Ein Verband klagt stellvertretend für mindestens 50 potenziell geschädigte Verbraucherinnen und Verbraucher gegen ein Unternehmen. Das ist der Kern der sogenannten Musterfeststellungsklage. Die Bundesjustiz- und Verbraucherschutzministerin Katarina Barley hatte vergangene Woche den Gesetzentwurf im Bundestag vorgestellt:
"Verbraucherinnen und Verbraucher müssen schnell, unbürokratisch und kostengünstig gegen rechtswidriges Verhalten und Täuschungen vor allen Dingen von großen Konzernen vorgehen können."
Für Klaus Müller, Vorstand des "Verbraucherzentrale Bundesverbands", ist die Musterfeststellungsklage ein Meilenstein.
"Für viele Verbraucher, gerade bei Massenschäden, ist das Durchsetzen ihrer Ansprüche gegen Banken, Versicherungen, Energiekonzerne, im Telefonbereich individuell nicht vernünftig, nicht lohnenswert und dass wir hier jetzt eine Verbraucherklage, eine Musterfeststellungsklage bekommen, ist gut und richtig."
Betroffene müssen aktiv werden
Doch sie wirkt nur für die potenziell Betroffenen, die selbst aktiv werden. Das soll ihnen nun jedoch erleichtert werden.
"Weil die Verbraucher, die zum Beispiel von dem gleichen Kontomodell betroffen sind, von der gleichen Versicherung betroffen sind, sich in ein Register eintragen können. Und dann müssen sie erst einmal nichts tun. Weil wenn es dann zu einem höchstrichterlichen Urteil kommt, wissen sie, dass das Unternehmen gegen ein Gesetz verstoßen oder betrogen hat. Und insofern ist das eine ganz wichtige Funktion, um Verbrauchern Rechtsdurchsetzung einfacher zu machen."
Am Ende eines Verfahrens kann ein Vergleich oder ein Urteil stehen.
Schadenersatzansprüche müssten Verbraucher allerdings in einem weiteren Prozess einfordern. Und genau diese Zweistufigkeit sorgt für Kritik:
"Das ist kein effektiver Rechtsschutz und die Gerichte erwartet eine Flut von Leistungsklagen," sagte die Abgeordnete der Linken Amira Mohamed Ali im Bundestag.
Auch FDP und Grüne kritisieren den Gesetzentwurf. Demnach dürfen nur ganz bestimmte Verbände klagen. Die Grüne Manuela Rottmann betonte in der ersten Lesung:
"Wir wollen den Geschädigten die Möglichkeit eröffnen, dass sie selbst sich zusammenschließen, wenn sie gar keinen Verband finden, der sie vertreten will."
Nur bestimmte Verbände dürfen klagen
Gerade das will die Große Koalition vermeiden. Sie fürchtet, dass spezialisierte Kanzleien die Musterfeststellungsklage zu ihrem Geschäftsmodell machen könnten. Die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker verteidigt das Konzept, dass nur bestimmte Verbände klagen dürfen:
"Es darf nicht die Musterfeststellungsklage zu einem Vehikel werden, wo der Konkurrenz sozusagen gegen seinen Gegner am Markt vorgeht. Da muss volle Transparenz und Unabhängigkeit gegeben sein."
So muss ein Verband unter anderem mindestens zehn Unterverbände haben oder 350 Mitglieder. Und: Nicht mehr als fünf Prozent seines Budgets dürfen von Unternehmen kommen. Umweltverbände kritisieren diese Kriterien als zu hoch. Vor allem Wirtschaftsvertreter hätten sich hingegen noch strengere Kriterien für die klagenden Verbände gewünscht.
Die Idee der Musterfeststellungsklage ist viele Jahre alt. Erst der VW-Skandal verhalf dem Gesetz nun zum Durchbruch. In der vergangenen Legislaturperiode scheiterte das Vorhaben noch am Widerstand der CDU/CSU, nun scheint es der Großen Koalition nicht schnell genug zu gehen. Dabei waren viele umstrittene Details bis zum Schluss noch offen. Man hat sich nun im Eiltempo geeinigt.
Die Zeit drängt
Die Zeit drängt, denn spätestens zum Ende des Jahres verjähren Schadenersatzansprüche von betroffenen VW-Kunden. Um das zu vermeiden, soll die Musterfeststellungsklage zum November in Kraft treten.