftpfeile hin und her. Doch unterm Strich heißt es seit Tagen einmütig aus allen Parteien, man müsse jetzt einmal sachliche Aufklärung betreiben. Niemand will in den Verruf geraten, das Flüchtlingselend in Burbach für parteipolitische Zwecke zu missbrauchen. Die Opposition setzt deshalb lieber darauf, Rot-Grün grundsätzlich und in ihrem Stil anzugreifen:
"Wir sagen, diese Verantwortung, Frau Ministerpräsidentin, liegt bei Ihnen."
CDU-Fraktionschef Armin Laschet nimmt Hannelore Kraft ins Visier. Einfühlsame Worte hatte die Regierungschefin Anfang der Woche formuliert, als sie erstmals öffentlich auf die Vorgänge in Burbach reagierte.
"Ich bin fassungslos gewesen, und ich schäme mich dafür, dass das bei uns in Nordrhein-Westfalen geschehen konnte."
Armin Laschet: "Bedauern ersetzt keine politische Verantwortung."
Das ist mittlerweile der schwache Punkt von Hannelore Kraft. Das bodenständige Image der Landesmutter, die sich kümmert, droht Risse zu bekommen. Spätestens seit diesem Jahr läuft es nicht mehr so richtig rund für die Sozialdemokratin. Haushaltsschulden, NRW als Schlusslicht bei Bildung und Infrastruktur, und dann muss sich Kraft auch noch seit Wochen in der sogenannten Funkloch-Affäre verteidigen, weil sie im Sommerurlaub nicht erreichbar war, als ein Unwetter über Münster tobte und zwei Todesopfer forderte. Nicht der Sommerurlaub an sich war das Problem, sondern Krafts widersprüchlicher Umgang damit: Mit dem fehlenden Empfang während ihres Urlaubs habe sie den Fernseher und nicht das Handy gemeint. Auch in der aktuellen Debatte um die Flüchtlings-Misshandlungen dauerte es über 24 Stunden, bevor die Ministerpräsidentin erstmals öffentlich Stellung nahm. Vor Ort in Burbach ist Kraft bisher nicht gewesen, auch wenn der Koalitionspartner das durchaus gut gefunden hätte. Denn die Grünen trifft der Flüchtlingsskandal in ihrem Markenkern. Landesschef Sven Lehmann:
"Natürlich ist es gut, wenn Hannelore Kraft und ihre Minister auch in diese Erstunterkünfte fahren, das zeigt auch Volksnähe und die wird Hannelore Kraft ja zu Recht auch attestiert, und ich gehe davon aus, dass das auch so bleiben wird."
FDP stellt Krafts Glaubwürdigkeit infrage
Die Opposition sieht das naturgemäß anders. Nach der Funkloch-Affäre entsteht schon zum zweiten Mal der Eindruck, dass die Regierungschefin sich nicht kümmert:
"Sie sprechen immer mit großer Emphase davon, kein Kind solle zurückgelassen werden. Sie wollen in Nordrhein-Westfalen jeden Tag ein neues, sozialpolitische Leuchtfeuer entzünden, dass die ganze Republik wärmen soll. Und dann, in dieser Lage, sagen Sie nichts!"
Christian Lindner legt den Finger mitten in die Wunde. Der FDP-Fraktionschef stellt die Glaubwürdigkeit von Hannelore Kraft infrage. Wie sehr kümmert sie sich wirklich um Land und Leute in Nordrhein-Westfalen?
"Sie übernehmen keine Verantwortung, sondern laden es ab beim Innenminister, bei Ihrer Fraktion. Das zeigt, Frau Ministerpräsidentin, die soziale Fassade der Hannelore Kraft, sie ist umgefallen."
Den ganzen Vormittag lang hat Hannelore Kraft die Auseinandersetzung im Plenum schweigend verfolgt, jetzt kommt Bewegung in die Ministerpräsidentin. Nur wenige Minuten nach der Rede von Christian Lindner sitzt ihr Sprecher plötzlich direkt neben ihr auf der Regierungsbank. Man berät sich. Und um 12.20 - nach über zwei Stunden - meldet sich die Ministerpräsidentin zum ersten Mal selbst zu Wort.
"Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe mich zu Wort gemeldet auf die Einlassungen des Kollegen der FDP."
Punktsieg für Christian Lindner. Hannelore Kraft beschränkt sich in den folgenden Minuten dann allerdings darauf, bereits Bekanntes zum Flüchtlingsschutz zu wiederholen. Zum Gegenschlag hat sie bereits letztes Wochenende auf dem Landes-Parteitag der SPD ausgeholt. Sie sei präsent, in NRW und im Bund, und ganz bestimmt nicht amtsmüde:
"Alles Quatsch. Aber eins kann ich den Berlinern versprechen, egal aus welcher Richtung. Unsere Durchschlagskraft in Berlin bleibt bestehen. Und ich stell mich vorne in den Wind, und ich halt das aus, weil ich weiß, dass Ihr an meiner Seite seid."
Kraft pocht auf Authentizität
Die Genossen bestätigen Kraft mit 95 Prozent als SPD-Landeschefin. Ein sehr gutes und zugleich doch das schlechteste Ergebnis, das Kraft bisher bekommen hat. Sie hat einige aus den eigenen Reihen verprellt in letzter Zeit. Die Gewerkschaften waren lange stinksauer über die geplanten, und dann vom Verfassungsgericht kassierten, Beamtenkürzungen. Und die Braunkohle-Anhänger grollen noch immer über den Beschluss, Garzweiler II früher als geplant zu beenden. Das löst in der Immer-noch-Kohlepartei NRW-SPD durchaus Identitätskrisen aus. Umso mehr pocht die Regierungschefin darauf, dass sie authentisch sei:
"Ich werde mich nicht verbiegen, und ich werde kein Politiksprech auflegen, das werde ich nicht tun, liebe Freundinnen und Freude!"
Weil der Opposition nichts anderes einfalle, greife man sie jetzt persönlich an, sagt Hannelore Kraft. Sie selbst hat allerdings mit ihrem Anspruch, sich zu kümmern und allzeit authentisch zu sein, das Persönliche zum Politischen gemacht.