"In Leipzig werden alle Mittel darauf konzentriert, ein Revolutions-Disneyland zu schaffen, in dem Bestreben, die Marke Leipzig zu promoten."
Diese steile These stammt aus dem Leipziger Stadt-Magazin "Kreuzer", und will so gar nicht zu den geschäftig-feierlichen Vorbereitungen für Festakt, Friedensgebet und Lichtfest passen, die die Stadt seit Wochen prägen.
Wie kommt das Magazin zu dieser harschen Kritik?
Besuch in der Redaktion bei Chefredakteur Andreas Raabe. Nur wenige Meter sind es von den Büros bis hin zum Leipziger Ring, auf dem die Montagsdemonstranten vorbeizogen. Nun werden hier Leinwände und Scheinwerfer für die Kunstinstallationen aufgebaut.
"Revolutions-Disneyland, der wird in einer fernsehartigen Art und Weise hier aufgeführt. Die Leute laufen da durch, wie durch einen Vergnügungspark. Da gibt es hiereine Band und da kaufen sich die Leute ihr Bier."
"Es ist eine Marketing Veranstaltung der Stadt"
In diesem Monat widmet das Stadtmagazin dem Jahrestag eine launige Titelgeschichte. Darin wird nicht mit Kritik an den geplanten Events gespart, Unbequemes, wie Nationalismus auf den Demos werde bewusst ausgeklammert. Ihre These: Leipzig wolle mit dem Erinnern an die Friedliche Revolution seinen Markenwert erhöhen und damit mehr Touristen anlocken, findet Andreas Raabe:
"Es ist eine Marketing Veranstaltung der Stadt. Da ist ganz klar. Das wird nach Marketing Gesichtspunkten aufgezogen. Und auch das passt zu Disneyland."
Geschichte solle also glattgebügelt werden, um damit Geld zu verdienen.
Schöne Bilder, emotionale Musik, in einem kurzen Video stellt der künstlerische Leiter des Festivals, Jürgen Meier, seine Ideen für die Veranstaltungen rund um den 9. Oktober vor.
"2009 kehrte mit dem Beginn der Veranstaltung eine große Ruhe ein. Ich hoffe, das wird 2014 ähnlich sein. Dann geht man mit den Leuten mit und die Atmosphäre springt über."
Emotionaler Höhepunkt des Gedenkens ist am Abend das Lichtfest in der Leipziger Innenstadt: Vor dem Opernhaus werden Bürger und Bundespräsident Joachim Gauck aus 25.000 Kerzen die Zahl 89 formen. Entlang des 3,6 Kilometer langen Innenstadtrings gibt es an 20 Stationen Kunstinstallationen zu den Themen Freiheit und Frieden. Wie schon zum 20. Jahrestag 2009 werden 150.000 Teilnehmer erwartet. Ist dies nun der angemessene Rahmen für ein gemeinsames Erinnern oder Revolutions-Folklore?
Leipzig Wilhelm-Leuschner-Platz
Zeit also für eine Spurensuche - Leipzig Wilhelm-Leuschner-Platz. Der Herbstsalon der Stiftung Friedliche Revolution hat hier für einige Wochen seinen Platz gefunden, organisiert von der Stiftung Friedliche Revolution. Also denjenigen, die damals dabei waren, wie Gesine Oltmanns:
"Es gab dann Montag für Montag immer mehr Menschen, die bereit waren, auf die Straße zu gehen. Und der 9. Oktober war ein ganz besonderer Tag, weil wir in den Tagen davor sehr viele staatliche Gewalt gespürt haben. In Leipzig, Berlin, Dresden."
"Wir sind das Volk, schließt euch an, Gorbi, Gorbi."
Es sind diese Rufe, diese Szenen jenes Abends am 9. Oktobers in Leipzig, die sich tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt haben. Es waren 70.000 Menschen, die an diesem Herbstabend durch die Leipziger Innenstadt zogen. Voller Angst vor dem harten Durchgriff der Ordnungskräfte, aber auch voller Hoffnung.
Teilt Gesine Oltmanns die Kritik am Lichtfest als Folkore? Ja und nein. Denn es ist doch gut, wenn es auch Veranstaltungen gibt, die offen für alle, findet Oltmanns:
"Ich finde, dass die gestalterischen Momente nicht unbedingt nötig sind. Aber ich finde es überflüssig. Die Besucher, die Leute, würden bestimmt viel einbringen, wenn sie die Möglichkeiten dazu hätten."
Am Vorabend bleibt noch ein wenig Zeit für die ruhigen Töne ein Gespräch, Gesine Oltmanns kennt viele der Gäste persönlich.
Freiheits- und Einheitsdenkmal
Eine kleine Ironie der Geschichte - der Herbstsalon findet auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz statt. Also genau dort, wo eigentlich das geplante Freiheits- und Einheitsdenkmal stehen sollte. Nach langen Diskussionen hat der Leipziger Stadtrat das Projekt vor wenigen Monaten beerdigt. Auch hier gab es Streit, um die richtige, die angemessene Form des Gedenkens.