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Molièrs "Schule der Frauen"
Grellbunter Theaterspaß

Herbert Fritsch ist ein komischer Vogel, immer noch und immer wieder. Mit Molière begann er einst seine erfolgreiche Karriere als Theaterregisseur. Für das Hamburger Schauspielhaus kam Fritsch nun wieder auf den französischen Dramatiker zurück.

Von Michael Laages |
    Szene aus dem Stück "Die Schule der Frauen" von Molière am Schauspielhaus Hamburg
    Die Schauspieler Joachim Meyerhoff als "Arnolphe" (r.) und Karoline Bär als "Agnes" (picture alliance / Markus Scholz)
    Selbstverständlich sind Erfolge nicht besser: nicht mehr, wenn Herbert Fritsch das Theater bespaßt ... unübersehbar wurde mittlerweile gerade an den ersten Häusern der Bühnenrepublik, wie methodisch der Regisseur zu Werke geht, wie unterschiedslos er zuweilen Folien aus ulkigen Effekten zu legen scheint über die Stücke, die er inszeniert, wie sehr er schließlich sich selber als Maß aller Dinge nimmt. Fritsch spielt ja Schauspielern vor; viel vom fahrigen Gehampel, das die Figuren bei ihm auf der Bühne zeigen, viele Ticks und Macken sind im Grunde immer nur Fritsch. Und gerade die virtuosesten Handwerker an den Top-Adressen des Theaters sind besonders verführbar zur Lust an der Kopie – so albern und ulkig wie Fritsch sein: Das können sie allemal.
    Virtuose Kopie und komische Befreiung
    An kleineren Theatern (an denen die Karriere für Fritsch begann) war das meist anders – hier erfanden sich Schauspieler häufig wie neu, weil Fritsch ihnen die Fesseln der Routine löste. In Hamburg jetzt ist beides zu bestaunen: die virtuose Kopie und die komische Befreiung: Martin Pawlowsky etwa, inzwischen der Ältestgediente überhaupt am Deutschen Schauspielhaus, der schon sehr viele Intendanten überlebt hat, war vermutlich niemals derart komisch. Er ist zu Beginn der skeptische Sparringspartner, als Monsieur Arnolphe, Molières Monster von Mannsbild, gleich zu Beginn die eigene Traumfrau beschreibt:
    "Die Dumme frei’n heißt, nicht der Dumme werden! Frauen mit Geist – boaah! – das bringt Beschwerden. Ich weiß, wie mancher kluge Mann fand in der klugen Frau Verderben."
    Das hört sich nicht nach brüllendem Gelächter an; und einmal, später am Abend, steigt Meyerhoff sogar aus der Rolle – um zu gestehen, dass dies halt ein Männerstück sei und er sich auch über nur einen Lacher mächtig freuen könne.
    In der Tat ist "Die Schule der Frauen" eine ganz und gar überlebte olle Kamelle; und es bräuchte wohl eine Art Elfriede Jelinek, um all das Macho-Tum auszumerzen, dass den monströsen Lehrer in dieser Frauen-Schule auszeichnet. Eine 4-Jährige hatte der zur Pflege in einer Art Kloster vergraben, umgeben erklärtermaßen nur von brunzdummem Personal, um sie vorzubereiten, auf die Ehe mit ihm. Ein durchreisender Freund allerdings ist schneller dran am weithin stummen Mädchen; und so, in der Komödien-Logik der Zeit, demontiert Molière natürlich die hybrid-paranoide Hauptfigur. Nach manchen Verteidigungsschlachten gegen den agilen (und viel jüngeren) Mitbewerber tauchen Väter und Schwiegerväter auf und bringen alles ins Lot; der grausame Lehrer bleibt stumm und allein zurück.
    Hinreißende Kostüme
    Der überschwängliche Hamburger Jubel gestern hat mit dieser Story nicht allzu viel zu tun; fast alles hingegen mit Molières Sprache und der Übertragung ins Spiel, wie Fritsch sie betreibt. Der übertrieben gekünstelte, mit Verzierungen und Arabesken nur so um sich werfende Ton im Text ist sozusagen im Sekundentakt übertragen in die mechanische Gestik der Fritsch-Figuren, unterstützt und eben getaktet auch von Ingo Günthers Musik; während sie sprechen, spricht immer auch ihr Körper; und wenn sie gar mit sich selber räsonieren, quasi hinterfragen, was sie da gerade reden, bei besonders blöden Pointen etwa, wird Körpersprache zum Dialogpartner. Deshalb macht es auch über extrem längliche, ja geschwätzige Mono- und Dialog-Passagen hin extrem viel Spaß, den Hampelmännern - und -frauen zu folgen: Meyerhoff, Pawlowsky und Bastian Reiber als jungem Rivalen, Bettina Stucky und Josef Ostendorf als deppertem Hauspersonal. Liebevollstes Detail des Abends: In Ostendorfs turmhoher Perücke wie anno dazumal nistet tatsächlich ein Vogel! Die Kostüme sind, wie immer bei Fritsch, von Victoria Behr; und hinreißend.
    Andreas Grötzinger, Michael Weber und Karoline Bär, die schneeweiß-unschuldige Loreley mit den meist geschlossenen Augen, vervollständigen die schlussendlich wie aufgezogen rund um das fensterlose Haus karriolende Bande. Dass dieses einzige richtige Bühnen-Requisit im ersten Teil gar nicht genutzt wird (außer als optisches Gefängnis), dass Fritsch die langen Wort-Girlanden vorzugsweise nur vorne an der Rampe zelebrieren und also szenisch sehr sparsam agieren lässt – geschenkt. Und Fritsch schwebt über der Bühne herein in den Applaus, an Haltegurten fliegend ... ein komischer Vogel, immer noch und immer wieder.