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Nach 25 Jahren
Langzeit-Regierungschef Montenegros tritt ab

Die Demokratische Partei der Sozialisten Montenegros hat die vergangene Parlamentswahl gewonnen. Die absolute Mehrheit wurde nicht erreicht, eine Regierungsbildung wird dadurch schwierig. Regierungschef Milo Djukanovic, der seit Jahrzehnten die politische Landschaft des Landes prägt, ist nun zurückgetreten.

Von Ralf Borchard | 27.10.2016
    Milo Djukanovic steht an einem Rednerpult und schaut skeptisch zur Seite. Im Hintergrund sind Fahnen zu sehen.
    Ministerpräsident Milo Djukanovic dominiert die Politik in Montenegro seit 25 Jahren. (dpa/ picture alliance/ Boris Pejovic)
    Er hat die Wahl gewonnen – doch er tritt zurück. Für Milo Djukanovic nichts Ungewöhnliches. Der Mann, der die Politik in Montenegro seit 25 Jahren dominiert, hat sich schon zweimal aus der Regierungsspitze zurückgezogen, doch im Hintergrund alle Fäden in der Hand behalten. Diesmal war der Wahlerfolg mit einem deutlichen Dämpfer verbunden. Djukanovics DPS hat 41 Prozent erreicht, ist damit mehr denn je von Koalitionspartnern abhängig, vor allem von den Vertretern der Minderheiten in Montenegro, von Bosniaken, Albanern und Kroaten. Djukanovic gibt sich zuversichtlich, dass die Regierungsbildung auch ohne ihn selbst als Premierminister gelingt:
    "Ich glaube, dass es schnell gehen wird", so Djukanovic. "Bei diesen parlamentarischen Mehrheitsverhältnissen sieht alles ganz natürlich aus. Die DPS wird die Zusammenarbeit mit jenen fortsetzen, mit denen sie jahrelang zusammengearbeitet hat, auch wenn dies früher von den Prozenten her nicht notwendig war. Ich erwarte, dass wir in wenigen Wochen eine neue Regierung haben werden."
    Nachfolger Djukanovics gilt als sein engster Vertrauter
    Der Mann, der künftig die Regierung führen soll, ist Djukanovics engster Vertrauter: sein bisheriger Stellvertreter, der frühere Geheimdienstchef Dusko Markovic. Markovic hat sich stets eins zu eins im Sinne Djukanovics geäußert, etwa wenn er das größte Oppositionsbündnis, die Demokratische Front, als Russland-hörig kritisiert hat:
    "Sie haben klar gesagt, dass sie die Unterstützung Russlands haben, um Montenegro auf seinem Weg in die NATO zu stoppen. Wir wollen aber nicht nur wegen der puren Mitgliedschaft in die NATO, sondern auch, weil dies ein Prozess ist, der Montenegro von innen heraus verändert - durch Reformen, parallel zu den Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union. Die ganze Gesellschaft verändert ihre Struktur, ihr Bewusstsein, es werden Standards gesetzt, die diese Gesellschaft demokratisch und frei machen, damit Rechtsstaatlichkeit herrscht."
    Das sehen Oppositionelle in Montenegro deutlich skeptischer. Auch Oppositionsgruppen, die grundsätzlich pro-westlich orientiert sind, werfen EU und NATO ein doppeltes Spiel vor. Djukanovic sei von Deutschland, anderen EU-Staaten und von den USA immer gestützt worden, um den prowestlichen Kurs Montenegros abzusichern. Gleichzeitig drücke der Westen bei den Themen Korruption, Klientelismus und Wahlfälschung beide Augen zu, so der Vorwurf.
    Schlechte Chancen auf eine Minderheitsregierung durch die Opposition
    Der Politikwissenschaftler Srdjan Vukadinovic nennt die jüngste Parlamentswahl die erste, die unklare Mehrheiten hervorgebracht hat:
    "Bei allen zehn bzw. neun vorherigen Wahlen waren die Ergebnisse eindeutig. Noch in der Wahlnacht war jeweils klar, wer die Mehrheit hat. Dies sind die ersten Wahlen, nach denen wir nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen können, wer die neue Regierung in Montenegro bilden wird."
    Rein rechnerisch könnte die Opposition erstmals eine Minderheitsregierung gegen Djukanovis DPS bilden, wenn die Vertreter der Bosniaken, Albaner und Kroaten umschwenken. Der kleinen Partei der Bosniaken wurde dafür sogar das Amt des Regierungschefs versprochen. Doch diese Variante bleibt unwahrscheinlich, weil die inhaltlichen Positionen der Oppositionsparteien zu weit auseinanderklaffen – pro-russisch hier, pro-westlich dort. So bleibt die wahrscheinlichste Variante, dass tatsächlich der von Djukanovic auf den Schild gehobene Dusko Markovic Regierungschef wird und sich die Unterstützung der Minderheitenvertreter mit Posten und finanziellen Zugeständnissen erkauft.
    Zäher Kampf gegen Korruption in Montenegro
    Aus EU-Sicht bliebe in Montenegro so alles wie gehabt: Die EU-Beitrittsverhandlungen laufen weiter, wenn auch ohne Aussicht auf schnellen Erfolg. Im kommenden Jahr kann die NATO-Mitgliedschaft Montenegros besiegelt werden. Und der Kampf gegen Korruption, Vetternwirtschaft und organisierte Kriminalität wird zwar weiter versprochen, kommt aber nur im Schneckentempo voran.