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Moskaus Imagearbeit
Professor Haag lobt Russland

Wie wird Russland in deutschen Medien dargestellt? Auch die Deutschlandfunk-Hörer treibt diese Frage spätestens seit dem Ukraine-Konflikt um. Fest steht: Moskau ist an einem guten Image interessiert – und investiert viel dafür. Gesine Dornblüth ist einigen Methoden nachgegangen.

Von Gesine Dornblüth, Moskau |
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    Bildungsreise in Moskaus Vier-Sterne-Hotel: "Die Bedingungen sind vom Feinsten." (picture alliance / dpa)
    Seit Tagen geht sein Name durch russische Blogs und soziale Netzwerke: Er verteidigt die russische Krimpolitik. Er verurteilt, dass in Estland sowjetische Denkmäler abgetragen wurden. Er meint, dass die Sowjetunion den Zweiten Weltkrieg auch ohne Zutun der Westalliierten gewonnen hätte. Die Rede ist von Professor Lorenz Haag, Leiter der "Agentur für globale Kommunikation" in Deutschland. Unter diesem Titel tritt er in russischen Zeitungen auf. Seit Jahren. Regelmäßig. Stets lobt er die russische Kultur und die Position der russischen Regierung. Der deutsche Experte äußerte sich zum Volksmusikensemble von Lipezk und zu dem im Westen kaum bekannten nordkaukasischen Dichter Rasul Gamzatow. Pawel Gnilorybow hat das stutzig gemacht. Der 22-Jährige studiert in Moskau Geschichte und betreibt einen eigenen Blog.
    "Wir leben in Zeiten der Globalisierung, der sozialen Netzwerke, der Blogs. Da hinterlässt jede gesellschaftliche Tätigkeit Spuren. Wenn jemand in Deutschland Professor ist, wenn er Studenten hat, Vorlesungen hält, Interviews gibt, dann muss er irgendwo auftauchen. Ich habe Lorenz Haag in vielen sozialen Netzwerken gesucht, aber nirgendwo eine Spur von ihm gefunden."
    Auch auf die "Agentur für globale Kommunikation", deren Chef Haag laut russischen Zeitungsberichten sein soll, gibt es keine seriösen Hinweise. Was viele russische Blogger fragen lässt: Gibt es Lorenz Haag? Oder hat sich die russische Presse einen eigenen deutschen Experten erschaffen?
    "Natürlich existiert Herr Lorenz Haag"
    Wladimir Smelow ist Berlin-Korrespondent der staatlichen Nachrichtenagentur TASS. Die gab es schon zu Sowjetzeiten als "Agentur der UdSSR". Gerade hat sie ihren alten Namen wieder angenommen. Professor Lorenz Haag taucht grundsätzlich zuerst in den Meldungen von TASS auf. Korrespondent Smelow sagt, die Vorwürfe der russischen Blogger seien aus der Luft gegriffen.
    "Natürlich existiert Herr Lorenz Haag. Ich kenne ihn persönlich, wir haben uns vor einigen Jahren bei einer deutsch-russischen Veranstaltung in Berlin kennen gelernt. Gewöhnlich kommunizieren wir per Telefon."
    Haags Telefonnummer will er nicht weitergeben, der Professor bestehe auf seine Privatsphäre.
    "Ich gebe Ihnen die Email-Adresse von Herrn Haag. Setzen Sie sich mit ihm in Verbindung. Er wird sicher all Ihre Fragen beantworten."
    Die Adresse besteht aus den Initialen des Professors, LH, und einer Zahlenkombination, das Ganze bei einem kostenlosen E-Mail-Dienst – nicht gerade repräsentativ für einen viel zitierten Experten mit einer Agentur im Hintergrund. Eine E-Mail an die Adresse mit Fragen nach seiner wissenschaftlichen Tätigkeit bleibt unbeantwortet. Ein Reporter der Deutschen Welle kam weiter. Er konnte mit Herrn Haag telefonieren und hörte einen starken slawischen Akzent heraus. Der Deutschen Welle sagte Haag, er sei Russlanddeutscher und in den 1990er-Jahren nach Deutschland eingewandert. Er habe sogar zwei Professorentitel. Es seien allerdings Ehrentitel, verliehen von zwei Technischen Universitäten im Nordkaukasus. Den Moskauer Geschichtsstudenten Pawel Gnilorybow wundert das nicht.
    "Solche Figuren gab es auch im Kalten Krieg. Noch in den 70er, 80er Jahren bezahlten die sowjetischen Nachrichtenagenturen Professoren, die zu verstehen geben sollten, dass nicht alle im Westen unsere Feinde sind. Damals, hinter dem Eisernen Vorhang. Das Signal war: Wir haben dort auch Freunde, einzelne, aber es sind Freunde. Und sie füllten dann drei Viertel der Nachrichten. In dem Kontext kann man auch Lorenz Haag sehen."
    Die russische Regierung arbeitet bereits daran, neue Russlandexperten in Deutschland an sich zu binden.
    Bildungsreise ins Vier-Sterne-Hotel
    Ein Restaurant in Moskau. 25 junge Deutsche sitzen an einer Tafel: Studenten und Doktoranden. Die meisten haben mit Slawistik zu tun und russische Wurzeln. Es ist der Abschlussabend einer fünftägigen Reise, zu der die russische Regierung eingeladen hatte. Es geht um kulturellen Austausch. In Moskau haben die Teilnehmer Sprach- und Literaturinstitute besucht. Sie wohnen in einem neuen Vier-Sterne-Hotel. Anton Balas nippt an einem Bier. Er ist vor 15 Jahren von der Halbinsel Kamtschatka im Fernen Osten Russlands nach Deutschland gekommen. Er studiert in Berlin Russisch und Sport auf Lehramt. In Moskau ist er zum ersten Mal.
    "Die Bedingungen sind vom Feinsten. Die wollten uns einfach zeigen, dass sie uns mögen, und die wollen das Gute für uns."
    Veranstalter der Reise ist Rossotrudnitschestwo, eine staatliche Agentur für die Zusammenarbeit mit Russen im Ausland. Durchgeführt wird die Reise von einer Unterorganisation mit dem Namen "Nationaler Fonds für die Vorbereitung von Kadern". Seit Mai waren elf Gruppen in Moskau, drei davon aus Deutschland. Ziel der Reisen ist es, so heißt es auf der Website von Rossotrudnitschestwo wörtlich, "den Kreis konstruktiv gegenüber der Russischen Föderation gesinnter aktiver junger ausländischer Staatsbürger zu erweitern". Es gab auch ein Treffen der Gruppe mit dem Veranstalter Rossotrudnitschestwo, der einzige Punkt der fünftägigen Reise, bei dem die Deutschlandfunk-Korrespondentin ausdrücklich nicht erwünscht war. Anton hat den Termin verpasst:
    "Aber ich habe mir natürlich was erzählen lassen. Ich habe nicht bereut, dass ich nicht da war, weil alles, was der Mann da erzählte, teile ich. Also im Großen und Ganzen hat er versucht, einfach den Leuten zu erklären, dass wir in Russland, dass wir nur das Gute machen wollen. Wir sind überhaupt nicht aggressiv. Und ich glaube daran, ja."
    Anton hat sich vorgenommen, das später auch seinen deutschen Schülern zu vermitteln. Genau wie er finden viele Teilnehmer der Gruppe, dass Russland in Deutschland falsch dargestellt werde. Und sicher werde auch bei diesem Radiobericht wieder etwas Antirussisches herauskommen. Das erinnert an Lorenz Haag, den rätselhaften Professor. Der hat sich nach dem Wirbel um seine Person erneut zu Wort gemeldet, wieder über die Staatsagentur TASS. Er sagte, die russischen Blogger sollten, statt Gerüchte über ihn in die Welt zu setzen, doch lieber zur Annäherung des Westens und Russlands beitragen.