Die in Leipzig vorgestellte Studie trägt den Titel "Die enthemmte Mitte". Sie zeigt eine zunehmende Verunsicherung in vielen Bevölkerungsteilen. So gab die Hälfte der Befragten an, sich angesichts vieler Muslime manchmal wie ein Fremder im eigenen Land zu fühlen. Im Jahr 2014 hatten dies 43 Prozent angegeben. Knapp die Hälfte (49,6 Prozent) stimmte zudem zu, dass Sinti und Roma aus den Innenstädten verbannt werden sollten. Als "ekelhaft" empfanden es 40,1 Prozent der Befragten, wenn Homosexuelle sich in der Öffentlichkeit küssen. Im Jahr 2011 lag der Anteil bei 25,3 Prozent.Eine deutliche Mehrheit der Befragten lehnt rechtsextremes Denken aber ebenso ab wie Gewalt.
Sehr bedenklich ist laut der Studie die Entwicklung bei Menschen mit rechtsextremer Einstellung. Im Vergleich zur Studie vor zwei Jahren befürworteten diese zunehmend "Gewalt als Mittel der Interessendurchsetzung", so Studienautor Oliver Decker.
Viele Rechtsextreme haben in der Partei "Alternavive für Deutschland" eine neue politische Heimat gefunden. Fast 35 Prozent von ihnen gaben an, die AfD zu wählen - vor zwei Jahren waren es lediglich 6,3 Prozent.
In bestimmten Milieus hat laut der Studie auch das Vertrauen in gesellschaftspolitische Einrichtungen wie die Polizei oder die Parteien deutlich nachgelassen. "Sie fühlen sich vom politischen System nicht repräsentiert", sagte Decker. Immer stärkere Vorbehalte gibt es in bestimmten Bevölkerungsteilen auch bezüglich einer neutralen Berichterstattung in den Medien: 14 Prozent der Befragten gaben an, von einer "Lügenpresse" zu sprechen. 41 Prozent lehnten den Begriff ab, 44,9 Prozent gaben ein "teils/teils" an.
Eine erste Reaktion auf die neuen Erkenntnisse kam von den Grünen. Ihr Fraktionschef Anton Hofreiter sprach von "erschreckenden Befunden". Menschenfeindliche Einstellungen reichten immer tiefer in die Mitte der Gesellschaft hinein.
Für die Studie wurden rund 2.400 Personen im Alter zwischen 14 und 93 Jahren teil, 503 von ihnen aus Ostdeutschland. Die Befragung fand im Frühjahr statt. Die "Mitte"-Studie erscheint alle zwei Jahre. Beteiligt sind neben der Uni Leipzig die Heinrich-Böll-, die Otto-Brenner- und die Rosa-Luxemburg-Stiftung.
(mg/tzi))